OGH 7Ob67/17d

OGH7Ob67/17d5.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Widl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.000.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 1. Februar 2017, GZ 2 R 114/16y‑16, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31. Mai 2016, GZ 52 Cg 6/15v‑12, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00067.17D.0705.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.940 EUR (darin enthalten 656,70 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der sie als Bauträgerin vier Appartementvillen errichtete. Zur Durchführung dieses Bauprojekts erteilte sie der Beklagten einen Generalunternehmerauftrag (Werkvertrag vom 8. 5./13. 5. 2013), mit einer (zuletzt) Pauschalauftragssumme von 9.057.499,75 EUR zuzüglich 20 % USt, dessen wesentlichen Bestimmungen lauten:

„[…]

8. Zahlungsbedingungen:

8.1 Die Vergütung Ihrer Leistungen erfolgt nach Zahlungsplan bzw nach Baufortschritt und Legung von leicht prüfbaren Massenermittlungen und Teilrechnungen.

8.2 Teilrechnungen sind entsprechend dem Baufortschritt und dem beigefügten Zahlungsplan zu erstellen.

[…]

11. Gewährleistungen und Sicherstellungen:

[…]

11.10 Der AN stellt eine Erfüllungsgarantie in der Höhe von 1.000.000 EUR, nach Rohbaufertigstellung (25. 7. 2014) reduziert sich diese auf 700.000 EUR bis Bauende.

11.11 Der AG liefert einen Finanzierungsnachweis.

[…]

15. Kündigung und Ersatzvornahme:

[…]

15.6 Der AN ist berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, wenn der AG ohne Angabe von Gründen seiner vereinbarten Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt und trotz dreier schriftlicher Aufforderungen, welche jeweils in einem Abstand von mindestens sieben Werktagen voneinander eingeschrieben abzuschicken sind, die fällige Zahlung nicht durchführt.

…“

Mit Schreiben vom 21. 3. 2013 übermittelte die Beklagte der Klägerin eine Erklärung mit nachstehendem Inhalt:

„Firmenhaftbrief – Erfüllungsgarantie

Anlässlich der Übertragung der Generalunternehmerleistungen für das BVH […], wurde die Vereinbarung getroffen, dass die Auftragnehmerin eine abstrakte Vertragserfüllungsgarantie beibringt.

Sollte die H***** GmbH ihren vertraglichen Verpflichtungen Ihnen gegenüber nicht nachkommen, verpflichtet sie sich, unter Verzicht auf jedwede Einrede, über erste schriftliche Aufforderung, worin Sie uns mitteilen, dass die H***** GmbH ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt, Ihre Ansprüche zu erfüllen und den von Ihnen geforderten Betrag bis zu einer Höhe von EUR 1.000.000 (in Worten EUR eine Million) bis 25. 7. 2014 […] innerhalb von fünf Tagen auf das von Ihnen angegebene Konto zu überweisen …“

Im Februar 2013 kam es zu einer Besprechung zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und den Vertretern der finanzierenden Banken über die allgemeine Finanzierung des Bauprojekts. Eine Kopie des über diese Besprechung erstellten Protokolls übergab der Geschäftsführer der Klägerin einem Mitarbeiter der Beklagten.

Mit Telefax des Beklagtenvertreters vom 25. 11. 2014 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die ihr gemäß § 1170b ABGB zustehende Sicherstellung von 20 % des vereinbarten Entgelts (Auftragssumme laut Vertrag nach Entfall von Elektroarbeiten 9.057.499,75 EUR netto), sohin 2.173.800 EUR brutto in angemessener Form innerhalb einer Frist von 14 Tagen, sohin bis zum 9. 12. 2014, zu leisten.

Mit E‑Mail vom 25. 11. 2014 teilte der Geschäftsführer der Klägerin in einem gleichzeitig auch an den Beklagten- und den Klagevertreter ergangenen E‑Mail mit, dass eine Zahlung in dieser Höhe keinesfalls ohne Absicherung durch eine Bankgarantie geleistet werde.

