OGH 8Ob54/17z

OGH8Ob54/17z30.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** M*****, vertreten durch Ing. Mag. Peter Huber, Rechtsanwalt in Hallein, gegen die beklagten Parteien 1) Dr. B***** K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Lang, Rechtsanwalt in Salzburg, und 2) G***** GmbH, *****, vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Friedrich Harrer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 7.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 20. Jänner 2017, GZ 22 R 303/16m‑14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 24. August 2016, GZ 13 C 155/16a‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00054.17Z.0530.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Der damals 19‑jährige Sohn der Klägerin wurde am 28. 8. 2010 nach einem Raufhandel in das Landeskrankenhaus S***** eingeliefert, wo eine Oberarmfraktur festgestellt wurde. Zunächst erfolgte eine Schmerztherapie und später eine Operation. Nach Durchführung der Operation wurde der Sohn der Klägerin am 28. 8. 2010 um 20:00 Uhr vom Aufwachraum auf die Station verlegt. Um 22:00 Uhr fieberte er auf 39 °C und um 22:40 Uhr auf 40 °C an. Daraufhin erteilte die Erstbeklagte telefonisch die Anweisung, die für 23:00 Uhr vorgesehene Infusion von Perfalgan vorzuziehen. In der Folge ging das Fieber zurück. Am 30. 8. 2010 wurde um 5:55 Uhr der Tod des Sohnes der Klägerin festgestellt. In Zusammenschau der erhobenen Befunde ist der Sohn der Klägerin letztlich an einer zentralen Atemlähmung bei Vorliegen einer Intoxikation mit Piritramid, einem synthetischen Opioid, also aufgrund einer Schmerzmittelvergiftung, auf nicht natürliche Weise gestorben. Das Schmerzmittel wurde über eine Schmerzpumpe verabreicht.

Zunächst wurden Ermittlungen gegen unbekannte Täter geführt und im Rahmen des Strafverfahrens diverse Gutachten eingeholt. Aufgrund dieser Gutachten wurden die Ermittlungen in der Folge gegen die Anästhesistin und den Anästhesiepfleger geführt. Am 30. 6. 2015 stellte die Staatsanwaltschaft Salzburg gegen die Anästhesistin Strafantrag (wegen fahrlässiger Tötung im Zusammenhang mit der Programmierung und Aufklärung über die Bedienung der Schmerzpumpe). In der Hauptverhandlung vom 18. 8. 2015 wurde die Anästhesistin freigesprochen. Das Verfahren gegen den Anästhesiepfleger wurde (zunächst) am 1. 10. 2013 eingestellt. Die hier Erstbeklagte war am 29. 8. 2010 von 7:00 Uhr bis am 30. 8. 2010 um 8:30 Uhr als Turnusärztin im Dienst und mit der Behandlung des Sohnes der Klägerin befasst.

Die Klägerin begehrte Angehörigen- bzw Trauerschmerzengeld in Höhe von 7.000 EUR. Aufgrund mangelhafter Kontrolle insbesondere der Infusionskanülen sei es zu einer Überdosierung mit dem Schmerzmittel Piritramid gekommen. Außerdem hätte der Gesundheitszustand ihres Sohnes aufgrund des aufgetretenen Fiebers vermehrt kontrolliert werden müssen. Bei sorgfältiger und regelmäßiger Kontrolle hätte die Überdosierung des Schmerzmittels und der Tod ihres Sohnes vermieden werden können. Das Fieber hätte die Erstbeklagte zu erhöhter Aufmerksamkeit veranlassen müssen. Als Turnusärztin hätte sie weitere Informationen bei einem Facharzt oder Oberarzt einholen müssen. Die Infusion mit Perfalgan hätte nicht vorverlegt werden dürfen, weil es sich auch dabei um ein Schmerzmittel handle. Die Behandlung sei nicht lege artis erfolgt. Die Erstbeklagte hafte deliktisch, die Zweitbeklagte aus dem Behandlungsvertrag und zudem aufgrund der mangelhaften Organisation. Erstmals im Zuge der gegen die Anästhesistin geführten Hauptverhandlung vom 18. 8. 2015 habe sie Kenntnis von der Schadensursache sowie vom Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Erstbeklagten und dem Schaden erlangt. Zuvor hätten nur Verdachtsmomente bestanden. Das Strafverfahren sei gegen die Anästhesistin geführt worden. Gegenüber den hier beklagten Parteien sei Verjährung daher nicht eingetreten. Infolge des plötzlichen Ablebens ihres Sohnes sei bei ihr eine seelische Erkrankung entstanden.

