European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00151.16W.0228.000
Spruch:
Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil zu lauten hat:
Das Begehren der klagenden Partei, „zwischen den Streitteilen wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger einen Ruhegenuss gemäß § 19 Abs 1 der Betriebsvereinbarung vom 18. 9. 1978 zu zahlen hat, ausgehend von der für Ruhegenüsse der Beamten des Landes Oberösterreich zum Zeitpunkt des Abschlusses bzw. Inkrafttretens dieser Betriebsvereinbarung vom 18. 9. 1978 geltenden Regelung, wobei die Grundlage für die Errechnung des ruhegenussfähigen Monatsbezuges das nach § 18 Abs 8 BV errechnete Monatsgehalt zuzüglich aller mit Pensionswirkung ausgestatteten Zulagen darstellt“,
wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.976,56 EUR (darin 4,20 EUR Barauslagen, 662,76 EUR USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen.
Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.205,32 EUR (darin 139,10 EUR Barauslagen, 344,72 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.693,86 EUR (darin 206,10 EUR Barauslagen, 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Beklagten von 16. 8. 1968 bis 31. 7. 2013 beschäftigt. Strittig ist die Berechnung seiner ihm seit 1. 8. 2014 (Ende des Abfertigungszeitraums) zustehenden Firmenpension, die auf folgenden Bestimmungen der Betriebsvereinbarung vom 18. 9. 1978 beruht:
„§ 18. Versetzung in den Ruhestand
(1a) Vollzeitbeschäftigte Dienstnehmer im unkündbaren Dienstverhältnis werden spätestens mit Ablauf des Jahres, in dem sie das gesetzlich festgelegte Alter für die 'vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer' erreicht haben, in den dauernden Ruhestand versetzt. …
§ 19. Ruhe‑ und Versorgungsgenüsse
(1) Den Angestellten in unkündbarem Dienstverhältnis gebühren bei Versetzung in den Ruhestand Ruhegenüsse und ihren Hinterbliebenen Versorgungsgenüsse gleich einem Beamten des Landes Oberösterreich. Die Grundlage für die Errechnung des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bildet das nach § 18 (8) BV errechnete Monatsgehalt zuzüglich aller mit Pensionswirkung ausgestatteten Zulagen.
(2) Die Pension beträgt derzeit nach 15 Dienstjahren 60 % der Ruhegenussbemessungsgrundlage (dies sind 80 % des ruhegenussfähigen Monatsbezuges) und steigt in den folgenden Dienstjahren jährlich um 2 %. Damit wird nach 35 Dienstjahren und Erreichung des Pensionsalters die volle Höhe der Ruhegenussbemessungsgrundlage erreicht.
(…)
(5) Errechnung der gesetzlichen Pension
a) Leistungen aus der Pensionsversicherung nach ASVG werden in die laufenden Pensionsansprüche gegen die Bank nach Maßgabe der Bestimmungen nach § 56 Abs 3 KV eingerechnet.
(…)
(6) Die Bank zahlt lediglich den Unterschiedsbetrag zwischen dem von ihr zugesicherten Ruhe- und Versorgungsgenuss und der anrechenbaren gesetzlichen Pension (im Sinne vorstehender Regelung), die dem Versorgungsberechtigten gebührt oder gebühren würde, wenn er die Versicherung ordnungsgemäß durchgeführt oder gemäß § 21 BV fortgesetzt und den Anfall der gesetzlichen Leistung geltend gemacht hätte.
