OGH 14Os11/17z

OGH14Os11/17z23.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Nasr B***** und Hamza A***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 20. Oktober 2016, GZ 27 Hv 84/16p‑110, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00011.17Z.0523.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten Nasr B***** und Hamza A***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant – Nasr B***** (zu B/I und B/II) und Hamza A***** (zu B/I) jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, Erstgenannter auch nach Abs 2 Z 2 dieser Gesetzesstelle schuldig erkannt.

Danach haben sie in I***** und an anderen Orten Österreichs, Nasr B***** zu B/I und B/II/1 und 3 bis 6 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, vorschriftswidrig Suchtgift

(B) in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar

I) Nasr B***** und Hamza A***** im einverständlichen Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Karim Ad***** sowie einem Unbekannten im April 2016

1) zumindest 65.132 Gramm Cannabisharz mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 11,1 % (Reinsubstanz 7.229 Gramm Delta‑9‑THC, entsprechend 361 Grenzmengen) an Josef S*****;

2) etwa 25.000 Gramm Cannabisharz mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 11,1 % (Reinsubstanz 2.775 Gramm Delta-9-THC, entsprechend 138 Grenzmengen) an Khalid Sa*****;

II) Nasr B***** von Jänner 2016 bis zu seiner Festnahme am 8. April 2016

1) etwa 15.000 Gramm Cannabisharz mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 5 % (Reinsubstanz 750 Gramm Delta-9-THC, entsprechend 37,5 Grenzmengen) an Khalid Sa*****;

2) 5.000 Gramm Cannabisharz in Form von Cannabisplatten mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 5 % (Reinsubstanz 250 Gramm Delta-9-THC, entsprechend 12,5 Grenzmengen) sowie weitere 500 Gramm Cannabisharz in Form von „Haschischeiern“ mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 25 % (Reinsubstanz 125 Gramm Delta-9-THC, entsprechend 6,25 Grenzmengen) an einen nur unter dem Namen „H*****“ bekannten, unausgeforscht gebliebenen Abnehmer;

3) im einverständlichen Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Karim Ad***** zumindest 94 Gramm Cannabisharz in Form von „Haschischeiern“ mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 27,4 % und 19,9 Gramm Cannabisharz mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 5 % (Reinsubstanz 26,75 Gramm Delta-9-THC, entsprechend 1,3 Grenzmengen) sowie weitere etwa 300 Gramm und 500 Gramm, insgesamt demnach etwa 800 Gramm Cannabisharz, in Form von Haschischplatten mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 5 % (Reinsubstanz 40 Gramm Delta-9-THC, entsprechend 2 Grenzmengen) an Josef S*****;

4) etwa 10.000 Gramm Cannabisharz in Form von „Haschischeiern“ mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 27,4 % (Reinsubstanz 2.740 Gramm Delta-9-THC, entsprechend 137 Grenzmengen) an Josef S*****;

5) eine nicht näher bestimmbare Teilmenge des zu 4) angeführten Suchtgifts, „die die 25‑fache Grenzmenge jedoch jedenfalls übersteigt“, an Unbekannte;

6) zumindest 300 Gramm Cannabisharz in Form von „Haschischeiern“ mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 27,4 % (Reinsubstanz 82,2 Gramm Delta-9-THC, entsprechend 4,1 Grenzmengen) an Josef S*****.

Den dagegen erhobenen, von Nasr B***** auf Z 10 und von Hamza A***** auf Z 5, 5a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.

 

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Nasr B*****:

Sie vertritt unter Berufung auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (15 Os 100/15t) die Auffassung, dem Erstgericht sei ein „Rechtsirrtum unterlaufen“, weil „außer bei den in Faktum (B/)II/5 des Urteils erwähnten sowie den an Josef S***** zu dessen Verwendung (bzw. dessen Eigenkonsum)“ erfolgten (B/II/3) Suchtmittelübergaben des Zweitangeklagten „das Tatbestandselement des Überlassens im Sinne des § 28a SMG nicht erfüllt“ sei, und strebt insoweit die Beurteilung des Täterverhaltens als Vorbereitung von Suchtgifthandel nach „§ 28 SMG“ an.

