OGH 15Os48/17y

OGH15Os48/17y23.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Limberger, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Gabriel V***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1, 130 Abs 3, § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Neculai‑Costel B***** gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 9. Februar 2017, GZ 11 Hv 90/16p‑472a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00048.17Y.0823.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten B***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen – auch rechtskräftige Freisprüche enthaltenden – Urteil wurde Neculai-Costel B***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1, 130 Abs 3, § 15 StGB (I./), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II./) und mehrerer Verbrechen und eines Vergehens „der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB“ (erkennbar gemeint [US 7, 16]: mehrerer Verbrechen im bezeichneten Sinn und eines Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB; III./) schuldig erkannt.

Danach hat er

I./ von 29. Oktober bis 11. Dezember 2015 in K***** und anderen Orten „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ mit den teils abgesondert verfolgten, teils bereits rechtskräftig verurteilten Gabriel V*****, Claudiu P*****, Pericle S***** und Catalin C***** und zumindest einem weiteren bislang unbekannten Täter als Mitglied eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen, der auf die wiederholte Begehung von Diebstählen durch Einbruch in Wohnstätten ausgerichtet war, mithin einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) zumindest eines anderen Mitglieds der Vereinigung, fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert von zumindest 141.372,27 Euro durch Einbruch in Wohnstätten mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, „weggenommen bzw wegzunehmen versucht“, wobei er ab dem dritten Angriff in der Absicht handelte, sich als Mitglied der kriminellen Vereinigung durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen durch Einbruch in Wohnstätten (US 12: Häuser und Wohnungen) ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, und bereits zwei solche Taten als Mitglied der kriminellen Vereinigung begangen hatte, und zwar „durch das Leisten von Beitragshandlungen durch Vermittlung eines Wohnsitzes bei der Familie Bl***** als Quartier für die kriminelle Vereinigung (US 13 f) sowie durch Verrichten von Chauffeur- und Aufpasserdiensten“ (US 14, 18: letztere zu I./2./ bis 11./, 35./, 36./, 40./, 41./ und 50./) hinsichtlich im Urteilsspruch näher dargestellter 53 Angriffe (US 12: durch Aufbrechen der Tatobjekte), wobei es teilweise beim Versuch blieb;

II./ am 24. Juni 2016 in L***** seinen Mithäftling und Komplizen Gabriel V***** mit zumindest einer Verletzung am Körper bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er aus seiner Zelle schrie „Bei der Verhandlung werde ich Grasu (gemeint: V*****) erwischen und werde ihn umbringen. Bei der Verhandlung hat keiner Handschellen, da werde ich Selbstjustiz üben.“, wobei er die Drohung aus seiner Zelle derart laut schrie, dass V***** die Drohung in seiner Zelle hören konnte, was B***** in seinen Tatplan aufgenommen hatte;

III./ am 12. Dezember 2016 in L***** die Richterin des Landesgerichts L***** Mag. Sabine A***** sowie die Polizisten Karl K***** und Willibald Sc*****, sohin Beamte, und weiters den Gerichtsdolmetscher Thomas Ch***** dadurch der Gefahr der behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie von Amts wegen zu verfolgender mit Strafe bedrohter Handlungen, nämlich Mag. Sabine A*****, Karl K***** und Willibald Sc***** des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und somit fälschlich angelasteter Handlungen, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind, sowie Thomas Ch***** der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB falsch bezichtigte, obwohl er wusste, dass die Verdächtigungen falsch sind, indem er im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht L***** im Verfahren AZ 11 Hv 90/16p wahrheitswidrig deponierte, ein Polizeibeamter habe bei der Vernehmung am 4. Mai 2016 Aussagen, die er gemacht habe, nicht hinzufügen wollen, sodass der Beamte ausgetauscht worden sei, und es seien Dinge protokolliert worden, die er gar nicht gesagt habe, ihm zwar vom Dolmetscher übersetzt worden sei, was er gesagt habe, im Protokoll dann aber das Gegenteil festgehalten worden sei, er insbesondere den Satz „ich weiß auch, dass sie damals bereits Einbruchsdiebstähle begangen haben“ so nicht gesagt habe, und es sich somit um eine Verschwörung zwischen Dolmetscher, Polizei und Staatsanwalt handle, auch seine im Protokoll über das Pflichtverhör enthaltenen Angaben nicht richtig seien und er auf die Frage, ob er auch der Richterin einen Amtsmissbrauch unterstellen wolle, indem sie Dinge in das Protokoll geschrieben habe, die er nicht gesagt habe, antwortete: „Sie können alle holen und befragen, es haben alle ihre Arbeit nicht gut gemacht“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Aus Z 3 (iVm § 159 Abs 3 StPO) kritisiert der Beschwerdeführer, seine Ehefrau Mariana B***** habe in der Hauptverhandlung am 13. Dezember 2016 zwar– angeblich ohne entsprechende Belehrung darüber – erklärt, als Angehörige von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht betreffend ihren Ehemann Gebrauch machen zu wollen (ON 429 S 2), sei danach aber dennoch zu Aufenthalten der Mitangeklagten in der ehelichen Wohnung befragt worden, obwohl die Beleuchtung dieser Anwesenheiten und ihrer Umstände (auch) der Abklärung der Beteiligung des Beschwerdeführers an den Einbrüchen (nach der Anklage ua durch Zurverfügungstellung der Ehewohnung und– zeitweise – überdies auch durch Verrichtung von Chauffeur- und Aufpasserdiensten) erfolgt sei.