Im Rahmen einer Baubesprechung teilte der Geschäftsführer der Klägerin dem Bauleiter der Beklagten nochmals mit, dass die Klägerin die von der Beklagten geforderte Sicherstellung – ohne Sicherstellung durch die Beklagte – nicht erbringen werde.

Mit E‑Mail des Beklagtenvertreters vom 10. 12. 2014 forderte die Beklagte die Klägerin, im Hinblick auf deren Mitteilung, diese Bankgarantie nicht „ohne Absicherung“ zu leisten, erneut auf, innerhalb einer Nachfrist bis zum 15. 12. 2014, die der Beklagten gemäß § 1170b ABGB zustehende Sicherstellung von 20 % des vereinbarten Entgelts (Auftragssumme laut Vertrag nach Entfall der Elektroarbeiten 9.057.499,75 EUR netto), sohin 2.173.800 EUR brutto (dies unter Außerachtlassung späterer Zusatzaufträge) zu stellen. Für den Fall, dass der Forderung auch innerhalb der gesetzten Nachfrist nicht termingerecht nachgekommen werde, erklärte die Beklagte den Rücktritt von dem Generalunternehmervertrag.

Mit E‑Mail des Klagevertreters an den Beklagtenvertreter vom 23. 12. 2014 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die Vertragsteile anlässlich der Auftragserteilung unter Punkt 11. „Gewährleistungen und Sicherstellungen“ vereinbart hätten, dass die Beklagte eine Erfüllungsgarantie beibringe, demgegenüber die Klägerin einen Finanzierungsnachweis zu erbringen habe. Damit hätten die Vertragsteile eine ausdrückliche Regelung zur Thematik der Sicherstellungen getroffen und seien sohin von der Regelung des § 1170b ABGB ausdrücklich abgegangen. Da die Beklagte die unter Punkt 11.10 des Auftragsbriefs zu leistende Erfüllungsgarantie nicht erbracht habe, könne eine abstrakte Bankgarantie oder eine sonstige Sicherstellung gemäß § 1170b ABGB keinesfalls beansprucht werden. Letztlich läge zum Zeitpunkt der Beanspruchung und des unzulässigen Vertragsrücktritts auch eine erhebliche Überzahlung von Seiten der Beklagten vor. Die nunmehrige Forderung einer Sicherstellung gemäß § 1170b ABGB sei unzulässig.

Die Klägerin begehrte Zahlung von 1.000.000 EUR sA. Die Beklagte habe entsprechend Punkt 11.10 des Werkvertrags am 21. 5. 2013 eine Erfüllungsgarantie abgegeben. Die Beklagte habe vor Fertigstellung des Rohbaus ihre Tätigkeit im Dezember 2014 eingestellt, die Baustelle abgebaut und den Generalunternehmerauftrag nicht mehr weiter erfüllt. Die Klägerin habe daher die Erfüllungsgarantie der Beklagten mit Schreiben vom 23. 12. 2014 gezogen. Die Beklagte habe jedoch keine Zahlung geleistet. In Punkt 11.11 des Werkvertrags habe sich die Klägerin verpflichtet, der Beklagten einen Finanzierungsnachweis zur Sicherstellung ihrer Zahlungsansprüche beizubringen. Sie habe diesen Finanzierungsnachweis der finanzierenden Bank über 13.000.000 EUR der Beklagten auch vorgewiesen. Damit sei einvernehmlich eine Abänderung der Sicherstellungsregelung des § 1170b ABGB getroffen worden. Zum Zeitpunkt der Beanspruchung der Sicherstellung durch die Beklagte im November 2014 habe die Klägerin der Beklagten auf Basis der gelegten 16 Teilrechnungen im Vergleich zu den tatsächlich bis dahin erbrachten Leistungen zumindest 1.688.338,38 EUR zu viel bezahlt. Die Beklagte bedürfe daher keiner Sicherstellung ihres Werklohns, weil sie bereits eine Überzahlung erhalten habe und eine Abrechnung nach Baufortschritt vereinbart worden sei. Das Sicherungsbegehren mit einem Betrag von 2.173.800 EUR sei überhöht gewesen, da der Sicherstellungsbetrag mit 20 % des aushaftenden Restbetrags des vereinbarten Werklohns begrenzt sei. Da die Beklagte auch Zusatzkosten beansprucht habe, die vertraglich nicht vereinbart worden seien, sei ihr Sicherstellungsbegehren sittenwidrig. Darüber hinaus wäre die Beklagte gemäß Punkt 15.6 des Werkvertrags verpflichtet gewesen, eine weitere Nachfrist zu setzen und eine dreimalige schriftliche eingeschriebene Mahnung vorzunehmen. Da diese Form nicht eingehalten worden sei, habe durch das Schreiben der Beklagten vom 10. 12. 2014 auch nicht die Aufhebung des Werkvertrags eintreten können. Der Vertrag habe daher weiterhin bestanden und die Beklagte habe die Arbeiten an der Baustelle vertragswidrig eingestellt.

