European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130NS00032.17K.0710.000
Spruch:
Die Sache wird dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift übermittelt.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit Anklageschrift vom 8. März 2017 (ON 812) legte die Staatsanwaltschaft Graz Srdjan K***** und sieben anderen Angeklagten das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG sowie zahlreiche weitere strafbare Handlungen zur Last.
Am 23. März 2017 erhoben die Angeklagten Ramo R***** und Jasmina R***** gemäß § 212 StPO Einspruch gegen die Anklageschrift (ON 816).
Mit Beschluss vom 4. Mai 2017, AZ 8 Bs 123/17z, legte das Oberlandesgericht Graz – nach Verneinen des Bestehens eines der in § 212 Z 1 bis 4, 7 und 8 StPO genannten Gründe – die Akten gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vor, weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei.
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 37 Abs 1 erster Satz StPO ist im Fall gleichzeitiger Anklage mehrerer beteiligter Personen (§ 12 StGB) oder einer Person wegen mehrerer Straftaten das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Dabei ist unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere, unter Gerichten gleicher Ordnung jenes mit Sonderzuständigkeit für alle Verfahren zuständig, wobei das Gericht, das für einen unmittelbaren Täter zuständig ist, das Verfahren gegen Beteiligte nach sich zieht (§ 37 Abs 2 erster Satz StPO). Im Übrigen kommt das Verfahren im Fall mehrerer Straftaten dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO). Wenn jedoch für das Ermittlungsverfahren eine Staatsanwaltschaft bei einem Gericht zuständig war, in dessen Sprengel auch nur eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll, so ist dieses Gericht zuständig (§ 37 Abs 2 dritter Satz StPO).
Nach der dargestellten Gesetzessystematik normiert somit der dritte Satz des § 37 Abs 2 StPO eine Ausnahme zum zweiten, nicht jedoch zum ersten Satz dieser Bestimmung (RIS‑Justiz RS0124935 und RS0125227; Oshidari , WK‑StPO § 37 Rz 5).
Fallbezogen bedeutet dies, dass für die Frage der örtlichen Zuständigkeitsbegründung nur jene strafbaren Handlungen (§ 211 Abs 1 Z 2 StPO) in den Blick zu nehmen sind, die sachlich in die Zuständigkeit des Schöffengerichts fallen, also die Anklagevorwürfe in Richtung der Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 und 3 SMG sowie des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 und 4 SMG (§ 31 Abs 3 Z 1 StPO).
Da die Anklageschrift im Bezug auf diese Vorwürfe ausschließlich präsumtive Tatorte nennt, die in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Oberlandesgerichts Wien fallen (ON 812 S 19 und 21), hat – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – dieses Gericht über den Einspruch zu entscheiden (dazu näher RIS‑Justiz RS0124585).
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