OGH 4Ob99/17p

OGH4Ob99/17p13.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Z* F*, vertreten durch den Vater C* F*, vertreten durch Dr. Richard Benda und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde U*, vertreten durch Dr. Stefan Herdey und Dr. Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, wegen 15.391,60 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 6. März 2017, GZ 7 R 36/16t‑31, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. August 2016, GZ 16 Cg 43/15a‑26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E118581

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.647,18 EUR (darin 274,53 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Die damals fünfjährige Klägerin verletzte sich bei einer Bewegungseinheit im Turnsaal des von der beklagten Partei betriebenen Kindergartens. Sie begehrt den Ersatz des ihr bisher entstandenen Schadens von 15.391,60 EUR sA sowie die Feststellung, dass ihr die beklagte Partei für sämtliche Spät- und Dauerfolgen aus dem Unfall hafte. Die Klägerin stützte sich im Wesentlichen auf eine Verletzung der Aufsichtspflicht der sie betreuenden Kindergärtnerin.

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Berufungsgericht der klägerischen Berufung gegen das abweisende Ersturteil Folge und erkannte mit Zwischenurteil, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht besteht. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der beklagten Partei, in der diese im Wesentlichen eine Verletzung der Aufsichtspflicht bestreitet, ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – nachträglichen Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Das Maß der Aufsichtspflicht bestimmt sich danach, was angesichts des Alters, der Eigenschaft und der Entwicklung des Aufsichtsbedürftigen vom Aufsichtsführenden vernünftigerweise verlangt werden kann (RIS-Justiz RS0027339 [T1]). Das Maß der gebotenen Sorgfalt bei Bestehen einer Aufsichtspflicht ist jeweils im Einzelfall danach zu beurteilen, wie sich ein „maßgerechter“ Mensch in der konkreten Situation des Aufsichtspflichtigen verhalten hätte. Konkret vorhersehbare Gefahren sind zu vermeiden (RIS-Justiz RS0027339 [T7]). Für das Ausmaß der Aufsichtspflicht sind immer die besonderen Verhältnisse des einzelnen Falls maßgeblich (RIS-Justiz RS0042405 [T16]; RS0038140 [T1]). Die Frage, ob eine Aufsichtspflichtverletzung vorliegt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab und erfüllt daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0027463 [T2]).

Das Berufungsgericht ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat sie auf den konkreten Einzelfall angewendet. In seiner Beurteilung, die Kindergärtnerin, die beim Vorfall 21 Kinder allein betreute, habe ihre Aufsichtspflicht dadurch verletzt, dass sie die Kinder auf einer in eine Sprossenwand in einer Höhe von 1,20 Meter eingehängten Langbank auch paarweise und zu einem Zeitpunkt rutschen ließ, als sie selbst anderwärtig im Raum beschäftigt war und daher nicht neben der Rutschkonstruktion stehen konnte, ist dem Berufungsgericht keine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste. Damit liegt insoweit keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor (1 Ob 91/08a).

Ob der Klagsanspruch zusätzlich auch auf einen Verstoß gegen die Bestimmungen des StKBBG gestützt werden könnte oder nicht, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen, weil sich die Verletzung der Aufsichtspflicht auch ohne ein solches Gesetz jedenfalls vertretbar bejahen lässt.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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