Im Übrigen werde das Klagebegehren auf den Titel der Rückforderung einer irrtümlich geleisteten Überzahlung aus den Teilrechnungen 1 bis 16 gestützt. Weiters mache die Klägerin auch Schadenersatz geltend, weil sie durch das vertragswidrige Verhalten der Beklagten zur Fertigstellung des Bauvorhabens auf Ersatzvornahme durch andere Werkunternehmer angewiesen sei und sich die zu erwartenden damit verbundenen Mehrkosten jedenfalls zumindest mit 1.000.000 EUR beziffern würden.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Sie sei berechtigt vom Werkvertrag zurückgetreten. Zum Zeitpunkt der Forderung der Sicherstellung habe noch Werklohn in der Höhe von rund 3.409.000 EUR (netto) ausgehaftet, weshalb die geforderte Sicherheitsleistung nicht überhöht gewesen sei. Die Beklagte habe der Klägerin durch ihren Vertreter eine 14‑tägige Frist zur Leistung der Sicherstellung eingeräumt und angedroht, unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurückzutreten. Die Klägerin habe jedoch mitgeteilt, dass sie die Sicherheitsleistung keinesfalls ohne Absicherung durch eine Bankgarantie leisten werde. Dadurch habe die Klägerin ihren fehlenden Zahlungswillen trotz ihrer gesetzlichen Verpflichtung geäußert. Die Beklagte habe dennoch den Ablauf der 14‑tägigen Frist abgewartet und am 10. 12. 2014 neuerlich die Klägerin aufgefordert, innerhalb einer Nachfrist bis 15. 12. 2014 die Sicherstellung gemäß § 1170b ABGB zu leisten, dies unter Erklärung des Vertragsrücktritts, sofern die Klägerin der Aufforderung zum Erlag der Sicherheitsleistung nicht nachkomme. Da eine Sicherheitsleistung nicht erlegt worden sei, sei die Beklagte berechtigterweise vom Werkvertrag zurückgetreten. Die Vertragserfüllungsgarantie der Beklagten stelle eine Besicherung des Bestellers für den Fall dar, dass der Unternehmer seinen vertraglich vereinbarten Pflichten nicht oder nur teilweise nachkomme. Aufgrund des berechtigten Rücktritts vom Vertrag durch die Beklagte habe es keine weiteren vertraglichen Verpflichtungen – insbesondere auch nicht zur Fertigstellung des Werks – der Beklagten gegeben. Die Klägerin könne sich nicht auf die Erfüllungsgarantie berufen. Ein Finanzierungsnachweis verschaffe der Beklagten nicht eine gemäß § 1170b ABGB gleichwertig geschützte Rechtsposition. Die von der Klägerin behauptete – nicht aufgeschlüsselte – Überzahlung liege nicht vor.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Die Finanzierungszusage einer Bank stelle keine Sicherstellung im Sinn des § 1170b Abs 2 ABGB dar. Für die prozentuelle Berechnung der Sicherstellung sei das vereinbarte Gesamtentgelt maßgeblich, nicht bloß der noch ausstehende Teil desselben. Die Klägerin habe die begehrte Sicherstellung nicht geleistet, weshalb die Beklagte wirksam vom Werkvertrag zurückgetreten sei. Da die Klägerin unmissverständlich erklärt habe, die Sicherstellung nicht bzw nur gegen Sicherheit leisten zu wollen, hätten weitere Einmahnungen laut Vereinbarung in Punkt 15.6 des Werkvertrags nicht erfolgen müssen. Die Beklagte sei vor Inanspruchnahme aus der Erfüllungsgarantie wirksam vom Vertrag zurückgetreten, weshalb sie ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht verletzt habe.