Einen mit Blick auf den Prozessstandpunkt des Beschwerdeführers benachteiligenden Einfluss auf die Entscheidung konnte ein dieser Beweisaufnahme anhaftender Mangel aber schon deshalb nicht ausüben (§ 281 Abs 3 StPO; RIS‑Justiz RS0112987; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 224, 734, 740, 743), weil später „einvernehmlich“ ein zusammenfassender Vortrag des gesamten Akts – somit auch der Aussagen der Ehefrau des Angeklagten im Ermittlungsverfahren – erfolgte (ON 472 S 18; § 252 Abs 1 Z 4 StPO), ein im Wesentlichen inhaltsgleicher Beweis in der Hauptverhandlung also mit ausdrücklicher Zustimmung des Angeklagten – sohin ohne Verstoß gegen Z 2 oder Z 3 – ein weiteres Mal vorkam. Im Übrigen ist ein Konnex der Depositionen dieser Zeugin zu für den Schuldspruch entscheidenden Tatsachen nicht zu erkennen, lehnten die Erstrichter doch eine Feststellung, wonach die Ehewohnung des Angeklagten (wie von der Anklage angenommen) als Stützpunkt der kriminellen Vereinigung diente, sogar ausdrücklich ab (US 16 f, 23).

Voraussetzung der Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO ist, dass über einen in der Hauptverhandlung vom Beschwerdeführer gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinne dieses Antrags mit Zwischenerkenntnis entschieden worden ist; die Hintansetzung von Verfahrensgrundsätzen zum Nachteil eines Beschwerdeführers muss also durch ein gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis des erkennenden Gerichts erfolgt sein (RIS-Justiz RS0099250 [insb T10]).

Mit der Behauptung, durch Entzug des Wortes sei dem Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung die Möglichkeit genommen worden, (im Rechtsmittel nicht näher dargestellte) konkrete Vorgänge als Grundrechtsverletzungen zu kritisieren, vermag die Verfahrensrüge (Z 4) nicht durchzudringen, weil ein auf die Zulassung solchen Vorbringens gerichteter formeller Antrag an das Schöffengericht (§ 238 StPO) gar nicht gestellt wurde (ON 428 S 38, 44 f und ON 472 S 17).

Gegenüber einem vom Gericht beigegebenen Verteidiger (§§ 61 f StPO) besteht Manuduktionspflicht nur dann, wenn dieser offenkundig versagt (RIS-Justiz RS0096569 [T1]). Worin eine derartige Fehlleistung des Verteidigers des Angeklagten liegen soll, macht der das Unterbleiben der Anleitung zur Konkretisierung angeblicher (nicht weiter dargestellter) Grundrechtsverletzungen monierende Beschwerdeführer nicht deutlich.

Indem die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zu I./2./ bis 11./ behauptete Widersprüche betreffend Chauffeur- und Aufpasserdienste des Nichtigkeitswerbers kritisiert, bezieht sie sich im Hinblick darauf, dass der Schuldspruch zu I./ (zu sämtlichen Fakten) darüber hinaus auf einem Tatbeitrag durch Vermittlung einer Unterkunft (bei der Familie Bl*****) an die zur Tatausführung aus Rumänien angereisten Mitglieder der kriminellen Vereinigung (Catalin C*****, Pericle S*****, Gabriel V***** und Claudiu P*****) basiert (US 2, 11 ff, 17 ff), auf keine entscheidende Tatsache (RIS‑Justiz RS0117264).

Da auch die Tatsachenrüge (Z 5a) des Beschwerdeführers bloß den Aspekt der Tatbeteiligung durch Chauffeur- und Aufpasserdienste (zu I./2./ bis 11./, 35./, 36./, 40./, 41./ und 50./) und somit gleichfalls keine für den Schuldspruch oder die Subsumtion entscheidenden Tatsachen im Auge hat, erübrigt sich ein Eingehen darauf.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – zum Teil in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass aus Sicht des Obersten Gerichtshofs – insoweit entgegen der Einschätzung der Generalprokuratur – die den Schuldspruch I./ betreffenden Feststellungen den Vorsatz des Beschwerdeführers auf unrechtmäßige Bereicherung (US 11–14) und Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (US 11–14) sowie dessen gewerbsmäßige Absicht (US 13 f, 21 iVm US 3–6) im Lichte einer Gesamtschau der Entscheidungsgründe hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen (RIS‑Justiz RS0117228).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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