European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E117631
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Die Klägerin ist seit 1. 2. 1995 bei der Beklagten angestellt. Diese beschäftigt weniger als 20 Dienstnehmer. Die wöchentliche Normalarbeitszeit der Klägerin war mit 38 Stunden vereinbart. Nach der Geburt ihrer Tochter (23. 5. 2003) und der Rückkehr der Klägerin aus der Karenz vereinbarten die Streitteile ab 25. 11. 2005 die Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin auf 24 Stunden (Montag bis Donnerstag jeweils 6 Stunden), um ihr die Kinderbetreuung zu ermöglichen. Die Klägerin konnte die Gleitzeitregelung nutzen, die ihr einen Dienstantritt bis spätestens 9:00 Uhr erlaubte. Eine schriftliche Vereinbarung wurde von den Streitteilen nicht als notwendig erachtet. Für die Geschäftsführerin der Beklagten war klar, dass die Klägerin die Arbeitszeitreduktion solange in Anspruch nehmen würde, als sie sie für die Kinderbetreuung brauchte. Bei Bedarf kam es immer wieder vor, dass die Klägerin mehr als die vereinbarten 24 Stunden arbeitete und auch an Freitagen einsprang. Nach der Geburt ihres Sohnes (30. 9. 2012) nahm die Klägerin einen zweijährigen Karenzurlaub. Danach wurde der Klägerin angeboten, in den Räumlichkeiten eines Partnerunternehmens der Beklagten zu arbeiten. Die Klägerin erklärte, ein Dienstbeginn bis 7:30 Uhr sei ihr mit den Kindern nicht möglich, bestenfalls könne sie den Sohn um 7:50 Uhr im Kindergarten abgeben. Spätestens um 15:00 Uhr müsse sie ihren Arbeitsplatz wieder verlassen. Die (neue) Geschäftsführerin sagte ihr, dass das kein Problem sei, sie grundsätzlich von Montag bis Donnerstag arbeiten könne und, wenn sie in dieser Zeit die 24 Stunden nicht erreiche, die restlichen Stunden am Freitag aufzufüllen hätte. Ihr war klar, dass die Klägerin diese Diensteinteilung für die Kinderbetreuung benötigte. Erneut wurde keine schriftliche Vereinbarung getroffen. Wie lange diese Wochenstundenvereinbarung gelten sollte, wurde nicht besprochen. Die Klägerin begann am 1. 10. 2014 mit ihrer Arbeit. Mit Schreiben vom 28. 1. 2015 sprach die Beklagte ohne vorherige Zustimmung des Gerichts die Kündigung der Klägerin zum 30. 6. 2015 aus.
Die Vorinstanzen stellten den aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses über den 30. 6. 2015 hinaus fest, weil sich die Klägerin in einer kündigungsgeschützten vereinbarten Elternteilzeit nach § 15i MSchG, aber auch nach § 15p MSchG (Änderung der Lage der Arbeitszeit) befunden habe und die Kündigung gemäß § 10 Abs 6 MSchG unwirksam sei.
In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision bestreitet die Beklagte das Vorliegen einer Elternteilzeitvereinbarung mangels einer Reduktion der vor der Geburt des zweiten Kindes zuletzt vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit. Im Hinblick auf § 15p MSchG sei auch keine Änderung der Lage der Arbeitszeit vereinbart worden. Damit zeigt sie keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
Rechtliche Beurteilung
1. Der Begriff der Teilzeitbeschäftigung im Sinn des MSchG wird gesetzlich nicht definiert. Die Erläuternden Bemerkungen verweisen darauf, dass bei der Herabsetzung der Arbeitszeit von der gesetzlichen oder in einem Kollektivvertrag festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit oder von der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit auszugehen ist, für das Ausmaß der Herabsetzung der Arbeitszeit jedoch keine zwingenden Vorgaben im Hinblick auf möglichst flexible, auf die Interessen von Arbeitnehmer bzw Arbeitnehmerin und Arbeitgeber bzw Arbeitgeberin abgestimmte Lösungen gemacht würden (RV 399 Blg XXII. GP S 3, 5 [zu § 15h MSchG]).
