OGH 10Nc16/17k

OGH10Nc16/17k21.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Dr. Schramm und Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj K*****, geboren am *****, in Obsorge der Mutter S*****, Deutschland, in Unterhaltsangelegenheiten vertreten durch das Land Steiermark (Bezirkshauptmannschaft Hartberg‑Fürstenfeld, 8320 Hartberg, Rochusplatz 2), wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0100NC00016.17K.0721.000

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Fürstenfeld an das Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya wird nicht genehmigt.

 

Begründung:

Der Minderjährige ist das außereheliche Kind der Mutter, der auch die Obsorge zusteht. Das Pflegschaftsverfahren über den Minderjährigen wurde zunächst vom Bezirksgericht Oberwart und – infolge Wohnsitzwechsels der Mutter und des Kindes – anschließend vom Bezirksgericht Fürstenfeld geführt (ON 6, 9).

Der Vater war bislang verpflichtet, dem Kind aufgrund eines Beschlusses des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 24. 7. 2001 einen monatlichen Unterhalt von 236 EUR zu zahlen.

Am 7. 9. 2016 beantragte der Vater die Herabsetzung des von ihm zu leistenden monatlichen Unterhalts (rückwirkend) ab 1. 11. 2001.

Der Vertreter des Kindes gab am 20. 9. 2016 (ON 106) bekannt, dass das Kind und die Mutter seit 11. 8. 2016 an einer im Sprengel des Bezirksgerichts Waidhofen an der Thaya gelegenen Adresse wohnhaft seien.

Der Vater, der seinen Wohnsitz in der Tschechischen Republik hat, wandte die Unzuständigkeit des Bezirksgerichts Fürstenfeld ein (ON 114). In weiterer Folge beantragte er aufgrund der Wohnsitzverlegung des Kindes die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya (ON 123). Dieses Gericht sei auch weit günstiger zum Wohnsitz des Vaters gelegen.

Mit Beschluss vom 7. 12. 2016 (ON 124) wies das Bezirksgericht Fürstenfeld den Antrag des Vaters, die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya zu übertragen, ab.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz gab dem vom Vater gegen diesen Beschluss des Bezirksgerichts Fürstenfeld erhobenen Rekurs mit Beschluss vom 24. 1. 2017 (ON 134) Folge und änderte ihn dahin ab, dass die Zuständigkeit zur Besorgung der gegenständlichen Pflegschaftssache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya übertragen wird.

Mit Beschluss vom 22. 2. 2017 (ON 137) wiederholte das Bezirksgericht Fürstenfeld daraufhin die Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache gemäß § 111 Abs 1 und 2 JN an das Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya mit der Begründung, dass das Kind und die obsorgeberechtigte Mutter den gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel dieses Gerichts hätten.

Am 8. 3. 2017 teilte die Vertretung des Kindes dem Bezirksgericht Fürstenfeld mit, dass das Kind und die Mutter nach Deutschland verzogen seien. Eine Meldeanfrage ergab, dass das Kind und die Mutter am 24. 2. 2017 von der Adresse im Sprengel des Bezirksgerichts Waidhofen an der Thaya abgemeldet wurden (ON 140).

Der Übertragungsbeschluss ON 137 wurde den Parteien – der Mutter bereits an ihrer neuen Wohnadresse in Deutschland – zugestellt und erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Das Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya lehnte die Übernahme mit der Begründung ab, das Kind sei nach Deutschland verzogen. Gesetzlicher Vertreter in Unterhaltssachen sei nach wie vor das Land Steiermark, sodass die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Fürstenfeld gemäß § 109 Abs 2 JN nach wie vor gegeben sei.

Das Bezirksgericht Fürstenfeld legte die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung ist nicht zu genehmigen.

1. Die Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN setzt voraus, dass das übertragende Gericht auch bisher nach dem Gesetz zur Besorgung der Pflegschaftssache zuständig war (RIS‑Justiz RS0107254). Dies ist hier der Fall, weil § 29 JN auch für das Außerstreitverfahren gilt und die einmal begründete Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichts daher auch bei nachträglichen Sachverhaltsänderungen bestehen bleibt (RIS‑Justiz RS0046068). Die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht ist nur auf dem in § 111 JN vorgezeichneten Weg möglich (Scheuer in Fasching/Konecny I³ § 29 JN Rz 12).

2. Das ausschlaggebende Kriterium für die Beurteilung, ob die Pflegschaftssache nach § 111 JN an ein anderes Gericht übertragen werden soll, ist das Kindeswohl (RIS‑Justiz RS0046908 ua). § 111 JN wird von der Rechtsprechung eng ausgelegt (RIS‑Justiz RS0046929 [T11, T20]). Eine Zuständigkeitsübertragung hat daher nur zu erfolgen, wenn dies im Interesse des Kindes und zur Förderung der wirksamen Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes erforderlich erscheint (RIS‑Justiz RS0046908, RS0046929 ua).

3. Dies ist hier – worauf das Rekursgericht bei seiner Entscheidung nach der Aktenlage noch nicht abstellen konnte – nicht (mehr) der Fall. Das Kind hielt sich – rückblickend betrachtet – nur wenige Monate im Sprengel des Bezirksgerichts Waidhofen an der Thaya auf, ehe es diesen wieder verließ. Eine Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya entspricht im konkreten Fall daher nicht dem Kindeswohl.

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