European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00055.17K.0510.000
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.438,56 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 239,76 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger mit Sitz in Polen begehrt 26.743,59 EUR sA für im März und April 2014 gelieferte und verrechnete Waren.
Die Beklagte wendete ein, außergerichtlich mit ihrer Schadenersatzforderung wegen Mangelhaftigkeit einer früheren Lieferung im Zeitraum von Juli bis Dezember 2008, für die sie letztlich ihrem Abnehmer 30.000 EUR Schadenersatz habe leisten müssen, aufgerechnet zu haben.
Der Kläger erwiderte, die Gegenforderung sei längst verjährt, im Übrigen aber auch inhaltlich unberechtigt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, weil es die Gegenforderung als verjährt ansah.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil Rechtsprechung zur Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des UN‑Verjährungsübereinkommens fehle. Nach dem hier anzuwendenden UN‑Verjährungsübereinkommen (UN‑ VerjÜbk), das Polen ratifiziert habe, sei die von der Beklagten eingewendete Forderung aus der früheren Vertragsverletzung bereits bei Übergabe der Ware fällig geworden, sie sei zum Zeitpunkt der Aufrechnung nicht verjährt gewesen. Die Verjährungsfrist beginne zwar bereits mit Warenübergabe und laufe nur vier Jahre, sei aber noch vor ihrem Ablauf durch Klageerhebung durch den Abnehmer der Beklagten und entsprechende Mitteilung an den Kläger unterbrochen worden und erst am 1. Februar 2015 abgelaufen; nämlich ein Jahr nach rechtswirksamer Beendigung des Rechtsstreits zwischen der Beklagten und ihrem Abnehmer (Art 18 Abs 3 UN‑VerjÜbk). Nach Art 25 Abs 2 lit b UN‑VerjÜbk habe die Beklagte ungeachtet eines Ablaufs der Verjährungsfrist mit ihrem Anspruch aufrechnen können, weil sich die Schadenersatzansprüche einerseits und die (neue) Kaufpreisforderung andererseits vor Ablauf der Verjährung der Schadenersatzansprüche aufrechenbar gegenüber gestanden seien. Das Erstgericht müsse sich daher im fortzusetzenden Verfahren mit den anderen inhaltlichen Einwänden des Klägers gegen die Schadenersatzforderungen der Beklagten auseinandersetzen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Klägers, der die Wiederherstellung des klagestattgebenden Ersturteils anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Unbestritten ist, dass auf die Vertragsbeziehungen der Streitteile das UN‑Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (UN‑Kaufrecht) anzuwenden ist. Dieses Übereinkommen enthält keine Regelungen zur Verjährung; hiefür maßgebend ist – ebenfalls zwischen den Parteien unstrittig – polnisches Recht (Art 4 EVÜ; anwendbar im Hinblick auf den ursprünglichen Vertragsabschluss 2008). Da Polen das UNCITRAL‑Übereinkommen vom 14. Juni 1974 über die Verjährung beim internationalen Warenkauf (UN‑Verjährungsübereinkommen) ratifiziert hat, ist dieses auf die Verjährungsfrage anzuwenden (Art 3 Abs 1 lit b). Dass dieses Übereinkommen ungeachtet eines allenfalls fehlenden polnischen Umsetzungsgesetzes jedenfalls anzuwenden ist, entspricht der Rechtsprechung des polnischen Höchstgerichts (Urteil vom 25. Juni 2014, AZ IV CSK 611/13).
Da Österreich das UN‑VerjÜbk nicht ratifiziert hat, ist das Fehlen österreichischer Rechtsprechung zu diesem Übereinkommen dem Umstand gleichzuhalten, dass zu dem im konkreten Fall anzuwendenden ausländischen Sachrecht keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt.
Dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum anzuwendenden ausländischen Recht fehlt, begründet im Hinblick darauf, dass es nicht Aufgabe des österreichischen Höchstgerichts ist, einen Beitrag zur Auslegung ausländischen Rechts zu liefern, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0042948 [T6, T10, T20]).
Die berufungsgerichtliche Auslegung der hier maßgeblichen Bestimmungen des UN‑VerjÜbk geht von dessen Wortlaut aus und ist nachvollziehbar. Dieser Auslegung und dem gewonnenen Ergebnis entgegenstehende Rechtsprechung oder Lehrmeinungen vermag die Rekurswerberin nicht darzulegen; ihre Rechtsausführungen können nicht nachvollzogen werden. Sie zeigt daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
Da das Berufungsgericht bereits aus Art 18 Abs 3 und Art 25 Abs 2 lit b UN‑VerjÜbk ableitet, dass die von der Beklagten erhobene Gegenforderung zum Aufrechnungszeitpunkt nicht verjährt war, bedurfte es auch keiner abschließenden Klärung, ob das von der Beklagten darüber hinaus in Polen eingeleitete Verfahren zu einer Verjährungsunterbrechung im Sinn des Art 13 UN‑VerjÜbk führte oder aus sonstigen Bestimmungen der polnischen Rechtsordnung abzuleiten wäre, dass die Schadenersatzforderung der Beklagten nicht verjährt sei.
Der Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss ist daher zurückzuweisen.
Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hinwies, hat ihr die Klägerin die Kosten der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Rekursbeantwortung zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0123222 [T2, T4, T7, T8]; jüngst 1 Ob 7/17m; vgl 5 Ob 218/16v mwN).
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