OGH 16Fsc1/17y

OGH16Fsc1/17y2.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm und Univ.‑Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der beim Oberlandesgericht Wien zum AZ 26 Kt 1/16s anhängigen Kartellrechtssache der Antragstellerin M*****, vertreten durch Hon.‑Prof. Dr. Norbert Gugerbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin W*****, vertreten durch Dr. Norbert Wiesinger, Rechtsanwalt in Wien, sowie der Amtsparteien Bundeswettbewerbsbehörde, 1030 Wien, Radetzkystraße 2, und Bundeskartellanwalt, 1011 Wien, Schmerlingplatz 11, wegen § 26 KartG, über den Fristsetzungsantrag der Antragstellerin in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:016FSC00001.17Y.0602.000

 

Spruch:

Der Fristsetzungsantrag wird abgewiesen.

 

Begründung:

Mit Beschluss vom 10. 2. 2016 erteilte das Kartellgericht dem Sachverständigen den Auftrag, binnen fünf Monaten ein Ergänzungsgutachten zu erstatten.

Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 15. 7. 2016, a) diesen Gutachtensauftrag zu widerrufen, weil die das Gutachten beantragende Antragsgegnerin ihre Mitwirkungspflicht verletze und in offenkundiger Verschleppungsabsicht agiere, und b) unverzüglich eine Verhandlung anzuberaumen und diese wegen Spruchreife zu schließen.

Mit Beschluss vom 7. 10. 2016 verlängerte das Kartellgericht die Frist für die Erstattung des Gutachtens bis zum 10. 12. 2016.

Daraufhin lehnte die Antragstellerin die Vorsitzende des Kartellsenats wegen Befangenheit ab.

Am 13. 12. 2016 langte das Ergänzungsgutachten beim Kartellgericht ein.

Mit Schriftsatz vom 30. 1. 2017 stellte die Antragstellerin den Antrag auf Erläuterung des Ergänzungsgutachtens.

Mit Beschluss vom 28. 3. 2017, 2 Ob 4/17b, bestätigte der Oberste Gerichtshof den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 30. 11. 2016, mit dem der Ablehnungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen worden war.

Das Kartellgericht gab mit Beschluss vom 9. 5. 2017 den Parteien bekannt, dass der Sachverständige zu den Gutachtensergänzungsanträgen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin, soweit darin zusätzliche Berechnungen gewünscht werden, dem Gericht eine Stellungnahme abgegeben habe, aus der sich insbesondere der mit der Durchführung der Berechnungen zu erwartende Aufwand ergebe. Den Parteien werde Gelegenheit eingeräumt, binnen einer Woche gegen diese beabsichtigte Vorgehensweise Einwendungen zu erheben. In weiterer Folge werde voraussichtlich eine mündliche Gutachtensergänzung bzw ‑erläuterung stattfinden.

Gegen diesen Beschluss erhob die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 18. 5. 2017 Einwendungen und beantragte, dem Kartellgericht gemäß § 91 Abs 1 GOG für die Anberaumung und Durchführung einer Tagsatzung eine angemessene Frist zu setzen. Aufgrund der im Einzelnen dargelegten Entwicklungen in den Vertretungsorganen der Stadt Wien könne ausgeschlossen werden, dass die vom Vertreter der Antragsgegnerin erklärte Absicht, das Verfahren durch eine angemessene Verpflichtungserklärung der Antragsgegnerin beenden zu wollen, noch umgesetzt werden könne. Realistisch bleibe alleine eine Lösung, die das Erstgericht in seinem Beschluss vom 29. 1. 2014 angeordnet gehabt habe, der vom Obersten Gerichtshof aufgehoben worden sei. Erforderlich sei daher kein weiteres schriftliches Ergänzungsgutachten, sondern die Anberaumung einer abschließenden Tagsatzung mit der ergänzenden Einvernahme von W***** und W*****.

In ihrer Stellungnahme vom 22. 5. 2017 zum Fristsetzungsantrag führte die Vorsitzende des Kartellsenats aus, sie habe die Auffassung, dass keine (weitere) Gutachtensergänzung erforderlich sei, teilweise in Absprache mit den weiteren Senatsmitgliedern bislang nicht geteilt. Dass infolge neuer Entwicklungen eine Beschränkung der Möglichkeiten, Standorte für Zeitungsentnahmeboxen zu generieren, zu erkennen sein möge, ändere nichts daran, dass den Anträgen auf Erläuterung und Ergänzung des Ergänzungsgutachtens zumindest in dem laut Beschluss vom 22. 5. 2017 beschriebenen Umfang Folge zu leisten sei. Die aufgetragenen Ergänzungen beträfen die Nachvollziehbarkeit und somit Schlüssigkeit des Gutachtens und seien demnach notwendig, um die Verwertbarkeit der gutachterlichen Schlussfolgerungen beurteilen zu können. Dass es auf die vom Sachverständigen begutachteten Tatfragen generell nicht mehr ankäme, könne nicht erkannt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Fristsetzungsantrag ist abzuweisen.

Im Säumnisverfahren gemäß § 91 GOG ist lediglich zu entscheiden, ob ein Gericht mit der Vornahme einer Verfahrenshandlung säumig geworden ist (RIS‑Justiz RS0059248). Die Behauptung der Säumigkeit eines Gerichts ist daher Voraussetzung, dass über einen Antrag gemäß § 91 Abs 1 GOG ein übergeordneter Gerichtshof dem säumigen untergeordneten Gericht für die Vornahme einer Verfahrenshandlung eine angemessene Frist zu setzen hat; sie ist somit eine Sachentscheidungsvoraussetzung (8 Fsc 1/11f mwN).

Im Fristsetzungsantrag wird jedoch keine Säumigkeit des Erstgerichts aufgezeigt, hat doch die Antragstellerin die Ergänzung des Gutachtens beantragt. Es liegt im Gestaltungsspielraum des Erstgerichts, die zum Abschluss des Beweisverfahrens aus sachlichen Gründen für notwendig erachteten Ergänzungen eines Gutachtens vor Anberaumung einer Verhandlungstagsatzung schriftlich einzuholen.

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