Soweit die Klägerin ihr Klagebegehren auf die Rückforderung wegen irrtümlich geleisteter Überzahlungen aus den Teilrechnungen auf ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten in dieser Höhe stütze, stehe diesem Begehren § 1170b Abs 2 Satz 2 ABGB entgegen, der auf § 1168 Abs 2 ABGB verweise. Die Beklagte könne den gesamten noch aushaftenden Werklohn von der Klägerin verlangen. Eine Rückforderung von zu viel bezahltem Entgelt wäre nur dann möglich, wenn die Klägerin bereits über den vereinbarten Werklohn hinaus Zahlungen geleistet hätte oder wenn sich die Beklagte Arbeiten erspart oder etwas durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hätte. Darauf habe sich die Klägerin nicht gestützt. Wenn die Klägerin ihr Klagebegehren auch auf Schadenersatz gründe, weil sie die noch von der Beklagten zu erbringenden Werkleistungen zur Fertigstellung des Bauvorhabens durch Ersatzvornahme durch andere Werkbesteller veranlassen habe müssen, mangle es am Verschulden der Beklagten.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Im österreichischen Recht sei eine abstrakte Garantie unwirksam, auch ein Garantievertrag bedürfe einer Causa. Bei einem von § 880a ABGB nicht erfassten zweipersonalen Verhältnis – wie es hier gegeben sei – seien abstrakte Garantieverpflichtungen unwirksam. Die von der Beklagten abgegebene Erfüllungsgarantie sei ein kausales, vom Werkvertrag abhängiges Verfügungsversprechen, weshalb Einwendungen aus dem Grundgeschäft zulässig seien.

Der im Werkvertrag in Punkt 15.6 verwendeten Formulierung „vereinbarte Zahlungsverpflichtung“ könne unter Anwendung der in § 914 ABGB vorgesehenen Auslegungsregeln nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass davon auch eine von der Beklagten geforderte Sicherstellung im Sinn des § 1170b ABGB erfasst wäre. Die genannte Vertragsbestimmung lege keine Regelung zur Nachfristsetzung im Fall des Begehrens einer Sicherstellung durch die Beklagte fest. Eine Finanzierungszusage der kreditfinanzierenden Bank des Werkbestellers stelle keines der in § 1170b ABGB genannten Sicherungsmittel dar, tatsächlich biete sie überhaupt keine Sicherung des Werkhonorars. Da die Beklagte erstmals eine Sicherstellung begehrt habe und nicht wie von der Klägerin behauptet eine weitere, gehe der Einwand der Sittenwidrigkeit ins Leere. Darüber hinaus habe die Klägerin auch keinerlei Vorbringen in Richtung Sittenwidrigkeit (unlautere Motive, das Vorliegen eines krassen Missverhältnisses zwischen den Interessen der Streitparteien) erstattet.

