OGH 15Os145/16m

OGH15Os145/16m5.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred D***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 22. September 2016, GZ 13 Hv 54/16b‑51, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Hudl zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00145.16M.0405.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,

1./ im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung und des Ausspruchs gemäß § 266 Abs 1 StPO) aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Manfred D***** wird unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von

8 (acht) Jahren

verurteilt.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

2./ im Ausspruch auf Einziehung von 58 Stück Clarinase‑Tabletten, eines Klemmsäckchens mit einer orangen unbekannten Tablette, einer digitalen Grammwaage sowie eines Glasgefäßes und zweier Metallbehälter mit pulvrigen Anhaftungen aufgehoben und insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred D***** (richtig: der) Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./I./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 (zu ergänzen: Z 1) erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (A./II./), „der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 und Z 3 WaffG“ (B./ und D./) sowie des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.

Danach hat er in St. ***** und anderen Orten

A./ vorschriftswidrig Suchtgift

I./ von Jänner 2013 bis April 2016 in einer das 25‑fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich insgesamt zumindest 444,5 Gramm methamphetaminhältiges Crystal Meth mit einem Reinheitsgrad von zumindest 63,62 % (zumindest 283 Gramm Reinsubstanz), von Tschechien nach Österreich eingeführt und anschließend Nachgenannten überlassen, und zwar

a./ Hermann Ü***** zumindest 135 Gramm zum Grammpreis von 80 Euro;

b./ Haris G***** zumindest 107 Gramm;

c./ Karin P***** zumindest 135 Gramm zum Grammpreis von 80 Euro;

d./ Michaela N***** zumindest 67,5 Gramm zum Grammpreis von 90 Euro;

e./ Janine S***** jeweils ein bis zwei Mal pro Monat eine geringe Menge;

II./ über die unter I./ angeführte Menge hinaus ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar

a./ seit ca Frühjahr 2013 bis April 2016 im Durchschnitt alle zwei Wochen zwischen zwei und zehn Gramm Crystal Meth;

b./ ab März 2013 bis April 2016 geringe Mengen Cannabisharz, Ecstasy und Kokain;

B./ „bis zum 30. April 2016, wenn auch nur fahrlässig, Waffen und Munition besessen, obwohl ihm dies durch ein Waffenverbot der Bezirkshauptmannschaft A***** untersagt ist, und zwar

I./ einen Dolch in einem Spazierstock getarnt und sieben Feuerzeuge mit Messerklinge, sohin verbotene Waffen;

II./ Munition, nämlich 129 Stück 6 mm Kleinkalibermunition und zwei Stück 9 mm Patronen;

C./ am 10. November 2015 ein fremdes Gut, das er gefunden hatte, nämlich ein Handy Marke Samsung Note II des Sanel B***** in einem nicht mehr feststellbaren Wert, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern;

D./ zumindest am 5. Jänner 2016, wenn auch nur fahrlässig, Waffen besessen, nämlich zwei Teleskopschlagstöcke, eine Armbrust, einen Pfefferspray, einen Gummischlagstock und eine Machete, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG durch einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft A***** verboten war“.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.

Entgegen dem von der Mängelrüge erhobenen Vorwurf des Fehlens einer Begründung der Konstatierungen zur vom Schuldspruch A./I./b./ umfassten Suchtgiftmenge (Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter diese Urteilsannahmen – logisch und empirisch mängelfrei – auf die Aussagen der Zeugen Husein K*****, Abdurrahman E***** und Tarik Ke***** über das von ihnen von Haris G***** erworbene Suchtgift gestützt und sich überdies auch mit den dies bestreitenden Angaben des G***** auseinandergesetzt (US 26 bis 29).

Zutreffend kritisiert die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) hingegen, dass das Erstgericht bei der – nach § 28a Abs 4 SMG sowie im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 StGB vorzunehmenden – Ausmessung der über den Angeklagten zu verhängenden Strafe von einem unrichtigen Strafrahmen von einem bis zu 22,5 Jahren ausgegangen ist (US 38), obwohl nach § 39 Abs 1 letzter Satz StGB eine zeitliche Freiheitsstrafe auch bei einer nach dieser Bestimmung zulässigen Überschreitung des Höchstmaßes der angedrohten Freiheitsstrafe die Dauer von zwanzig Jahren nicht übersteigen darf.

„Richtigerweise hätte die Strafbemessung selbst im Fall der Anwendung des § 39 StGB nicht außerhalb eines (erweiterten) Strafrahmens von einem bis zu zwanzig Jahren Freiheitsstrafe erfolgen dürfen.“

Legt das Schöffengericht bei der Strafbemessung einen falschen Strafrahmen zu Grunde, begründet dies Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die verhängte Strafe von zehn Jahren Freiheitsstrafe auch im zutreffenden Strafrahmen Deckung fände (RIS‑Justiz RS0125294; RS0099957; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 667 ff).

Bei der demgemäß notwendig gewordenen Strafneubemessung war nach § 28a Abs 4 SMG von einem Strafrahmen von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe auszugehen und als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit mehreren Vergehen, die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, durch die die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB erfüllt sind, der rasche Rückfall, die Begehung der Taten in der Probezeit sowie der lange Tatzeitraum, mildernd hingegen die teils geständige Verantwortung und die teilweise objektive Schadensgutmachung zu werten. Der bloßen Suchtgiftgewöhnung des Angeklagten kommt hingegen – dem Vorbringen der Berufung zuwider – keine die Strafbemessungsschuld mildernde Wirkung zu (RIS‑Justiz RS0087417).

Unter Zugrundelegung dieser Erschwerungs‑ und Milderungsgründe, insbesondere unter Berücksichtigung der (die Qualifikationsgrenze des § 28a Abs 4 Z 3 SMG nicht weit übersteigenden 28‑fachen Überschreitung der Grenzmenge (§ 28b SMG) einerseits und des durch raschen und massiven Rückfall in einschlägige Delinquenz gezeichneten Persönlichkeitsbildes des Angeklagten andererseits, sowie unter Bedachtnahme auf die allgemeinen Strafzumessungserwägungen des § 32 Abs 2 und 3 StGB erweist sich eine Freiheitsstrafe von acht Jahren als dem Unrechts‑ und Schuldgehalt der Taten sowie der Täterpersönlichkeit angemessen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war überdies von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), dass dem Ausspruch über die Einziehung von 58 Clarinase‑Tabletten, eines Klemmsäckchens mit einer orangen unbekannten Tablette, einer digitalen Grammwaage sowie eines Glasgefäßes und zweier Metallbehälter mit pulvrigen Anhaftungen (US 4) zum Nachteil des Angeklagten Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) anhaftet, weil die diesbezüglichen Feststellungen nicht erkennen lassen, dass diesen Gegenständen aufgrund ihrer besonderen Beschaffenheit Deliktstauglichkeit zukommt (vgl US 12 zweiter Absatz; RIS‑Justiz RS0121298; RS0107294). Dass in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen des § 19a StGB erfüllt wären, lässt sich den Urteilsannahmen ebenfalls nicht entnehmen.

In diesem Umfang war das Einziehungserkenntnis aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Das Erstgericht wird die Vorhaftanrechnung durchzuführen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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