2. In der Rechtsprechung wurde bereits in der Entscheidung 8 ObA 15/12g zur Frage, ob es sich bei einer Teilzeitvereinbarung um eine Vereinbarung von Elternteilzeit im Sinn des Mutterschutzgesetzes handelt, ausgeführt, dass für die Auslegung der zugrunde liegenden Vereinbarung der objektive Erklärungswert der Willensäußerungen maßgebend ist. Der Zweck der Elternteilzeit besteht darin, der Dienstnehmerin ausreichend Zeit zur Kinderbetreuung zu gewähren. Dementsprechend ist nach der Rechtsprechung maßgebend, ob die Teilzeitarbeit von der Dienstnehmerin deshalb begehrt wird, weil eine Vollzeitbeschäftigung nicht die erforderliche Zeit für die Kleinkinderbetreuung zulassen würde, die gewünschte Teilzeit also der Betreuung des Kleinkindes dient. Kommt diese Zweckbestimmung der begehrten Teilzeitarbeit zum Ausdruck und sind die relevanten Umstände dem Dienstgeber daher bekannt, so ist bei der gebotenen objektiven Betrachtung grundsätzlich der Schluss zu ziehen, dass eine Vereinbarung über die Elternteilzeit im Sinn des Mutterschutzgesetzes zustande gekommen ist.
Dementsprechend führt etwa auch ein nur mündlich gestelltes Teilzeitbeschäftigungsbegehren einer Arbeitnehmerin nach dem Mutterschutzgesetz trotz des Schriftlichkeitsgebots des § 15j MuttSchG dennoch zum Kündigungsschutz, wenn sich der Arbeitgeber auf Verhandlungen über dieses Begehren einlässt, es letztlich zu einer Vereinbarung über die Teilzeit kommt und am objektiven Erklärungswillen, eine Teilzeitbeschäftigung nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zu vereinbaren, kein ernster Zweifel bestehen kann (RIS-Justiz RS0123841).
An diesen Grundsätzen wurde zuletzt auch in der Entscheidung 9 ObA 20/16f festgehalten.
3. Die Vertragsauslegung betrifft typisch den Einzelfall und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0042936; RS0042776). Das ist auch hier nicht der Fall.
Die Streitteile bezweifeln nicht, dass die Klägerin infolge der Geburt ihres zweiten Kindes erneut berechtigt war, mit der Beklagten eine Elternteilzeitvereinbarung iSd § 15i MSchG zu treffen. Hier betrug die wöchentliche Normalarbeitszeit der Klägerin ursprünglich 38 Stunden. Die der Geburt ihres ersten Kindes folgende Arbeitszeitreduktion erfolgte deshalb, um der Klägerin die Kinderbetreuung zu ermöglichen. Auch die Vereinbarung der zweiten Teilzeitarbeit verfolgte dieses von der Rechtsprechung näher ausgeführte Ziel, was auch der Beklagten bekannt und bewusst war. Davon ausgehend ist aber die Beurteilung der Vorinstanzen, dass es sich bei der zweiten Teilzeitvereinbarung um eine solche iSd § 15i MSchG handelte, nicht weiter korrekturbedürftig. Dem Umstand, dass das Ausmaß der Arbeitszeit der Klägerin bereits vor der zweiten Teilzeitbeschäftigung wöchentlich 24 Stunden betrug, maßen die Vorinstanzen hier zurecht keine ausschlaggebende Bedeutung bei, weil auch die zweite Vereinbarung nur der Ermöglichung einer kinderbetreuungsbedingten Teilzeitbeschäftigung – gleich, ob diese zur Gänze oder nur zum Teil dem MSchG unterlag – diente, ohne dass dadurch das Ausmaß der eigentlichen Normalarbeitszeit der Klägerin (38 Stunden-Woche) in Frage gestellt worden wäre.
4. Daneben kann dahin gestellt bleiben, ob sich die vereinbarte Lage der neuen Teilzeitarbeit so weit von der vorangegangenen unterschied, dass von einer „Änderung“ der Lage der Arbeitszeit iSd § 15p MSchG auszugehen wäre.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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