Da der gesamte noch aushaftende Werklohn 5.418.947,70 EUR betrage und die Klägerin ihr Begehren nicht auf die gemäß § 1168 Abs 1 ABGB den Werklohn reduzierenden Einwendungen stütze, komme eine Klagsstattgebung mit der Begründung der Bezahlung des Werklohns über den erbrachten Leistungsumfang hinaus nicht in Frage. Als Folge des berechtigten Rücktritts stehe der Klägerin auch kein Schadenersatzanspruch wegen der entstandenen Mehrkosten durch Fertigstellung des Projekts durch andere Werkunternehmer zu.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1.1 Die Bestimmung des § 1170b ABGB wurde mit dem Handelsrechts-Änderungsgesetz, BGBl I 2005/120, in das ABGB eingefügt, und soll den Insolvenzrisiken im Bau- und Baunebengewerbe entgegenwirken. Sie sieht eine gesetzliche, vertraglich nicht abdingbare Sicherstellungspflicht des Werkbestellers unabhängig von der Unsicherheitseinrede des § 1052 zweiter Satz ABGB vor, also unabhängig von einer Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse und Kenntnis davon. Kommt der Werkbesteller dem Sicherstellungsverlangen des Werkunternehmers nicht, nicht rechtzeitig oder unzureichend nach, so kann dieser die Erbringung seiner Leistung verweigern (§ 1170b Abs 2 Satz 2 ABGB) und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären. Das Recht, Sicherstellung zu begehren, steht dem Werkunternehmer auch bei mangelhafter Bauleistung zu (1 Ob 107/16s).

1.2 Die Klägerin argumentiert, sie sei ihrer Sicherungsverpflichtung ohnedies durch Beibringung der vereinbarten Finanzierungszusage ihrer Kreditgeberin nachgekommen.

In der – wie ausgeführt – nicht abdingbaren Bestimmung des § 1170b Abs 1 ABGB werden als Sicherungsmittel Bargeld, Bareinlagen, Sparbücher, Bankgarantien und Versicherungen angeführt. Grundsätzlich sollen „nur“ diese in Betracht kommen, „also Vermögenswerte, die eine rasche und günstige Verwertung ermöglichen, nicht jedoch bewegliche Sachen oder eine Hypothek“ (ErlRV 1058 BlgNR 22. GP  72).

Dahingestellt bleiben kann, ob es sich hier um eine taxative Aufzählung handelt oder ob davon abweichend– wenn ja welche – Sicherungsmittel vereinbart werden können. Das hier gegenständliche Protokoll über eine Besprechung zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und den Vertretern der das Bauprojekt finanzierenden Banken über die allgemeine Projektfinanzierung ist jedenfalls kein Vermögenswert der Klägerin, der in irgendeiner Weise eine Verwertung ermöglicht. Zutreffend sprachen schon die Vorinstanzen der „Finanzierungszusage“ jegliche Eignung als Sicherungsmittel im Sinn des § 1170b ABGB ab.

2.1 Die Obliegenheit des Werkbestellers auf Verlangen des Unternehmers eine Sicherstellung zu geben, wird mit dem Vertragsabschluss begründet und besteht bis zur vollständigen Bezahlung des Entgelts (1 Ob 107/16s). Die Höhe der Sicherstellung nach § 1170b ABGB ist zweifach begrenzt. Einerseits mit der Höhe des noch ganz oder teilweise ausstehenden Entgelts, andererseits ist eine absolute Höchstgrenze von 20 % (bei kurzfristig innerhalb von drei Monaten zu erfüllenden Verträgen von 40 %) vorgesehen ( Hörker in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 § 1170b Rz 16, Wiesinger , Sicherstellung bei Bauverträgen – § 1170b ABGB bbl 2007 [3]; Hartlieb-Lamprechter , Sicherstellung gemäß § 1170b ABGB, [Vertragliche] Ausgestaltung und ausgewählte Problemstellungen in der Praxis, ecolex 2010, 223; Jud , Sicherstellung bei Bauverträgen, ecolex 2004, 12; Maier‑Hülle , § 1170b ABGB – Sinn und Zweck einer zwingenden Sicherstellung für Werkunternehmer bei Bauverträgen, immolex 2007, 230; Schopper , Sicherstellung bei Bauverträgen – der neue § 1170b ABGB, JAP 2006/2007/9; M. Bydlinski in KBB 4 § 1170b Rz 5).

