OGH 6Ob48/17b

OGH6Ob48/17b29.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Dr. Nowotny und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* GmbH, *, vertreten durch Weinrauch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei R* eGen, *, vertreten durch Dr. Martin Stossier und andere Rechtsanwälte in Wels, wegen 600.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2017, GZ 4 R 196/16w‑16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E118018

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren wird unterstellt, dass es sich bei der Beauftragung der garantierenden Bank durch die Klägerin, der beklagten Bank Bankgarantien in Höhe des Klagsbetrags zur Besicherung einer Kreditgewährung an die Schwestergesellschaft der Klägerin auszustellen, um eine verbotene Einlagenrückgewähr nach § 82 GmbHG gehandelt hat. Die beklagte Bank hat die Bankgarantien infolge Zahlungsschwierigkeiten der kreditnehmenden Schwester-gesellschaft bei der garantierenden Bank abgerufen. Die Abweisung des Begehrens der Klägerin, die sich auf die Nichtigkeit der Bankgarantien beruft, durch die Vorinstanzen ist dennoch vertretbar:

1. Normadressaten des in § 82 GmbHG enthaltenen Verbots der Einlagenrückgewähr sind die Gesellschaft und der Gesellschafter, nicht aber auch ein Dritter. § 83 Abs 1 GmbHG räumt der Gesellschaft einen Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter ein. Dritte sind jedoch nur bei Kollusion (eine solche wird hier gar nicht behauptet) und grober Fahrlässigkeit rückgabepflichtig (RIS‑Justiz RS0105536). Rückgabepflicht besteht demnach auch in jenen Fällen, in denen der Gesellschafter bewusst zum Nachteil der Gesellschaft handelt und sich der Missbrauch dem Dritten geradezu aufdrängen musste (RIS-Justiz RS0105536 [T2]); die Unkenntnis muss dabei auf grober Fahrlässigkeit beruhen (RIS‑Justiz RS0105536 [T4]).

2. Eine allgemeine Erkundigungs‑ und Prüfpflicht einer kreditgewährenden Bank besteht nicht für alle Fälle denkmöglicher Einlagenrückgewähr, sondern wird nur dort gefordert, wo sich der Verdacht schon so weit aufdrängt, dass er nahezu einer Gewissheit gleichkommt (RIS‑Justiz RS0105537 [T4]). In jenen Fällen, in denen (etwa) das Vorliegen einer betrieblichen Rechtfertigung schon bei erstem Anschein plausibel erscheint und in denen keine Verdachtsmomente gegeben sind, die die kreditgewährende Bank am Vorliegen einer betrieblichen Rechtfertigung zweifeln lassen müssten, besteht somit kein weiterer Überprüfungsbedarf in diese Richtung. Schon von vornherein hoch verdächtige Fälle lösen hingegen Erkundigungspflichten aus; die kreditgewährende Bank hat bei den Beteiligten nach der Gegenleistung nachzufragen, wobei sie sich auf nicht offenkundig unrichtige Auskünfte verlassen darf (RIS‑Justiz RS0105536 [T5]). Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit kommt es auf die Möglichkeiten der kreditgewährenden Bank an zu erkennen, dass die Zahlungen von keinem (im Konzern) rechtfertigenden Sachverhalt (ohne adäquate Gegenleistung) getragen waren und einem Fremdvergleich nicht standhielten (RIS‑JustizRS0105537 [T3]).

Ob in diesem Sinn eine Erkundigungs- und Prüfpflicht bestand(en hätte), kann immer nur aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden; der Beantwortung dieser Frage kommt regelmäßig nicht die von § 502 Abs 1 ZPO geforderte Bedeutung zu.

3. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen legte die garantierende Bank bei Ausstellung der Bankgarantien der Beklagten gegenüber offen, dass sie von der Klägerin über die zwischen der Beklagten und der Kreditnehmerin bestehende Geschäftsverbindung informiert worden war. Bekannt waren der Beklagten sowohl die Klägerin als auch deren Holding‑Aktiengesellschaft und zwar auch der Umstand, dass bei der Klägerin und der Kreditnehmerin (damals) Geschäftsführeridentität bestand; dass der Beklagten die konkreten Beteiligungsverhältnisse an der Klägerin, der Kreditnehmerin und der Holding‑Aktiengesellschaft tatsächlich bekannt gewesen wären, behauptet die Klägerin im Revisionsverfahren aber nicht.

Mangels eines erkennbaren Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten und im Hinblick darauf, dass Geschäftsführeridentität bei der hier vorliegenden Konstellation noch nicht zwingend den Verdacht einer verbotenen Einlagenrückgewähr geradezu aufdrängt, hat das Berufungsgericht durchaus vertretbar (weitere) Nachforschungspflichten der Beklagten verneint. Von den den Entscheidungen 6 Ob 29/11z und 7 Ob 35/10p zugrunde liegenden Sachverhalten unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt dadurch, dass dort den Beklagten jeweils positiv bekannt gewesen war, dass mehrere Gesellschaften unter dem Einfluss eines „dominus“ standen und auch noch andere Umstände hinzugekommen waren, die die (dort) erfolgte Pfandbestellung jeweils „hoch verdächtig“ im Hinblick auf eine verbotene Einlagenrückgewähr machten.

Stichworte