European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00100.15T.0314.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Dieter G***** (richtig [vgl RIS-Justiz RS0117464 {T2}]:) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./1./ bis 4./) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./1./ bis 7./), des (richtig:) Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz SMG (B./), des Verbrechens des Handels mit psychotropen Stoffen nach § 31a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 SMG (C./) und des (richtig:) Vergehens der Vorbereitung des Handels mit psychotropen Stoffen nach § 31 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (D./) schuldig erkannt.
Danach hat er „in J*****, Deutschland, Dänemark und anderen Orten des österreichischen Bundesgebietes“ vorschriftswidrig, nämlich ohne über die entsprechende Bewilligung nach § 6 Abs 1 Z 1 SMG und die Bewilligung nach § 67 Abs 1 Apothekenbetriebsordnung 2005 zu verfügen sowie entgegen § 6 Abs 6 SMG, als Geschäftsführer der G***** GmbH
A./ von 1. Jänner 2004 bis 31. Oktober 2010 Suchtgift in einer das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 14.899,557 Gramm Dihydrocodein und 92.720,312 Gramm Tramadol, anderen überlassen (A./1./ bis 7./) sowie (zu A./1./ bis 4./) in Bezug auf 14.384,356 Gramm Dihydrocodein und 87.871,557 Gramm Tramadol aus Österreich aus- und in die Bundesrepublik Deutschland sowie nach Dänemark eingeführt, indem er im Urteil bezeichnete, Suchtgift enthaltende Arzneimittel an dort bezeichnete Großhändler, Apotheken und praktische Ärzte verkaufte (A./1./ bis 7./) und den Transport an vier Großhändler mit Sitz in Deutschland und Dänemark organisierte (A./1./ bis 4./);
B./ von Ende 2010 bis 28. Februar 2011 Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar die im Urteil näher bezeichneten, insgesamt 10,8 Gramm Codein, 25,4 Gramm Dihydrocodein und 208,5 Gramm Tramadol enthaltenden Arzneimittel, mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es durch vorschriftswidrige Abgabe an Großhändler, Apotheken und Hausapotheken führende Ärzte in Verkehr gesetzt werde;
C./ von 1. Jänner 2004 bis 31. Oktober 2010 psychotrope Stoffe in einer das 15‑fache der Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 510,8 Gramm Oxazepam, 251,45 Gramm Diazepam, 60,015 Gramm Triazolam, 194,52 Gramm Bromazepam, 729 Gramm Tetrazepam, 66,9 Gramm Flunitrazepam und 22,515 Gramm Alprazolam (US 15 f), anderen überlassen, indem er im Urteil bezeichnete, psychotrope Stoffe enthaltende Arzneimittel an dort näher bezeichnete Apotheken und praktische Ärzte verkaufte;
D./ von Ende 2010 bis 28. Februar 2011 psychotrope Stoffe in einer die Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigenden Menge, und zwar die im Urteil näher bezeichneten, insgesamt 1,6 Gramm Alprazolam, 3,6 Gramm Bromazepam, 4,8 Gramm Diazepam, 0,8 Gramm Flunitrazepam, 0,8 Gramm Lorazepam, 0,2 Gramm Lormetazepam, 17 Gramm Oxazepam, 64 Gramm Tetrazepam, 0,6 Gramm Triazolam und 3,5 Gramm Zolpidem enthaltenden Arzneimittel, mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es durch vorschriftswidrige Abgabe an Großhändler, Apotheken und Hausapotheken führende Ärzte in Verkehr gesetzt werde (US 16 f).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie geht fehl.