Maßgebend ist stets (sowohl für die prozentuelle Berechnung als auch für die Beschränkung durch das noch ausstehende Entgelt) das vereinbarte Gesamtentgelt, nicht bloß der noch ausstehende Teil desselben oder die nicht fälligen Teil‑ oder Abschlagszahlungen. Die höhenmäßige Begrenzung der Sicherstellung durch das „noch ausstehende Entgelt“ führt nur dann zu einer Reduktion der absoluten Höchstgrenze (20 % bzw 40 %), wenn diese den insgesamt noch ausständigen Vergütungsanspruch übersteigt ( Hörker aaO § 1170b Rz 17, M. Bydlinski aaO § 1170b Rz 5). Eine automatische aliquote Verringerung der Sicherstellung bei Eingang von Teilzahlungen ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht geboten ( Hartlieb-Lamprechter aaO).

2.2  Rebhahn/Kietaibl (in Schwimann/Kodek ABGB‑Praxiskommentar 4 § 1170b Rz 9, 10) vertreten, dass eine Sicherstellung jeweils nur für einen begonnenen Bauabschnitt zu leisten sei.

Diese Ansicht wird vom erkennenden Senat nicht geteilt. Zum einen widerspricht ihr schon der Gesetzeswortlaut, wonach die Sicherstellung (bis zu 20 oder 40 % des vereinbarten Entgelts) binnen angemessener Frist ab Vertragsabschluss verlangt werden kann. Zum anderen begründen die Materialien (ErlRV 1058 BlgNR 22. GP  72) die höhere Sicherstellung für kurzfristige Bauaufträge damit, dass deren Verrechnung in Abschnitten weder praktisch noch praktikabel sei, weshalb dem höheren Insolvenzrisiko solcher Unternehmer durch die höhere Schwelle Rechnung getragen werde. Daraus ist zu schließen, dass die – an sich übliche – Verrechnung nach Bauabschnitten bei der Sicherstellung von 20 % schon berücksichtigt ist, das heißt, dass die zeitliche Dimension der Werkbestellung vom Gesetzgeber bereits mit der Differenzierung nach der Höhe des Prozentsatzes berücksichtigt wurde. Für diese Sichtweise spricht auch, dass dem Werkunternehmer in der Regel schon wesentliche Kosten entstehen, bevor er mit den Arbeiten (auch nach Bauabschnitten) beginnt. So muss er Mitarbeiter anstellen, Material und Maschinen anschaffen, Verträge mit Subunternehmen abschließen. Allein für diesen Aufwand bedarf es ebenso einer Sicherstellung wie für die Kosten der laufenden Bauführung. Das heißt, auch bei Verrechnung in Abschnitten ist die Sicherstellung nicht nur für das für den jeweils begonnenen Bauabschnitt vereinbarte und ausstehende Entgelt zu leisten, sondern für das noch ausstehende Gesamtentgelt.

2.3 Im Sinn dieser Ausführungen führte die Zahlung von 4.571.710 EUR (exklusive USt) aufgrund der bis dahin gelegten Teilrechnungen durch die Klägerin zu keiner Reduktion der vom Beklagten geforderten Sicherstellung in Höhe von 20 % (2.173.800 EUR brutto) des Gesamtentgelts (10.868.999,70 EUR brutto), da der insgesamt noch ausständige Vergütungsanspruch die geforderte Sicherstellung überstieg.

3. Die Klägerin meint weiters, sie habe auf die gelegten Teilrechnungen eine Überzahlung von 1.688.338,38 EUR geleistet. Damit habe sie eine ausreichende Sicherheit gestellt, die trotz Vorliegens der Überzahlung erfolgte Inanspruchnahme der Sicherstellung durch die Beklagte sei sittenwidrig.

Eines weiteren Eingehens bedarf es hier nicht:

Die von der Klägerin angeführte Pauschalsumme wird von ihr im erstgerichtlichen Verfahren nicht aufgeschlüsselt, die von ihr behauptete Überzahlung fand auch keinen Eingang in die Feststellungen.

