OGH 8ObA49/16p

OGH8ObA49/16p28.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Brenn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und Harald Kohlruss in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. G***** G*****, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei L*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung (Interesse 15.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Juni 2016, GZ 15 Ra 46/16a‑14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00049.16P.0328.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

 

Begründung:

Der Kläger ist als Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin seit 3. 10. 2005 bei der Beklagten beschäftigt und einem Landesklinikum dienstzugewiesen. Auf sein Dienstverhältnis war ursprünglich das Tiroler Landes-Vertragsbedienstetengesetz 2/2001 anzuwenden, nunmehr unterliegt es dem Tiroler Landesbedienstetengesetz (LBedG) LGBl 10/2002. Der Kläger hat von seinem Optionsrecht nach § 81a Abs 1 und Abs 4a LBedG keinen Gebrauch gemacht.

Im vorliegenden Verfahren ist der von der Beklagten mit 29. 1. 1990 ermittelte Vorrückungsstichtag (iSd § 40 L-VBG bzw § 81k LBedG) des Klägers strittig. Die Beklagte legte bei dieser Berechnung nur die Zeiten der Ausbildung des Klägers zum Facharzt für Anästhesiologie zugrunde. Weitere 18 Monate an Ausbildungszeit, die der Kläger in unterschiedlichen Fachabteilungen eines oberösterreichischen Krankenhauses in Linz absolviert hat, berücksichtigte die Beklagte nicht.

Der Kläger begehrt, seinen Vorrückungsstichtag mit 29. 7. 1988 festzustellen. Es gebe keinen Grund, die 18 in Linz absolvierten Ausbildungsmonate nicht einzurechnen, zumal diese Voraussetzung für die nunmehrige Tätigkeit des Klägers gewesen seien und ihm wertvolle berufliche Erfahrung vermittelt hätten.

Die Beklagte vertrat im Verfahren den Standpunkt, nach § 81k Abs 3 lit d Z 3 LBedG seien nur die für das jeweilige Dienstverhältnis fachlich einschlägigen Ausbildungszeiten anrechenbar.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Nach der eindeutigen Regelung des § 81k LBedG seien die Zeiten einer nach dem ÄrzteG 1984 bzw 1998 zur ärztlichen Berufsausübung vorgeschriebenen praktischen Tätigkeit an einer zugelassenen Ausbildungsstätte bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags zur Gänze voranzusetzen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig.

Die in § 81k Abs 3 lit d Z 3 LBedG für die Ermittlung des Stichtags maßgebliche Zeit der „zur ärztlichen Berufsausübung“ vorgeschriebenen praktischen Tätigkeit spreche generell all jene Ausbildungszeiten an, die zur Ausübung des Arztberufs – sei es als Allgemeinmediziner und/oder als Facharzt – notwendig sind.

Für die Auslegung des Erstgerichts spreche auch der Umstand, dass der Landesgesetzgeber in der (für neu eintretende Dienstnehmer geltenden) Bestimmung des § 38 LBedG sehr wohl eine inhaltlich determinierte Einschränkung der Anrechnung von Vordienstzeiten vorgenommen habe, nämlich auf solche, die eine „für die vorgesehene Art der Verwendung zweckdienliche und bedeutsame Berufserfahrung darstellen“. Dies weise darauf hin, dass der Gesetzgeber umgekehrt bewusst darauf verzichtet habe, eine gleichartige Einschränkung für seine „Altbediensteten“ in § 81k LBedG aufzunehmen. Ob für einen Arzt nicht ohnehin jedwede Ausbildung im Arztberuf auch eine „zweckdienliche und bedeutsame Berufserfahrung“ darstelle, könne dahingestellt bleiben.

Für die Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion der einschlägigen Bestimmungen des § 81k LBedG aufgrund eines den Gesetzeszweck überschießenden Inhalts bestehe kein Anhaltspunkt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der beklagten Partei zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 2 ASGG, § 502 Abs 1 ZPO auf, die eine Zulässigkeit ihres Rechtsmittels begründen könnte.

Es liegt trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare und eindeutige Regelung trifft (RIS‑Justiz RS0042656).

1. Mit dem im Revisionsverfahren wiederholten Argument, es sei ein für das Ergebnis der Auslegung des § 81k Abs 2 lit d Z 3 LBedG wesentlicher Unterschied, dass dort von einer „ zur ärztlich en Berufsausübung“ und nicht „ zu ärztlich er Berufsausübung“ vorgeschriebenen praktischen Tätigkeit die Rede ist, hat sich das Berufungsgericht bereits hinreichend auseinandergesetzt; seine Ausführungen bedürfen keiner weiteren Ergänzung.

2. Die Beklagte hat sich in erster Instanz auf das Argument beschränkt, dass die gegenständlichen Vordienstzeiten des Klägers ihrer Art nach nicht anrechenbar wären und daher auch nicht angerechnet wurden (ON 7). Sie hat nie behauptet, dass die in der Klagsschrift genannten Zeiten (oder ein Teil davon) ohnehin bei der Vorrückungsstichtagsberechnung berücksichtigt worden seien. Wenn die Beklagte nun im Revisionsverfahren Zweifel an der richtigen Berechnung dieser Zeiten anmelden will, steht einem solchen Vorbringen das Neuerungsverbot entgegen.

3. Angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die das Berufungsgericht überprüft und verneint hat, können in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden. Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RIS-Justiz RS0043061).

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