European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00019.17P.0227.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Der Antrag des Vaters auf Zuspruch von Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen (§ 107 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurswerberin (Mutter) begründet die Zulässigkeit des Revisionsrekurses damit, es bestehe keine Rechtsprechung zur Frage, inwieweit einer zwischen den Eltern getroffenen Vereinbarung der Vorrang vor einer gerichtlichen Obsorgeregelung gebühre.
Dies ist unzutreffend: Nach § 180 Abs 3 ABGB kann die Obsorge neu geregelt werden, wenn sich seit der gerichtlichen Festlegung die Verhältnisse maßgeblich geändert haben. Dies gilt – im Gegensatz zum Wortlaut des § 180 Abs 3 ABGB – naturgemäß nicht nur für die Abänderung einer durch gerichtliche Entscheidung herbeigeführten Regelung, sondern auch für Vereinbarungen zwischen den Eltern (Hopf in KBB4 § 180 ABGB Rz 15; Weitzenböck in Schwimann/Kodek,Band 1a [KindnamRÄG 2013] § 180 ABGB Rz 44; Beck, Obsorgezuweisung neu, in Gitschthaler [Hrsg], Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 [2013] 175 [191]). Dementsprechend lässt auch der Oberste Gerichtshof, selbst wenn die Eltern die gemeinsame Obsorge vereinbart haben, bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse einen Antrag auf Neuregelung der Obsorge zu (RIS-Justiz RS0128809).
Im gegenständlichen Fall ist die durch die Mutter selbst beabsichtigte Verlegung des Wohnsitzes des Kindes an einen anderen mehr als 600 km entfernten Ort im Inland eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die trotz der vorherigen Vereinbarung der Eltern eine Neuregelung der Obsorge rechtfertigt. Dass nur eine Übersiedlung mit dem Kind ins Ausland eine maßgebliche Änderung der Verhältnisse im Sinn des § 180 Abs 3 ABGB darstellen kann – wie dies der Mutter offenbar vorschwebt – , lässt sich weder dem Gesetz noch der vom Rekursgericht und der Rechtsmittelwerberin zitierten Rechtsprechung (9 Ob 8/14p; 2 Ob 153/14k) entnehmen.
Die Mutter begründet die Zulässigkeit des Revisionsrekurses schließlich damit, dass die Reduktion des Kontaktrechts von zuvor 18 auf nunmehr 9 Tage „unverhältnismäßig“ sei, weil der Eingriff in ihr Privatleben außer Verhältnis zur intendierten Förderung des Kindeswohls stehe und außerdem die Einhaltung des verpflichtenden Kindergartenjahrs nicht gewährleistet sei.
Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Kontaktrecht eingeräumt werden soll, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig; es kann ihr deshalb keine Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt werden (RIS-Justiz RS0087024; RS0097114). Der Grundsatz der Bedachtnahme auf das Kindeswohl ist der oberste Grundsatz jeder Kontaktregelung (RIS-Justiz RS0048056). Das Recht der Mutter auf persönlichen Kontakt hat im Konfliktfall deshalb gegenüber dem Wohl des Kindes zurückzustehen (RIS-Justiz RS0048068). Wenn die Vorinstanzen die Reduktion jener Zeiten, die das Kind bei der Mutter verbringt, damit begründen, dass das Kind gerade in den schwierigen Zeiten des Umbruchs Stabilität, Sicherheit und Halt benötige und deshalb die überwiegende Zeit in seinem gewohnten sozialen Umfeld im Kindergarten in Wien verbringen solle, so handelt es sich um keine Fehlbeurteilung, die im Rahmen des Revisionsrekurses aufzugreifen wäre.
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