Bezogen auf die Schuldsprüche B/I/1 und B/II/4 und 6 erschöpft sich das weitere Vorbringen in einem Hinweis darauf, dass die Wohnung des Josef S***** nach den Urteilsfeststellungen „lediglich als Tagesbunker … diente“. Aus welchem Grund die konstatierte vereinbarungsgemäße (wenn auch bloß vorübergehende) Lagerung von Suchtgift in der Wohnung eines Dritten (US 9 und 10) hier nicht als – für die vorgenommene Subsumtion erforderliche (RIS‑Justiz

RS0112911) – Überlassung in den (Allein‑)Gewahrsam des Wohnungsinhabers zu beurteilen sein sollte oder inwieferne der Umstand, dass Josef S***** die Rückgabe der Suchtmittel „nicht als Überlassen an Dritte zur Last gelegt wurde“, einem Schuldspruch des Beschwerdeführers entgegenstehen sollte, erklärt sie nicht.

Ebensowenig wird dargelegt, weshalb die festgestellte Übergabe von Cannabisharz an Khalid Sa***** (B/I/2 und B/II/1) und „H*****“ (B/II/2) alleine deshalb kein „Überlassen“ im Sinn des § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG darstellen sollte, weil die Genannten das Suchtgift zuvor an Nasr B***** geliefert hatten. Dass zum Zeitpunkt der Retournierung aufrechter (Mit- oder Über‑)Gewahrsam der (Wieder‑)Empfänger am Suchtgift bestand (vgl RIS‑Justiz RS0088010, RS0115882; in diesem Sinn auch die von der Rüge ins Treffen geführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu AZ 15 Os 100/15t, die sich – wenn auch unter dessen verkürzter Wiedergabe – ausdrücklich auf den zuletzt zitierten Rechtssatz beruft), behauptet die Beschwerde gar nicht und macht insoweit auch einen (eingangs der Beschwerde unsubstantiiert angesprochenen) Feststellungs-mangel nicht deutlich und bestimmt geltend. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte These, es sei dabei „auch zu berücksichtigen“, dass „diese Weitergaben ja unter den Mitgliedern derselben kriminellen Vereinigung erfolgt sind“, lässt gleichfalls jede Begründung für die Relevanz dieses Umstands vermissen.

Insgesamt wird die angestrebte rechtliche Konsequenz solcherart nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet (RIS‑Justiz RS0116565).

Soweit die Beschwerde – ausgehend von der nach dem Vorgesagten verfehlten Rechtsansicht, dass nur insoweit eine rechtliche Beurteilung nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG in Frage käme – zum Schuldspruch B/II/5 Feststellungen zur „Menge dieses Suchtgifts und dessen Reinheitsgehalt“ vermisst, übergeht sie einerseits die darauf bezogenen Urteilsannahmen (US 9) und lässt andererseits offen, aus welchem Grund eine weitergehende Konkretisierung mit Blick auf die konstatierte – sogar die Annahme der Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 3 SMG für sich tragende – Reinsubstanzmenge des von den übrigen Schuldsprüchen umfassten Cannabisharzes für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage erforderlich und solcherart entscheidend sein sollte (vgl auch RIS-Justiz RS0117463 [T11], RS0117464).

Im Übrigen bildet das – hier durch Verkauf einer Teilmenge der schon zuvor (durch Einlagerung in dessen Wohnung) dem Erstangeklagten Josef S***** überlassenen Drogen an unbekannte Dritte erfolgte – nochmalige Überlassen ein und desselben Suchtgifts eine rechtlich selbständige Tat; eine (verfehlte) Zusammenrechnung, die nur bei voneinander verschiedenen Suchtgiftquanten in Frage kommt (erneut RIS‑Justiz RS0117464 [T11, T17]), steht hier nicht in Rede.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Hamza A*****:

Sie erachtet zunächst – undifferenziert gestützt auf Z 10 und 11 (vgl aber RIS-Justiz RS0115902) – das „Urteil … allein aus dem Grund“ für „nichtig“, dass das Erstgericht im Urteilsspruch ([wie sie selbst einräumt] ersichtlich irrtümlich) „§ 28 Abs 4 SMG“ (statt richtig § 28a Abs 4 SMG) als jene Bestimmung anführte, nach der der Beschwerdeführer bestraft wurde (US 6), übersieht dabei aber, dass die Subsumtionsrüge (Z 10, ebenso wie die Rechtsrüge [Z 9]) auf einen Vergleich des im § 260 Abs 1 Z 2 StPO genannten Erkenntnisteils („welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen … begründet wird“) mit den Feststellungen der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) abstellt und dass Bezugspunkt der Sanktionsrüge nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 3 StPO („zu welcher Strafe der Angeklagte verurteilt wird“) ist ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 269 f). Die – hier betroffene – Anführung jener strafgesetzlichen Bestimmungen, die – abgesehen von den nach Z 2 und 3 erforderlichen Punkten – auf den Angeklagten angewendet wurden, im Urteilsspruch, ordnet demgegenüber § 260 Abs 1 Z 4 StPO an. Ein Verstoß dagegen steht weder per se noch unter dem Aspekt eines Widerspruchs innerhalb des Erkenntnisses oder zwischen Spruch und Gründen unter Nichtigkeitssanktion im Sinn der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 272 ff).