Das Gericht darf zwar die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RIS‑Justiz RS0037300); Voraussetzung hiefür ist aber, dass die vom Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsauffassung vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der Parteien ins Treffen geführt und damit der Gegenseite keine Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde (RIS‑Justiz RS0037300 [T16]). Auch § 182a ZPO hat nichts daran geändert, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat; angesichts solcher Einwendungen hat vielmehr die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. § 182a ZPO bezweckt somit nicht, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RIS‑Justiz RS0120056 [T4 uva]).

Im vorliegenden Fall hat bereits die Beklagte im erstgerichtlichen Verfahren auf die fehlende Aufschlüsselung der „Überzahlung“ ausdrücklich hingewiesen, sodass es keiner weiteren Erörterung bedarf. Darüber hinaus ist Sittenwidrigkeit nach dem Maßstab des § 1295 Abs 2 ABGB nur dann anzunehmen, wenn die Ausübung eines Rechts den offenbaren Zweck hatte, den anderen zu schädigen. Die Haftung für missbräuchliche Rechtsausübung liegt nicht nur bei ausschließlichem Schädigungszweck (Schikane) vor, sondern auch dann, wenn die unlauteren Motive der Rechtsausübung die lauteren Motive eindeutig überwiegen. Schon ein krasses Missverhältnis zwischen den vom Handelnden verfolgten und den beeinträchtigten Interessen führt dabei zur Sittenwidrigkeit (RIS‑Justiz RS0026265). Zutreffend wies bereits das Berufungsgericht darauf hin, dass Vorbringen auch in diese Richtung von der Klägerin nicht erstattet wurde und sich aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Vorgehen der Beklagten bei Ausübung des ihr nach § 1170b ABGB eingeräumten Rechts ergeben.

4. Zusammengefasst ergibt sich, dass die Forderung der Beklagten nach einer Sicherstellung in Höhe von 20 % des Gesamtentgelts den gesetzlichen Vorgaben des § 1170b ABGB entsprach und damit zulässig erfolgte.

5. Die vom Werkunternehmer gemäß § 1170b Abs 2 ABGB erklärte Auflösung des Vertrags beseitigt den Erfüllungsanspruch des Bestellers, sodass sich dieser auf eine Pflicht zur mängelfreien Herstellung des Werks durch den Unternehmer nicht mehr berufen kann. Dem Unternehmer gebührt zufolge des Verweises auf § 1168 Abs 2 ABGB ein entsprechend der Regelung des § 1168 Abs 1 ABGB verminderter Entgeltanspruch, dem der Besteller mangelnde Fälligkeit, weil das Werk mangelhaft erbracht wurde oder unvollendet blieb, nicht entgegenhalten kann. Für die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags verbleibt nach berechtigter Auflösung des Vertrags nach § 1170b ABGB kein Raum (RIS‑Justiz RS0131056 = 1 Ob 107/16s).

Der Einwand der Klägerin, die Beklagte könne nicht zurücktreten, weil sie – nicht näher genannte – Leistungsstörungen zu vertreten habe, geht ins Leere.

6. Die Klägerin weist weiters darauf hin, dass die Beklagte die in Punkt 15.6 des Werkvertrags für die Einforderung von Leistungen vereinbarte dreimalige schriftliche Aufforderung als Voraussetzung für einen berechtigten Vertragsrücktritt nicht eingehalten habe.

6.1 Nach § 918 ABGB kann ein Rücktritt wegen Schuldnerverzugs nur unter gleichzeitiger Setzung einer angemessenen Frist zur Nachholung erklärt werden. Der Rücktritt wird erst nach einer angemessenen Nachfrist wirksam (RIS‑Justiz RS0018395). Von der Nachfristsetzung kann dann abgesehen werden, wenn der Schuldner sich unter anderem weigert, die Leistung vertragskonform zu erbringen (vgl RIS‑Justiz RS0018371, RS0018428).