Unter Hinweis auf die zu A./ und C./ festgestellte Überlassung der dort genannten Suchtmittel an Großhändler, Apotheken und praktische Ärzte (US 15 erster und letzter Absatz) und die zu allen Schuldsprüchen konstatierte darauf abzielende Intention des Angeklagten (US 15 zweiter Absatz und US 16 f) behauptet die Rechtsrüge (Z 9 lit a), „ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal“ aller gerichtlichen Straftatbestände des SMG wäre (insbesondere in subjektiver Hinsicht) „die Gefahr des Missbrauchs der dem SMG unterliegenden Substanzen“. Sie leitet jedoch nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565), weshalb die §§ 28a Abs 1 und 31a Abs 1 SMG ‑ soweit hier von Relevanz ‑ eine über die vorschriftswidrige Überlassung (im Sinn einer Übertragung der Verfügungsgewalt an eine Person, die vorher noch keinen Gewahrsam an der Substanz hatte; vgl RIS‑Justiz RS0115882) von Suchtgift oder psychotropen Stoffen hinausgehende besondere (konkrete) Gefahr des Missbrauchs der übergebenen Substanz durch den Übernehmer oder Dritten (bzw ‑ auch im Fall der §§ 28 Abs 1 und 31 Abs 1 SMG ‑ einen darauf gerichteten Vorsatz des Täters) voraussetzen sollte (vgl Litzka/Matzka/Zeder, SMG2 § 27 Rz 17).
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eine Passage der ErläutRV zum SMG 1997 (110 BlgNR 20. GP 22 [„Bekämpfung des Missbrauchs dieser Stoffe“]) zitiert, übergeht er den auch schon dort genannten Zweck, (vor allem) den Handel mit Suchtmitteln oder solche enthaltenden Arzneimitteln zu unterbinden, zu verfolgen und zu bestrafen, „sofern er nicht im Rahmen der dazu vorgesehenen Vertriebswege erfolgt“ und legt nicht dar, weshalb die (insbesondere) § 6 Abs 1 Z 1 und Abs 6 SMG widersprechende Weitergabe von Suchtmitteln nicht deren „illegale Inverkehrsetzung“ (iSd angeführten Passage der Gesetzesmaterialien) und damit ein Überlassen (bzw die auf Inverkehrsetzen gerichtete Intention) im Sinn der hier relevanten Tatbestände darstellen sollte (vgl dazu auch Litzka/Matzka/Zeder, SMG2 § 6 Rz 28).
Auch die weitere Behauptung, „vorschriftswidriges“ Überlassen (Inverkehrsetzen) läge nur dann vor, wenn die Tathandlung nicht „bewilligungsfähig“ (iSd § 6 Abs 1 Z 1 SMG) wäre, leitet nicht argumentativ aus dem Gesetz ab, weshalb (insbesondere) die in den §§ 6 bis 8 SMG enthaltenen Normen nicht der für die Beurteilung der Vorschriftswidrigkeit der Tathandlungen maßgebliche Bezugspunkt wären (Schwaighofer in WK2 SMG § 27 Rz 5 f; Litzka/Matzka/Zeder, SMG2 § 27 Rz 3). Die weitere Forderung nach (ausschließlicher) Unterstellung des hier festgestellten Verhaltens des Beschwerdeführers unter die Verwaltungsübertretung nach § 44 Abs 1 Z 1 SMG vernachlässigt, dass zufolge der in § 44 SMG enthaltenen Subsidiaritätsklausel Strafbarkeit danach nur in Fällen ‑ hier nicht vorliegender ‑ fahrlässiger Tatbegehung in Betracht kommt (Wiederin in Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 44 Rz 2 f und 12).
Die auf § 7 Abs 1 SMG gestützte Behauptung, der Angeklagte wäre „aufgrund seiner Funktion als Konzessionär der S***** im Rahmen der Gesellschaftsaktivitäten G***** OHG“ zur Weitergabe der in den Schuldsprüchen A./6./ und 7./ und C./ genannten Substanzen sowie zum Erwerb der in den Schuldsprüchen B./ und D./ angeführten Suchtmittel berechtigt gewesen, vernachlässigt die Feststellungen der Tatrichter zum Verkauf und Erwerb der Substanzen durch die G***** GmbH (US 15 bis 17). Im Übrigen übergeht das Vorbringen auch die weiteren Konstatierungen zum Fehlen der Bewilligung des Apothekenbetriebs außerhalb der Räumlichkeiten der S***** in S***** (US 14; vgl dazu §§ 26 ff und 67 Abs 1 Apothekenbetriebsordnung 2005) und legt nicht dar, weshalb damit von Abgabe der Suchtmittel „nach Maßgabe der das Apotheken- und Arzneimittelwesen regelnden Vorschriften“ iSd § 7 Abs 1 SMG auszugehen gewesen wäre (US 31 f).
