European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00086.17P.0725.000
Spruch:
Der Rekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.228,81 EUR (darin 371,47 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der bei der Beklagten von 1. 12. 1985 bis 4. 9. 2015 beschäftigt gewesene Kläger hatte im Jahr 1990 auf seine ihm zustehenden Abfertigungsansprüche verzichtet, um nach den auf sein Arbeitsverhältnis anwendbaren Bestimmungen der Dienst- und Besoldungsordnung sowie der Zuschussordnung Leistungen nach der Zuschussordnung, insbesondere einen monatlichen Pensionszuschuss, beziehen zu können. Dass ein derartiger Verzicht zufolge des einseitig zwingenden Charakters des Abfertigungsrechts (§ 2 Abs 1, § 3 ArbAbfG iVm § 23a Abs 6 AngG) rechtsunwirksam ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (9 ObA 141/12v) und ist zwischen den Parteien auch nicht weiter strittig. Die Beklagte hat dem Kläger die gesetzliche Abfertigung ausbezahlt, leistet jedoch nicht den monatlichen Pensionszuschuss.
Den Pensionszuschuss macht der Kläger nun unter Berufung auf den ersatzlosen Wegfall seines nichtigen Abfertigungsverzichts sowie unter Bezugnahme auf das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot und jenes des § 18 BPG mit der vorliegenden Leistungs- und Feststellungsklage geltend.
Die Beklagte hält dem behaupteten Anspruch des Klägers entgegen, dass die Teilnichtigkeit der gegenständlichen Vereinbarung (Verzicht auf die Abfertigung und Erhalt der Zuschusspension) eine ergänzende Vertragsauslegung (Konversion) zur Folge habe. Da nach dem Parteiwillen der Streitteile durch die seinerzeitige Vereinbarung jedenfalls nicht beide Leistungen, also Abfertigung und Pensionszuschuss nebeneinander gebühren sollten, sei die Vereinbarung nach Wegfall des nichtigen Teils dahin ergänzend auszulegen, dass die Parteien ein Ruhen der Zuschusspension bis zur Aufzehrung der gesamten Abfertigung vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit des Abfertigungsverzichts bewusst gewesen wäre.
Das Berufungsgericht hob die klagestattgebende Entscheidung des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es teilte die Rechtsansicht der Beklagten, dass infolge Teilnichtigkeit der Vereinbarung mittels ergänzender Vertragsauslegung zu prüfen sei, ob und in welcher Form nach dem hypothetischen Parteiwillen die Vereinbarung aufrecht erhalten werden könne. Dazu (und auch zum Einwand des Klägers in Bezug auf das Gleichbehandlungsgebot) fehlten aber Feststellungen.
Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil auch die über den Einzelfall hinaus relevante Rechtsansicht vertreten werden könnte, dass wegen der Verwendung von Vertragsschablonen (Dienst‑ und Besoldungsordnung sowie Zuschussordnung) durch die Beklagte diese grundsätzlich verpflichtet gewesen wäre, auf die Gesetzeskonformität der von ihr verwendeten Regelung zu achten und eine qualitative Änderung im Wege der Auslegung bei teilnichtigen Klauseln im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB daher nicht in Frage komme, womit über das Klagebegehren schon auf Basis der bisherigen Feststellungen entschieden werden könnte.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Aufhebungsbeschluss gerichtete Rekurs des Klägers ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 526 Abs 2 ZPO) – nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu lösen ist. Auch vom Rekurswerber wird zur Begründung der Zulässigkeit des Rekurses keine andere Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO releviert, als die vom Berufungsgericht genannte. Die Begründung kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 4 ZPO; RIS‑Justiz RS0043691).
Graf (in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.03 § 879 Rz 299), auf den das Berufungsgericht verweist, kritisiert aus den in der angeführten Belegstelle genannten Gründen die geltungserhaltende Reduktion von teilnichtigen AGB-Klauseln. Die geltungserhaltende Reduktion könne nur zu einer quantitativen, nicht aber zu einer qualitativen Veränderung der in der anstößigen Klausel vorgesehenen Rechtsfolgen führen.
Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um die geltungserhaltende Reduktion einer bestimmten teilnichtigen „Klausel“, bei der die Vertragsklausel insoweit aufrecht bleibt, als sie inhaltlich nicht zu beanstanden und ein entsprechender hypothetischer Parteiwille erkennbar ist (vgl RIS‑Justiz RS0127810), weil der nichtige Teil der hier in Rede stehenden Vereinbarung, also der rechtsunwirksame Abfertigungsverzicht des Klägers, zur Gänze weggefallen ist.
Hingegen dient die ergänzende Vertragsauslegung der Aufrechterhaltung von Verträgen, die ganz oder teilweise gegen zwingendes Recht verstoßen ( Heiss in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 914 Rz 95). Ist nur ein Teil eines Vertrags von der Nichtigkeit betroffen, so kann der Restvertrag aufrechterhalten werden, wenn die Aufrechterhaltung dem hypothetischen Parteiwillen entspricht und dem Zweck der Nichtigkeitsnorm nicht zuwider läuft ( Heiss in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 914 Rz 96; vgl 7 Ob 142/07v).
Die Rechtsprechung geht jedoch über die bloße Geltungserhaltung des Vertragsrests hinaus. Hätten die Parteien nämlich den Vertrag zwar ohne den gesetzwidrigen Teil geschlossen, jedoch das Sachproblem unter Zugrundelegung eines gesetzeskonformen Teils gelöst, so bleibt der Restvertrag aufrecht und der nichtige Vertragsteil wird durch einen gesetzeskonformen substituiert. Als Mittel der ergänzenden Vertragsauslegung kommen der hypothetische Parteiwille, die Übung des redlichen Verkehrs, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie die Verkehrsauffassung in Betracht, wobei unter diesen Aspekten keine feste Rangfolge besteht, sondern unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten die Lücke so zu schließen ist, wie es der Gesamtregelung des Vertrags gemessen an der Parteienabsicht am besten entspricht (RIS‑Justiz RS0017832). Auch die Sittenwidrigkeit einer Klausel hat im Übrigen noch nicht die Unwirksamkeit des ganzen Vertrags zur Folge (RIS‑Justiz RS0016420).
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist nach den dargestellten Grundsätzen daher nicht zu beanstanden. Wenn das Berufungsgericht zur abschließenden rechtlichen Beurteilung die Ergänzung der Feststellungen für erforderlich erachtet, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (RIS‑Justiz RS0042179).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Für die Berechnung der Kosten des Revisionsverfahrens war gemäß TP 3 C RATG nur von einem Ansatz in Höhe von 1.236,83 EUR auszugehen. An ERV‑Gebühr steht gemäß § 23a RATG nur der Betrag für eine Folgeeingabe zu (RIS‑Justiz RS0126594).
Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses in ihrer Rekursbeantwortung hingewiesen (RIS‑Justiz RS0123222 [T8]).
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