6.2 Dies gilt auch für den Fall, dass der Besteller die Sicherheitsleistung ernsthaft und endgültig verweigert. Dem Unternehmer steht dann zur Vermeidung allfälliger Mehrkosten (Stehzeiten) das Leistungsverweigerungsrecht sowie das Recht zur Vertragsaufhebung sofort zu ( Hörker aaO § 1170b FN 64, Wiesinger aaO [5]).

6.3 Hier teilte der Geschäftsführer der Klägerin mit Schreiben vom 25. 11. 2014 und in der darauffolgenden Besprechung mit, die Sicherstellung nicht bzw nicht ohne Absicherung durch eine Bankgarantie seitens der Beklagten zu leisten. Damit verweigerte sie die Stellung der geforderten Sicherheitsleistung, die sie unzulässig mit einer gesetzlich nicht vorgesehenen Absicherung durch die Beklagte bedingte, ernsthaft und endgültig. Weitere Mahnungen und Nachfristsetzungen durch die Beklagte waren nicht erforderlich.

7. Zusammengefasst folgt, dass die Vorinstanzen die Berechtigung des Rücktritts durch die Beklagte nach § 1170b Abs 2 ABGB zutreffend bejahten.

8. Die Klägerin, die sich selbst noch in der Berufung ausschließlich auf eine abstrakte Verpflichtungserklärung und den darin enthaltenen Einredeverzicht der Beklagten berief, hielt diese Rechtsansicht in der Revision nicht mehr aufrecht. Nunmehr meint sie vielmehr, die Vorinstanzen hätten die Erfüllungsgarantie doch nicht als abstraktes Schuldverhältnis, sondern als tituliertes Schuldversprechen in Form einer Pönal‑ bzw Konventionalstrafe beurteilen müssen. Die Beklagte könne sich daher nicht auf einen berechtigten Rücktritt berufen.

8.1 Eine gemäß § 1336 Abs 1 ABGB vereinbarte Konventionalstrafe soll einerseits den Schuldner zur korrekten Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlassen und andererseits dem vereinfachten Ausgleich der dem Gläubiger aus einer trotzdem erfolgten Vertragsverletzung erwachsenden Nachteile durch Pauschalierung seines Schadenersatzanspruchs dienen (RIS‑Justiz RS0032072 [T7]). Die Vertragsstrafe ist ein pauschalierter Schadenersatz, der an die Stelle des Schadenersatzes wegen Nichterfüllung oder Schlechterfüllung tritt (RIS‑Justiz RS0032013).

Die Frage, ob durch die Erklärung der Beklagten zwischen den Streitteilen überhaupt eine Konventionalstrafe vereinbart wurde, kann dahingestellt bleiben. Die Forderung der Klägerin nach einer solchen scheitert bereits an den nicht substanziiert behaupteten Vertragsverletzungen der Beklagten und an dem als berechtigt angesehenen Vertragsrücktritt der Beklagten.

9. Soweit die Klägerin ihr Klagebegehren auf Zahlung von 1.000.000 EUR auch auf Bereicherungsrecht, nämlich die irrtümliche Überzahlung (von 1.688.338,38 EUR) stützt, macht sie pauschal einen Teilanspruch geltend. Können dabei einzelne Anspruchspositionen unterschieden werden, die ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben, dann hat der Kläger klarzustellen, welcher Teil von seinem pauschal formulierten Begehren erfasst sein soll (RIS‑Justiz RS0031014 [T25]).

Dass dies trotz Einwand der Beklagten unterblieben ist, wurde bereits ausgeführt.

10. Die Klägerin gründet ihr Klagebegehren auch auf Schadenersatz wegen der ihr entstandenen Mehrkosten für die Fertigstellung des Projekts durch andere Werkunternehmer nach Einstellung der Arbeiten durch die Beklagte. Die Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs scheitert bereits am Fehlen eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens der berechtigt zurückgetretenen Beklagten.

11. Der Revision war der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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