Die Beklagten entgegneten, dass die Ermittlungen gegen den Anästhesiepfleger eingestellt worden seien und die Anästhesistin in der Hauptverhandlung vom 18. 8. 2015 freigesprochen worden sei. Die mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Schadenersatzansprüche seien verjährt. Dem damaligen Rechtsvertreter der Klägerin seien sämtliche Gutachten, die im Strafverfahren eingeholt worden seien, bekannt gewesen. Bereits aus dem Obduktionsgutachten habe sich ergeben, dass der Sohn der Klägerin an einer zentralen Atemlähmung infolge einer Intoxikation mit Piritramid verstorben sei. Aus der Dekurszusammenfassung ergebe sich, dass unter anderem auch die Erstbeklagte mit der Behandlung des Sohnes der Klägerin befasst gewesen sei. Das Wissen ihres Rechtsvertreters müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Darüber hinaus sei an die Zweitbeklagte am 5. 8. 2011 ein Aufforderungsschreiben gerichtet worden. Es gebe auch keinen Beweis dafür, dass die verabreichten Mengen an Piritramid für den Tod des Sohnes der Klägerin ursächlich gewesen seien. Die Behandlung mit Perfalgan sei lege artis gewesen. Schließlich gebühre Trauerschmerzengeld nur bei grober Fahrlässigkeit oder bei Vorsatz des Schädigers.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Die dreijährige Verjährungsfrist gegen die Zweitbeklagte habe schon im Zusammenhang mit dem Aufforderungsschreiben des damaligen Rechtsvertreters der Klägerin vom 5. 8. 2011 begonnen. Auch die Verjährung gegen die Erstbeklagte habe bereits im Jahr 2011 zu laufen begonnen, weil der Klägerin die Tätigkeit der Erstbeklagten aus der im Strafakt erliegenden Dekurszusammenfassung hinreichend bekannt gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Klägerin hätte Kenntnis sowohl von der Todesursache ihres Sohnes als auch von den Aufgaben bzw Tätigkeiten der Erstbeklagten gehabt. Bereits aus dem Gutachten der Gerichtsmedizin vom 23. 7. 2012 habe sich ergeben, dass die in den klinischen Unterlagen dokumentierte Temperaturerhöhung zwanglos mit der histologisch nachgewiesenen Lungenentzündung des Sohnes der Klägerin in Einklang zu bringen gewesen sei. Für den Beginn der Verjährungsfrist genüge es, wenn der Geschädigte Kenntnis von den schädlichen Wirkungen eines Ereignisses erlange, dessen (Mit-)Ursache irgendein dem Schädiger anzulastendes Verhalten sei. Diese Voraussetzungen seien im Jahr 2011 bzw 2012 gegeben gewesen. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen gewesen sei.

Über Antrag der Klägerin nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil dem Berufungsgericht bei Beurteilung des Spannungsfeldes zwischen den erforderlichen Bemühungen des Geschädigten, sich von der Person des Schädigers Kenntnis zu verschaffen einerseits, und den sonstigen Möglichkeiten einer Kenntnisnahme andererseits eine Fehlbeurteilung unterlaufen sein könnte.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Klägerin, mit der die Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen begehrt wird.

Mit ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Beurteilung der Verjährungsfrage durch die Vorinstanzen einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Dementsprechend ist die Revision auch berechtigt.

1. Das Berufungsgericht steht – so wie das Erstgericht – auf dem Standpunkt, dass die Verjährung der Ansprüche aus der Tätigkeit der Erstbeklagten schon im Jahr 2011 begonnen habe. Dem damaligen Rechtsvertreter der Klägerin, dessen Wissensstand ihr zurechenbar sei, sei– durch Einsichtnahme in den Strafakt gegen die Anästhesistin – bekannt gewesen, dass der Sohn der Klägerin an einer zentralen Atemlähmung bei Vorliegen einer Intoxikation mit Piritramid verstorben sei, die Erstbeklagte in der Nacht von 29. auf den 30. 8. 2010 in die Behandlung des Sohnes der Klägerin involviert gewesen sei, der Sohn der Klägerin am Abend des 29. 8. 2010 angefiebert habe, sowie dass die Möglichkeit einer Lungenentzündung thematisiert worden sei, weil im Privatgutachten der Anästhesistin vom 11. 12. 2012 von einer konfluierenden Bronchopneumonie und einer pulmonalen Fettembolie die Rede sei und im Gutachten der Gerichtsmedizin vom 23. 7. 2012 festgehalten sei, dass die in den klinischen Unterlagen dokumentierte Temperaturerhöhung zwanglos mit der histologisch nachgewiesenen Lungenentzündung in Einklang zu bringen sei.

