OGH 8ObA15/12g

OGH8ObA15/12g28.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M* F*, gegen die beklagte Partei I* GmbH, *, vertreten durch Dr. Christian Widl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.720,06 EUR brutto sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 10.220,06 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. November 2011, GZ 9 Ra 141/11p‑18, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:E100449

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behaupteten Verfahrensmängel und Aktenwidrigkeiten liegen - wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat - nicht vor. Soweit die angeblichen Verfahrensmängel schon Gegenstand der Berufung waren und vom Berufungsgericht ausgehend von einer richtigen Rechtsansicht nicht als solche erkannt wurden, können sie nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RIS‑Justiz RS0042963). Entgegen den Ausführungen in der außerordentlichen Revision sind auch keine relevanten sekundären Feststellungsmängel gegeben.

2.1 Die Vorinstanzen haben die Frage, ob das Teilzeitarbeitsverhältnis der Klägerin ab 15. 5. 2010 dem Kündigungsschutz des § 15n MSchG unterliegt, zutreffend bejaht. Auch in dieser Hinsicht wird von der Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

Gemäß § 15h Abs 1 MSchG hat die Dienstnehmerin einen Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung längstens bis zum Ablauf des 7. Lebensjahres oder bis zu einem späteren Schuleintritt des Kindes, wenn das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung ununterbrochen drei Jahre gedauert hat und die Dienstnehmerin zu diesem Zeitpunkt in einem Betrieb mit mehr als 20 Dienstnehmern beschäftigt ist. Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeitbeschäftigung sind mit dem Dienstgeber zu vereinbaren, wobei die betrieblichen Interessen und die Interessen der Dienstnehmerin zu berücksichtigen sind.

Neben diesem „großen Anspruch“ kennt das Mutterschutzgesetz auch noch die (formfrei) vereinbarte Teilzeitbeschäftigung nach § 15i MSchG („kleiner Anspruch“), wenn die Dienstnehmerin entweder noch keine drei Dienstjahre zurückgelegt hat oder im Betrieb nicht mehr als 20 Dienstnehmer beschäftigt sind (9 ObA 80/10w; vgl auch 9 ObA 80/07s).

2.2 Im Anlassfall ist unstrittig, dass eine Vereinbarung über eine Teilzeitbeschäftigung im Anschluss an die freiwillige Karenzierung zustande gekommen ist. Fraglich ist nur, ob es sich um eine Vereinbarung von Elternteilzeit im Sinn des Mutterschutzgesetzes handelt. Eine solche Elternteilzeit, die - wie noch gezeigt wird - zu einem Kündigungsschutz führt, kann entweder nach § 15h MSchG (mit Rechtsanspruch), oder aber nach § 15i MSchG begründet werden. Die von der Beklagten in der außerordentlichen Revision aufgeworfenen Fragen, ob ein Rechtsanspruch nach § 15h MSchG bestanden hat, konkret ob die Filiale der Klägerin als eigenständiger Betrieb zu qualifizieren ist bzw wie viele Dienstnehmer der relevante Betrieb umfasste, und ob das Dienstverhältnis durch die freiwillige Karenzierung unterbrochen wurde, bleiben daher ohne Bedeutung.

Die Beklagte führt richtig aus, dass für die Auslegung der zugrunde liegenden Vereinbarung der objektive Erklärungswert der Willensäußerungen maßgebend ist (RIS‑Justiz RS0028642). Der Zweck der Elternteilzeit besteht darin, der Dienstnehmerin ausreichende Zeit zur Kinderbetreuung zu gewähren. Dementsprechend ist nach der Rechtsprechung maßgebend, ob die Teilzeitarbeit von der Dienstnehmerin deshalb begehrt wird, weil eine Vollzeitbeschäftigung nicht die erforderliche Zeit für die Kleinkindbetreuung zulassen würde, die gewünschte Teilzeit also der Betreuung des Kleinkindes dient (vgl 9 ObA 80/10w). Kommt diese Zweckbestimmung der begehrten Teilzeitarbeit zum Ausdruck und sind die relevanten Umstände dem Dienstgeber daher bekannt, so ist bei der gebotenen objektiven Betrachtung grundsätzlich der Schluss zu ziehen, dass eine Vereinbarung über Elternteilzeit im Sinn des Mutterschutzgesetzes zustande gekommen ist (vgl RIS‑Justiz RS0017751).

