OGH 1Ob35/17d

OGH1Ob35/17d16.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** D*****, vertreten durch Dr. Christian M. Egger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei s ***** GmbH, *****, vertreten durch die Pacher & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Graz, wegen 123.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Jänner 2017, GZ 3 R 143/16v‑18, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 5. September 2016, GZ 10 Cg 55/15v‑14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00035.17D.0316.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Dass der Oberste Gerichtshof „bisher lediglich für den Titel der Gewährleistung gemäß § 922 Abs 2 ABGB judiziert“ hat, dass der Veräußerer für öffentliche Äußerungen, vor allem in der Werbung, einzustehen hat, beruht erkennbar darauf, dass sich die genannte Norm ausschließlich mit Fragen der Gewährleistung auseinandersetzt. Sie stammt aus der Umsetzung einer europäischen Richtlinie zum Kauf von Verbrauchsgütern, also Waren, an Verbraucher (s dazu etwa Ofner in Schwimann/Kodek ABGB 4 IV § 922 Rz 2). Warum die genannte Vorschrift zur Begründung einer Schadenersatzhaftung im Rahmen eines „Dienstleistungsvertrags“ analog angewendet werden sollte, vermag die Revisionswerberin sachlich nicht zu begründen. Gerade bei „Dienstleistungsverträgen“ wird die geschuldete Leistung zudem typischerweise im Individualvertrag bestimmt. Ob bei der Beurteilung des Vertragsinhalts auch auf vorangegangene öffentliche Äußerungen des Verkäufers Bedacht zu nehmen ist, ist nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere nach § 863 ABGB, zu beurteilen.

Hier hat die Klägerin nicht einmal behauptet, dass sie den auf der Homepage der Beklagten enthaltenen Hinweis auf einen allfälligen „Bonitätscheck der potentiellen Käufer“ überhaupt wahrgenommen hat. Damit erübrigt sich aber jede Auseinandersetzung mit der Frage, auf welche Weise – bei Kenntnis des Kunden von der Angebotspalette – eine Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung einer Bonitätsprüfung in den Vertrag Eingang finden könnte.

Nur der Vollständigkeit halber ist zudem auf die Argumentation des Berufungsgerichts zu verweisen, wonach der Klägerin klar sein musste, dass die für die Beklagte tätigen Personen die Identität der tatsächlich zu den Verhandlungen erschienenen Person nicht kannten und schon deshalb eine Bonitätsprüfung gar nicht stattgefunden haben konnte.

2. Auch wenn es keinem Zweifel unterliegen kann, dass der Makler gemäß § 3 Abs 1 MaklerG die Interessen seines Auftraggebers redlich und sorgfältig zu waren hat, kommt es – von typischen Konstellationen abgesehen – doch stets auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an, welche Handlungen vom Makler zur Wahrung der Interessen seines Auftraggebers zu fordern sind (vgl nur RIS‑Justiz RS0109996 [T9]). Wegen der Einzelfallbezogenheit liegt insoweit regelmäßig eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage nicht vor. Eine krasse Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht, das die Notwendigkeit besonderer Warnhinweise verneint hat, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen.

Auch wenn es richtig ist, dass die den Mitarbeitern der Beklagten zur Kenntnis gelangten Umstände der Vertragsverhandlungen vor allem deshalb ungewöhnlich waren, weil anstelle des ursprünglichen Interessenten eine andere Person erschien, die ihre Identität gegenüber den Maklern nicht nachweisen und die Verhandlungen allein mit der Klägerin führen wollte, ist die Auffassung des Berufungsgerichts nicht bedenklich, allein daraus habe noch nicht auf eine Betrugs‑ oder gar Raubabsicht geschlossen werden müssen. Gleiches gilt für die Beurteilung, der Wunsch des Kaufinteressenten, einen (nicht unerheblichen) Teil des Kaufpreises bar in Schweizer Franken bezahlen zu wollen, deute am ehesten auf das Bestreben nach Verheimlichung dieses Geldes vor offiziellen Stellen hin. Letztlich kann auch die Rechtsansicht, die den Beklagten zuzurechnende Person hätte mit ihrem Rat an einen der beiden Auftraggeber (den Ehemann der Klägerin), man solle für die Vertragsabwicklung jedenfalls einen österreichischen Notar heranziehen, angemessen auf die ungewöhnlichen Begleitumstände reagiert, nicht korrekturbedürftig. Die Mitarbeiter der Beklagten, die von der Klägerin über den weiteren Fortgang nicht informiert wurden, mussten keineswegs damit rechnen, dass die Klägerin mit Goldmünzen im Wert von mehr als 160.000 EUR nach Italien reisen würde, um diese dem Kaufinteressenten gegen einen (vermeintlich) angemessenen Betrag in Schweizer Franken zu übergeben, wobei es schließlich zur – für die Mitarbeiter der Beklagten unvorhersehbaren – Wegnahme der Goldmünzen gekommen ist. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin lagen für die Makler konkrete Anhaltspunkte für ein derartiges Verbrechen nicht vor. Da auf Seiten der Beklagten keine Kenntnis vom Vorhaben der Klägerin, Goldmünzen im erheblichen Wert zu übergeben, bestand, ist dem Berufungsgericht auch keine Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es die Auffassung vertrat, die Beklagte habe die Klägerin nicht darüber informieren müssen, dass derartige Verbrechen – auch im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften – in jüngerer Zeit immer wieder vorgekommen sind.

3. Wenn die Revisionswerberin schließlich im Zusammenhang mit dem Rat, zur Vertragsabwicklung einen österreichischen Notar heranzuziehen, moniert, dass eine solche „Warnung“ gemäß § 30b (gemeint wohl: Abs 2) KSchG schriftlich erfolgen hätte müssen, unterlässt sie es, darzulegen, welche für sie günstigen Konsequenzen sich aus diesem (vermeintlichen) Fehler für sie ergeben sollten. § 30b Abs 2 KSchG enthält ein Schriftlichkeitsgebot für die Mitteilung der nach § 3 Abs 3 MaklerG „erforderlichen Nachrichten“ an den Auftraggeber. Abgesehen davon, dass es durchaus zweifelhaft erscheint, ob auch der erteilte Rat zu den erforderlichen Nachrichten iSd § 3 Abs 3 MaklerG gehört, entspricht es zwar der höchstgerichtlichen Judikatur, dass die von § 30b Abs 2 KSchG umfassten Pflichten Sorgfaltsverbindlichkeiten sind, deren Verletzung für den Vertrauensschaden haftbar machen kann (5 Ob 43/02p; vgl auch RIS‑Justiz RS0116638). Die Revisionswerberin behauptet aber nicht einmal, dass die mangelnde Schriftlichkeit kausal dafür gewesen sei, den Rat zur Abwicklung des Vertrags über einen Notar nicht zu befolgen, weshalb dahingestellt bleiben kann, ob auch eine solche Mitteilung zwingend schriftlich zu erfolgen gehabt hätte.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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