Die vom Berufungsgericht ins Treffen geführten Sachverhaltskomponenten beziehen sich auf die Todesursache des Sohnes der Klägerin und die Tätigkeit der Erstbeklagten. Aus den Hinweisen des Berufungsgerichts zum Privatgutachten und dem Gutachten der Gerichtsmedizin lässt sich kein schlüssiger Zusammenhang zwischen der Überdosierung mit Piritramid und der Lungenentzündung herstellen.

2.1 Die dreijährige Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche nach § 1489 ABGB beginnt nach der Rechtsprechung mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RIS‑Justiz RS0034524). Die Kenntnis muss dabei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (RIS‑Justiz RS0034951). Der anspruchsbegründende Sachverhalt muss dem Geschädigten dabei zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Anspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RIS‑Justiz RS0034366). Allerdings darf der Geschädigte mit seiner Schadenersatzklage nicht so lange zuwarten, bis er sich seines Prozesserfolgs gewiss ist oder glaubt es zu sein. Ist der Geschädigte Laie und setzt die Kenntnis des Kausalzusammenhangs und – bei verschuldensabhängiger Haftung – die Kenntnis der Umstände, die das Verschulden begründen, Fachwissen voraus, so beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich erst zu laufen, wenn der Geschädigte durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangt (3 Ob 206/16i). Der Geschädigte ist zwar zur angemessenen Erkundigung verhalten. Die Erkundigungspflicht darf aber nicht überspannt werden (RIS‑Justiz RS0034327). Demnach kann der Geschädigte ein Privatgutachten einholen, in der Regel ist er dazu aber nicht verpflichtet (4 Ob 144/11x; 3 Ob 206/16i).

2.2 Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass für den Beginn der Verjährungsfrist die Kenntnis der Todesursache des Sohnes der Klägerin und die Tätigkeit der Erstbeklagten ausreichen, ist verkürzt. Wie das Berufungsgericht an sich durchaus zutreffend ausführt, genügt für den Beginn der Verjährung die Kenntnis von den schädlichen Wirkungen eines Ereignisses, dessen (Mit-)Ursache ein dem Schädiger anzulastendes Verhalten darstellt. Dies bedeutet aber, dass aus den bekannten Umständen schlüssig ein Zusammenhang zwischen einem Fehlverhalten bzw einer Pflichtverletzung des Schädigers und dem Schaden hergestellt werden können muss. Dazu gehört im Anlassfall auch, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Gründe, die zum Tod des Sohnes der Klägerin geführt haben, also die Todesursache ausgelöst haben, mit den Aufgaben bzw den Tätigkeitsbereich der Erstbeklagten im Zusammenhang stehen. Dafür ist Kenntnis vom Zusammenhang zwischen der Lungenentzündung und der Verabreichung des Schmerzmittels Piritramid in dieser speziellen Situation erforderlich. Erst dadurch bestehen Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der Erstbeklagten, das die Todesursache auslösen konnte.

3.1 Das Erstgericht hat im Rahmen seiner Darstellung des „Sachverhalts“ zur Todesursache und den Gründen, die dazu geführt haben, im Wesentlichen nur den Inhalt der verschiedenen Sachverständigengutachten aus dem Strafakt sowie die (schriftlich vorbereitete) Aussage der Erstbeklagten vor der Polizei wiedergegeben. Dies entspricht freilich nicht der gebotenen strikten Trennung von Tatsachenfeststellungen einerseits und Beweiswürdigung andererseits. Aus den Darstellungen des Erstgerichts lässt sich aber folgendes Tatsachensubstrat entnehmen:

Zur Todesursache hat das Erstgericht festgestellt, dass der Sohn der Klägerin in Zusammenschau sämtlicher erhobener Befunde letztlich an einer zentralen Atemlähmung bei Vorliegen einer Intoxikation mit Piritramid auf nicht natürliche Weise verstorben ist. Es wurde letztlich eine zu große Menge des Medikaments Piritramid verabreicht. Dies reicht aus, um eine Atemlähmung auszulösen. Piritramid, ein synthetisches Opioid, wurde über eine Schmerzpumpe verabreicht; die Verabreichung erfolgt durch Infusion. Für die Überdosierung kam (zunächst) eine Fehlprogrammierung der Schmerzpumpe in Betracht; dies wurde im Gutachten Dris. S***** vom 29. 3. 2011 verneint. Denkbar ist zudem, dass weitere Arzneimittel zugeführt wurden, die die atemdepressive Wirkung von Piritramid verstärkten, oder dass weitere (nicht dokumentierte) Gaben von Piritramid erfolgten; für zusätzliche Applikationen bestehen keine Hinweise. Weiters ist auch eine in der konkreten Situation exzessive Verabreichung von Piritramid aufgrund einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Atmung durch eine Lungenentzündung oder Lungenembolie denkbar.