Die Behauptung, es bleibe „im Urteilstenor“ offen, welches Delikt der Angeklagte nach der Ansicht des Erstgerichts begangen habe und ob es von einem falschen Strafrahmen ausgegangen sei, ist mit Blick auf die unmissverständliche Subsumtion (US 6) und die Ausführungen zur Strafzumessung in den Entscheidungsgründen (US 26) nicht nachvollziehbar.

Die Feststellungen zum (diesen Beschwerdeführer betreffenden) Schuldspruch B/I (US 10 f) stützten die Tatrichter in objektiver Hinsicht auf die (abgesehen von unwesentlichen Details) übereinstimmenden Angaben der drei Angeklagten, insbesonders auf jene des Josef S***** (US 15 f, 18 f). Davon ausgehend leiteten sie ihre Überzeugung, wonach (auch) Hamza A***** mit auf die Überlassung einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge an Suchtgift gerichtetem Vorsatz handelte (US 11), aus dessen Eingeständnis, Kenntnis vom Inhalt der Dachbox gehabt zu haben, im Verein mit dem Umstand ab, dass diese Box aufgrund (ihrer) Schwere von vier Personen getragen werden musste und letztlich in der Wohnung des Erstangeklagten Josef S***** geöffnet wurde (US 20). Der – nur die Person des Empfängers betreffenden und damit auf keine entscheidende Tatsache bezogenen – Behauptung des Beschwerdeführers, er habe nicht gewusst, dass der Teil der Lieferung, den er mit seinen Mittätern in zwei Rucksäcke verpackte und gemeinsam mit Nasr B***** in ein Kellerabteil verbrachte, am nächsten Tag vereinbarungsgemäß von Khalid Sa***** abgeholt, diesem also solcherart überlassen wurde, schenkten sie dabei – unter sinngemäßer Berufung auf allgemeine Lebenserfahrung – keinen Glauben (erneut US 20).

Indem die Beschwerde – abermals unter undifferenzierter Berufung auf Z 5, 5a und 10 – aus den Negativfeststellungen zur Mitgliedschaft des Hamza A***** an der kriminellen Vereinigung, aus seiner – Aussagen zu seinen konkreten Vorstellungen hinsichtlich der Menge des tatverfangenen Suchtgifts nicht umfassenden – Verantwortung, aus dem Umstand, dass er „das tatsächliche Gewicht der Box erst beim Tragen, also nach begonnener Ausführung der Tat, feststellen konnte“ und auf Basis spekulativer Erwägungen zu einem weiteren unbedenklichen Inhalt des Behältnisses (zur „Tarnung“) eigene, für den Rechtsmittelstandpunkt günstigere Schlüsse zieht, als jene des Erstgerichts, zeigt sie weder einen Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO auf, noch gelingt es ihr, aus den Akten

erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (Z 5a) zu wecken. Sie kritisiert vielmehr unzulässig die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Aus welchem Grund es zur vorgenommenen Subsumtion über die getroffenen Feststellungen (vgl erneut US 10 f) hinausgehender weiterer Konstatierungen dazu bedurft hätte, „wie die Beteiligten konkret gehandelt haben“, und es insoweit darauf ankommen sollte, dass „alle vier Träger der Box auch an deren Öffnung … und beim anschließenden Verpacken von drei entnommenen Suchtgiftpakteten in zwei Rucksäcke“ beteiligt waren, erklärt die Rüge (der Sache nach Z 9 lit a) nicht (vgl erneut RIS‑Justiz RS0116565; vgl auch RS0117604).

Die – zudem prozessordnungswidrig nicht am Urteilssachverhalt, insbesondere den Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite orientierte – Behauptung, die nicht als Mitglied der kriminellen Vereinigung erfolgte bloße Beteiligung am Transport von Suchtgift „vom ersten in das zweite Obergeschoss in die Wohnung des Erstangeklagten und dem anschließenden Verbringen einer Teilmenge in den Keller“ sei rechtsrichtig nicht als Suchtgifthandel nach § 28a SMG, sondern als Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 SMG zu beurteilen, entzieht sich mangels jeglicher inhaltlicher Argumentation einer Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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