(7) …“
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ihm die Beklagte einen Ruhegenuss gemäß § 19 Abs 1 der Betriebsvereinbarung vom 18. 9. 1978, ausgehend von der für Ruhegenüsse der Beamten des Landes Oberösterreich zum Zeitpunkt des Abschlusses bzw des Inkrafttretens dieser Betriebsvereinbarung vom 18. 9. 1978 geltenden Regelung zu zahlen habe. Zu der niedrigeren Errechnung des Pensionsanspruchs durch die Beklagte komme es, weil sie die seit Abschluss der Betriebsvereinbarung eingetretenen Verschlechterungen der Pensionsansprüche von Landesbeamten (Berücksichtigung eines Durchrechnungs-zeitraums, Abschlag für vorzeitigen Pensionsantritt) berücksichtige. Es sei aber von einer statischen Verweisung der Betriebsvereinbarung auf das Pensionsrecht für Landesbeamte auszugehen. Eine dynamische Verweisung sei unzulässig und würde auch dem Bestimmtheitsgebot widersprechen.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass die Betriebsvereinbarung eine zulässige dynamische Verweisung auf die Rechtsnormen des OÖ L‑PG enthalte. Die Voraussetzungen für den Ruhegenuss würden nicht durch das OÖ L‑PG bestimmt, es werde lediglich auf eine im zusätzlichen Sachverhaltsbereich zu berücksichtigende Rechengröße verwiesen. Dies sei zulässig und entspreche auch dem Zweck der Betriebsvereinbarung der Gleichstellung der Bediensteten mit den Beamten des Landes Oberösterreich zum Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand. Berechnet nach dem für Beamte des Landes Oberösterreich geltenden Recht sei die Firmenpension des Klägers nicht höher als seine ASVG‑Pension.
Das Erst‑ und das Berufungsgericht folgten dem Klagsstandpunkt und gaben dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Klärung der Frage zu, ob der Verweis in einer betriebsverfassungsrechtlichen Norm auf die für Beamte des Landes geltenden Pensionsregelungen als bloßer Verweis auf bestimmte Rechengrößen zur Pensionsberechnung oder als unzulässige dynamische Verweisung zu verstehen sei.
In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
1. Nicht weiter zweifelhaft ist, dass sich § 19 der Betriebsvereinbarung nach seinem Wortlaut und der Absicht der Normsetzer auf das jeweils aktuelle Pensionsrecht für oö Landesbeamte bezieht (arg § 19 Abs 2 BV: „derzeit“). Fraglich ist aber, ob darin ein unzulässiger dynamischer Verweis mit der Folge zu sehen ist, dass die Bestimmung im Sinn des Klagsstandpunkts als statischer Verweis (vgl VwSlg 13.226 A/1990; Reissner in ZellKomm2 ArbVG § 2 Rz 62) zu verstehen wäre.
2. Nach der Rechtsprechung ist die Delegation der den Kollektivvertragsparteien durch das ArbVG übertragenen Rechtssetzungsbefugnis an von ihnen verschiedene Rechtssubjekte im Wege der dynamischen Verweisung unzulässig (RIS‑Justiz RS0050859; RS0050838), da dadurch die inhaltliche Bestimmung des Kollektivvertrags den Abschlussparteien entzogen wird und eine derartige Übertragung der Normsetzungsbefugnisse im ArbVG nicht vorgesehen ist (Reissner in ZellKomm2 ArbVG § 2 Rz 62 mwN; s auch Strasser, Dynamische Verweisungen in Kollektivverträgen, FS Floretta [1983] 627, 630 f). Die Unzulässigkeit dynamischer Verweisungen gilt auch für Betriebsvereinbarungen (RIS‑Justiz RS0050859 [T2]).
3. Eine unzulässige dynamische Verweisung liegt vor, wenn der Inhalt eines Regelungskomplexes eines anderen Normgebers oder eines Teils hiervon durch bloßes Zitat zum Vollzugsinhalt der eigenen Regelung gemacht werden soll. Regelt der Kollektivvertrag dagegen Voraussetzungen und Berechnungsweise der Zuschusspension eigenständig und verweist nur hinsichtlich einer Rechengröße auf gesetzliche Bestimmungen über die Pensionshöhe beziehungsweise deren Valorisierung, wird die zum Tatbestandselement erhobene Norm eines anderen Gesetzgebers nicht im verfassungsrechtlichen Sinn vollzogen, sondern lediglich ihre inhaltliche Beurteilung dem Vollzug der eigenen Norm zugrunde gelegt (RIS‑Justiz RS0050859 [T10] = 8 ObA 76/03i). Denn keinem Normgeber ist es verwehrt, an die von einer anderen Rechtssetzungsautorität geschaffene Rechtslage anzuknüpfen und sie zum Tatbestandselement seiner eigenen Regelung zu machen und die fremde Rechtsvorschrift, deren Vollzug einer anderen Autorität überlassen ist, einer vorläufigen und daher der Beurteilung einer Vorfrage gleichkommenden Betrachtungsweise zu unterziehen (9 ObA 108/01z). Maßgeblich ist somit, ob die Norm, auf die verwiesen wird, nur Tatbestandselement der eigenen Regelung wird, ohne dass die Norm selbst vollzogen wird (9 ObA 108/01z [Übergangsversorgung]; 9 ObA 128/12g [Bezugnahme auf anderen Kollektivvertrag]), oder ob ihre inhaltliche Geltung angeordnet wird.