Aufgrund dieser möglichen Gründe für eine Überdosierung mit Piritramid wurde das Strafverfahren gegen die Anästhesistin und den Anästhesiepfleger geführt. In der Hauptverhandlung vom 18. 8. 2015 wurde die Anästhesistin vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung wegen falscher Programmierung der Schmerzpumpe und mangelnder Aufklärung des Patienten über deren Bedienung freigesprochen. Das Verfahren gegen den Anästhesiepfleger wurde (zunächst) eingestellt.

3.2 Eine Wechselwirkung zwischen der verabreichten Menge (Überdosierung) an Piritramid und der Lungenentzündung des Sohnes der Klägerin wurde in schlüssiger Weise erstmals im Ergänzungsgutachten Dris. S***** vom 17. 4. 2014 erwähnt. Selbst in diesem Gutachten traf der Sachverständige noch keine klaren Aussagen. Erst in der Hauptverhandlung vom 18. 8. 2015 legte er dar, dass bei Bekanntsein oder Vermutung einer Lungenentzündung weitere konkrete Maßnahmen hätten getroffen werden müssen. Auch der Sachverständige Dr. F***** hat letztlich erst in der Hauptverhandlung die klare Aussage getroffen, dass die Todesursache die Überdosierung von Piritramid sei, dies in Verbindung mit den zusätzlich festgestellten Problemen, nämlich der Lungenentzündung und auch der geringgradigen Fettembolie.

Die Erstbeklagte wurde von der Polizei erst am 21. 7. 2014 einvernommen. Vom Anfiebern des Sohnes der Klägerin auf 39 °C wurde sie demnach am 29. 8. 2010 um 22:00 Uhr telefonisch informiert. Daraufhin erteilte sie (telefonisch) die Anordnung, die Gabe von Perfalgan (mit dem Wirkstoff Paracetamol), das mittels Infusion verabreicht wird, von 23:00 Uhr vorzuziehen.

4.1 Die für eine aussichtsreiche Klagsführung gegen die Erstbeklagte relevanten Zusammenhänge zwischen der Verabreichung von Piritramid über die Schmerzpumpe und die Lungenentzündung des Sohnes der Klägerin waren für den damaligen Vertreter der Klägerin erst nach Vorliegen des Ergänzungsgutachtens Dris. S***** vom 17. 4. 2014 bekannt. Vor diesem Zeitpunkt hat die Verjährung für die hier vorliegende Klage nicht begonnen. Das Klagebegehren kann daher nicht wegen Verjährung abgewiesen werden.

4.2 Diese Beurteilung gilt nicht nur für die Klage gegen die Erstbeklagte, sondern ebenso für die Klage gegen die Zweitbeklagte. Das in der vorliegenden Klage geltend gemachte Begehren gegen die Zweitbeklagte bezieht sich auf ein der Zweitbeklagten zurechenbares Fehlverhalten der Erstbeklagten. Für die Beurteilung des Beginns der Verjährungsfrist gegen die Zweitbeklagte sind damit dieselben Sachverhaltselemente relevant wie für die Klage gegen die Erstbeklagte. Auf das Aufforderungsschreiben vom 5. 8. 2011 kann der Beginn der Verjährung nicht gestützt werden, weil damals die relevanten Umstände in Bezug auf ein mögliches Fehlverhalten der Erstbeklagten noch lange nicht bekannt waren. Ein anwaltliches Aufforderungsschreiben löst die Verjährung nicht per se aus, sondern ebenfalls nur dann, wenn die erforderlichen Voraussetzungen objektiv vorliegen. Selbst Mutmaßungen darüber, wie sich der Sachverhalt abgespielt haben könnte, reichen grundsätzlich nicht aus (6 Ob 212/13i).

5. Insgesamt hält die angefochtene Entscheidung einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht stand. Da das Klagebegehren einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen ist, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.

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