Soweit der Beschwerdeführer zu den Schuldsprüchen B./ und D./ Rechtsfehler mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf konkret von ihm übertretene Vorschriften behauptet, lässt er die Gesamtheit der Entscheidungsgründe außer Acht, wonach dem Angeklagten das Fehlen einer Bewilligung nach § 6 Abs 1 Z 1 SMG bekannt war (US 16 ff, 20 bis 22, 28).
Die weiters behauptete unzutreffende „Zuordnung der gehandelten Substanzen“ unter Anhang II der Suchtgiftverordnung (anstelle von [richtig:] Anhang III) durch das Erstgericht im Zuge seiner beweiswürdigenden Erwägungen (US 28) ist vorliegend ohne rechtliche Relevanz. Diese Differenzierung wäre nur für die Frage der Vorschriftswidrigkeit der Ausfuhr von Suchtgift (§§ 25 Abs 1, 27 Abs 6 SV) von Bedeutung, welche hier jedoch zufolge des Fehlens einer Bewilligung zur Abgabe von Suchtgift (iSd § 6 Abs 1 Z 1 SMG) an Großhändler (auch mit Sitz im Ausland) schon daraus resultiert.
Die Kritik am zu A./ und C./ konstatierten Tatzeitraum (1. Jänner 2004 bis 31. Oktober 2010), die G***** GmbH sei erst am 19. November 2004 gegründet worden, übergeht die Urteilsannahmen, wonach auch die Rechtsvorgängerin der G***** GmbH, das Einzelunternehmen Mag. pharm. Dieter G*****, in dem vom Beschwerdeführer relevierten Zeitraum über keine Bewilligung nach § 6 Abs 1 Z 1 SMG (vgl US 14 letzter Absatz) verfügte. Im Übrigen vermag die Beschwerde nicht darzulegen, weshalb der Wegfall der Täterschaft hinsichtlich einzelner der im Rahmen einer gleichartigen Verbrechensmenge bloß pauschal individualisierten Taten den Schuldspruch oder die Subsumtion berühren würde (RIS‑Justiz RS0116736).
Weshalb es zu A./1./ bis 4./ (Aus- und Einfuhr von Suchtgift) Konstatierungen bedürfte, „auf welche konkrete Weise der Angeklagte die Ausfuhr organisierte“ macht die Rüge, die sich überdies nicht an der Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen zur Organisation des Transportes der Suchtgifte nach Deutschland und Dänemark orientiert (US 2 iVm US 15, 21 und 31; vgl dazu RIS-Justiz RS0088197), nicht klar.
Zu C./ bleibt anzumerken, dass der Schuldspruch ungeachtet des Fehlens von Feststellungen zu einzelnen Tatzeiten ‑ entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ rechtsirrtumsfrei (auch betreffend vor dem 1. Jänner 2008 gesetzter Taten [iS einzelner tatbestandlicher Handlungseinheiten, RIS‑Justiz RS0124018]) nach § 31a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 SMG idF BGBl I 2007/110 erfolgt ist, war doch die vormalige Bestimmung des § 31 Abs 2 SMG idF BGBl I 1997/112 (bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe) für den Angeklagten nicht günstiger (§ 61 zweiter Satz StGB; vgl RIS‑Justiz RS0119085). Im Übrigen wurde die Grenzmenge nach den Urteilsfeststellungen (US 15 f iVm 32 f) um das rund 450‑fache überschritten.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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