4. Im vorliegenden Fall ordnet § 19 Abs 1 der Betriebsvereinbarung nach seinem Wortlaut an, dass den Angestellten bei Versetzung in den Ruhestand Ruhegenüsse und ihren Hinterbliebenen Versorgungsgenüsse gleich einem Beamten des Landes Oberösterreich gebühren. Der– wenngleich undifferenzierte – Verweis auf das oberösterreichische Beamten-Landesrecht bedeutet hier dennoch nicht, dass sich die Parteien der Betriebsvereinbarung in unzulässiger Weise ihrer Normsetzungsbefugnis begeben hätten. Wie aus § 19 Abs 5 und 6 der Betriebsvereinbarung ersichtlich, geht es – nicht anders als in dem der Entscheidung 8 ObA 76/03i zugrunde gelegenen Fall – darum, dass die Beklagte ihren Angestellten eine Gesamtversorgungsleistung wie einem (Landes‑)Beamten sichern will, wofür im Ergebnis die Gewährung eines Pensionszuschusses zur ASVG‑Pension zugesagt wird (§ 19 Abs 6: „Unterschiedsbetrag“). Dafür ist aber zwangläufig die Ermittlung der Landesbeamtenpension als rechnerischer Vergleichsmaßstab („Vergleichspension“) erforderlich.
Eine vergleichbare Konstellation lag der Entscheidung 8 ObA 76/03i zugrunde, in der zu beurteilen war, ob bei der Gewährung des zugesagten Pensionszuschusses bis zur Höhe einer „Beamten“pension (ÖBB) auch eine spätere gesetzliche (Einmal‑)Erhöhung der ASVG‑Pension (Wertausgleich, § 299a ASVG) zu berücksichtigen und der Pensionszuschuss entsprechend zu kürzen war. Dabei stellte jener Kollektivvertrag für die Ermittlung der Vergleichspension „auf die zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung geltenden Bestimmungen“ der BPO (Bundesbahnpensionsordnung 1966) ab. Aus jener Entscheidung geht nicht nur hervor, dass der gesetzliche Wertausgleich bei der Ermittlung der ASVG‑Pension Berücksichtigung zu finden hatte, sondern auch, dass die Vergleichspension angesichts der kollektivvertraglichen Regelung der Voraussetzungen und der Berechnungsweise der Zuschusspension (nur) als Rechengröße anzusehen war. Da damit lediglich die zum Tatbestandselement erhobene Norm eines anderen Gesetzgebers dem Vollzug der eigenen Norm zugrunde gelegt wurde, bestanden dagegen keine Bedenken (so bereits – zur kollektivvertraglichen Anknüpfung an das jeweilige gesetzliche Pensionsanfallsalter – 9 ObA 108/01z). Der Wertausgleich war daher auch bei der Valorisierung der Vergleichspension zu berücksichtigen.
Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten, weil es auch hier nicht darum geht, die gesetzlichen Normen zur oö Landesbeamtenpension im verfassungsrechtlichen Sinn zu vollziehen, sondern darum, eine „Vergleichspension“ als rechnerischen Bezugspunkt für die Ermittlung des von der Beklagten zu leistenden Pensionszuschusses zur ASVG‑Pension eines Angestellten festzulegen.
Zusammenfassend enthält § 19 der Betriebsvereinbarung entgegen dem Klagsvorbringen hier keine unzulässige dynamische Verweisung, sodass das Klagebegehren nicht berechtigt ist.
Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren auf den §§ 41, 50 ZPO.
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