European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E118638
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die dem Angeklagten zu AZ 38 BE 49/16d des Landesgerichts Steyr gewährte bedingte Entlassung wird widerrufen.
Mit seiner Beschwerde wird er auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen – auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch eines Mitangeklagten enthaltenden – Urteil wurde der Angeklagte Igor J* der Vergehen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall, 15 Abs 1 StGB (I./, II./1./), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II./2./), der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (II./3./) und des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB (II./4./) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – in S*
I./ am 20. November 2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Ibrahim A* Gewahrsamsträgern der H* GmbH fremde bewegliche Sachen, nämlich 12 Scheinwerfer, 4 Felgen und einen Satz neue Bremsklötze im Gesamtwert von 990 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht;
II./ alleine
1./ zwischen 20. Oktober und 9. November 2016 gewerbsmäßig anderen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und wegzunehmen versucht, und zwar in sechs im Urteil näher bezeichneten Angriffen Gewahrsamsträgern verschiedener Geschäfte insbesondere Modeschmuck und Kosmetika im Gesamtwert von etwa 300 Euro sowie dem Hossain N* 55 Euro;
2./ am 9. November 2016 Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich die E‑Card und die Asylkarte des Hossain N*, durch An-Sich-Nehmen mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Gebrauch im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts bzw einer Tatsache, nämlich eines aufrechten Versicherungsverhältnisses bzw eines bestehenden Aufenthaltsstatus, zu verhindern;
3./ am 9. November 2016 ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, nämlich die Bankomatkarte des Hossain N* sich mit dem Vorsatz verschafft, dass er oder ein Dritter durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde;
4./ am 9. November 2016 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz unter Verwendung eines entfremdeten unbaren Zahlungsmittels Angestellte verschiedener Unternehmen durch die konkludente Behauptung, über die Bankomatkarte des N* verfügungsberechtigt zu sein, zur Ausfolgung von Waren im Gesamtwert von 54,98 Euro verleitet, wodurch N* am Vermögen geschädigt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J*.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) will nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern (RIS‑Justiz RS0119583).
Das Vorbringen, der Zeuge N* habe keine näheren Angaben zum Täter machen können, auch andere Personen seien im Gelegenheitsverhältnis gestanden und der Beschwerdeführer habe sich stets gleichlautend verantwortet, entspricht diesen Vorgaben nicht, zumal der Beschwerdeführer die tatrichterlichen Erwägungen zur Unglaubwürdigkeit seiner Verantwortung aufgrund der Zeitpunkte der Wegnahme der Geldbörse samt Inhalt und der Verwendung der Bankomatkarte sowie zum Zeitpunkt der Auffindung der Geldbörse übergeht. Im Ergebnis stellt sich das Vorbringen als im schöffengerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld dar.
Die Nichtigkeitsbeschwerde, die trotz Antrags auf Totalaufhebung des Urteils keinerlei Sachvorbringen zu den Schuldsprüchen I./, II./1./a./, b./, d./, e./ und f./ enthält (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO), war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zu verwerfen.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass – wie die Generalprokuratur ebenfalls zutreffend ausführt – durch den Schuldspruch II./3./ wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB das Gesetz zum Nachteil des Angeklagten J* unrichtig angewendet wurde (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Durch die nachfolgende (betrügerische) Benutzung des vom Beschwerdeführer entfremdeten unbaren Zahlungsmittels im unbaren Zahlungsverkehr (II./4./) wurde der deliktsspezifische – hier bereits am selben Tag realisierte – vorgelagerte Bereicherungsvorsatz im Sinn des § 241e Abs 1 erster Fall StGB umgesetzt. Der Gebrauch der Bankomatkarte nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB ist von §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB erfasst (Schroll in WK² StGB § 241e Rz 25; für eine Subsumtion unter § 148a StGB Kirchbacher/Presslauer in WK² StGB § 148a Rz 31 unter Berufung auf Kienapfl BT II § 148a Rz 24, Kommenda/Madl SbgK § 148a Rz 106 ff [die ersichtlich – Rz 107, 109 – der „Einleitungsphase“, nämlich der Zustimmung des Verkäufers zur Bezahlung mit Bankomatkarte kein Gewicht zumessen]; im Gegenstand – US 10 – stehen dem jedenfalls die Urteilsannahmen entgegen). Damit wird mit der Strafbarkeit nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB das zur Vorbereitung dieser (qualifizierten) Tat verwirklichte Delikt nach § 241e Abs 1 StGB verdrängt (stillschweigende Subsidiarität; RIS-Justiz RS0119780 (ab [T1]; RS0120530; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 147 Rz 49a).
Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war somit im Schuldspruch II./3./ aufzuheben und zu diesem Punkt mit Freispruch vorzugehen (scheinbare Realkonkurrenz; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 523 iVm 516, 565; Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 20; 15 Os 104/09x). Demzufolge waren der diesen Angeklagten betreffende Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gleichfalls aufzuheben.
Für die aufrecht gebliebenen Schuldsprüche war die Strafe neu zu bemessen. Hiebei waren die vielen, die Anwendung des § 39 StGB rechtfertigenden einschlägigen Vorverurteilungen, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, die zahlreichen Angriffe und der Rückfall binnen acht Tagen nach bedingter Entlassung am 12. Oktober 2016 als erschwerend, als mildernd demgegenüber das teilweise Geständnis und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, zu werten. Hievon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des (Erfolgs‑)Unrechtsgehalts der Taten erachtet der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von 28 Monaten als angemessen.
Mit seiner Berufung wegen Strafe war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Der Berufung gegen den Zuspruch von über anerkannte 50 Euro hinausgehenden weiteren 55 Euro an den Privatbeteiligten N* war nicht Folge zu geben, weil diese bloß das Vorhandensein des Geldbetrags in der Börse des Geschädigten bestreitet, den auf den vom Erstgericht für glaubwürdig erachteten Angaben des Geschädigten fußenden Feststellungen hiezu jedoch nichts entgegenzusetzen vermag (US 8 f, 16, 20).
Schließlich war aufgrund des sofortigen Rückfalls nach bedingter Entlassung am 12. Oktober 2016 auch die zu AZ 38 BE 49/16d des Landesgerichts Steyr gewährte bedingte Entlassung zu widerrufen (§ 53 Abs 1 StGB, § 494a Abs 1 Z 4 StPO) und der Angeklagte mit seiner Beschwerde auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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