2.3 Die Vertragsauslegung betrifft typisch den Einzelfall und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0042936; RS0042776). In dem von den Vorinstanzen erzielten Ergebnis, dass im Anlassfall eine Vereinbarung über eine Elternteilzeit im Sinn des Mutterschutzgesetzes getroffen worden sei, kann eine unvertretbare Beurteilung nicht erblickt werden.

Das Berufungsgericht hat zum Vorliegen einer Vereinbarung über Elternteilzeit, wenn auch nur subsidiär („im Übrigen“), auch auf die von ihm gebilligten rechtlichen Überlegungen des Erstgerichts verwiesen. Der von der Beklagten monierten Aktenwidrigkeit zur Ansicht des Berufungsgerichts, sie habe eine Vereinbarung über Elternteilzeit in der Berufung nicht mehr in Frage gestellt, kommt daher keine Relevanz zu.

2.4 Auch zur Frage des „schriftlichen Verlangens“ von Elternteilzeit zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf. Nach der Rechtsprechung ist eine Schriftlichkeit dann nicht erforderlich, wenn sich der Dienstgeber auf ein mündliches Verlangen einlässt und mit der Dienstnehmerin zu einer Vereinbarung auf Elternteilzeit im Sinn des Mutterschutzgesetzes gelangt (RIS‑Justiz RS0123841). In der Entscheidung 9 ObA 80/07s wurde darauf hingewiesen, dass eine Teilzeitbeschäftigung nach § 15i MSchG formfrei zustande kommen könne.

3. Liegt Elternteilzeit nach § 15h oder § 15i MSchG vor, so hat die Dienstnehmerin nach § 15n Abs 1 MSchG Kündigungs- und Entlassungsschutz gemäß den §§ 10 und 12 MSchG, der grundsätzlich mit der Bekanntgabe, frühestens jedoch vier Monate vor dem beabsichtigten Antritt der Teilzeitbeschäftigung beginnt und bis vier Wochen nach dem Ende der Teilzeitbeschäftigung, längstens jedoch bis vier Wochen nach dem Ablauf des 4. Lebensjahres des Kindes dauert (9 ObA 80/07s).

Das Berufungsgericht hat frei von Rechtsirrtum erkannt, dass der Kündigungsschutz zwingend ist, dieser also durch eine vertragliche Regelung im Vorhinein nicht wirksam ausgeschlossen werden kann. Die Dienstnehmerin kann erst nach einer Auflösungserklärung des Dienstgebers von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, die unwirksame Kündigung bzw Entlassung gegen sich wirken zu lassen und die Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 1162b ABGB bzw § 29 AngG geltend zu machen (Ercher/Stech/Langer, MSchG und VKG § 10 MSchG Rz 99 und § 12 MSchG Rz 80 und 81). Aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung 8 ObA 2/09s folgt lediglich, dass der gesetzliche Kündigungsschutz nur für die Inanspruchnahme einer gesetzlichen Karenz gilt und nicht während des Zeitraums einer vereinbarten Karenzierung besteht. Auch darin wird aber ausdrücklich festgehalten, dass es mit dem Antritt einer Teilzeitbeschäftigung nach dem Mutterschutzgesetz zu einer Ausdehnung des gesetzlichen Kündigungs‑ und Entlassungsschutzes kommt.

Das dargestellte Ergebnis führt dazu, dass der Kündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes zugunsten der Klägerin zutreffend bejaht wurde.

4. Zur angeblichen Vereitelung eines anrechnungspflichtigen Erwerbs hat das Berufungsgericht den von der Beklagten in der Berufung geltend gemachten Verfahrensmangel unter Hinweis auf die Behauptungs‑ und Beweislast (RIS‑Justiz RS0021543 [T2] und RS0028309 [T1]) verneint. Dazu führte es aus, dass die Beklagte hinreichend substanziiert hätte vortragen müssen, dass die Klägerin eine sich ihr konkret bietende, zumutbare Verdienstmöglichkeit ausgeschlagen habe.

Auch die Frage, ob im Hinblick auf die Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, betrifft regelmäßig den Einzelfall (RIS‑Justiz RS0042828). Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte das Ausschlagen einer relevanten Verdienstmöglichkeit durch die Klägerin nicht ausreichend substanziiert aufgezeigt habe, ist auch im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten in der Tagsatzung vom 4. 7. 2011 keineswegs unvertretbar. Bei seiner Beurteilung ist das Berufungsgericht damit nicht von einer aktenwidrigen Grundlage ausgegangen.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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