European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00240.16I.0222.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ein Veranlagungsprodukt, das die Klägerin als Pensionsvorsorge erwarb, nachdem es ihr – über Vermittlung ihres als Finanzberater tätigen Ehemanns – im Jahr 2006 vom für eine GmbH tätigen Berater angeboten worden war.
Das Anlagemodell besteht aus mehreren Komponenten: Es sieht vor, dass der Anleger vergleichsweise geringe Eigenmittel aufwendet und einen endfälligen Fremdwährungskredit aufnimmt. Dieser dient der Finanzierung von Einmalerlägen bei zwei Lebensversicherern. Ein Teil wird als „Zinsdepot“ in Wertpapiere investiert. Regelmäßige monatliche Auszahlungen aus einem der Tilgungsträger sollen während der Kreditlaufzeit zur Zahlung von Kreditzinsen und Kreditspesen sowie zur Investition in einen Wertpapierplan verwendet werden. Am Ende der Laufzeit sollte mit den Erlösen aus den Lebensversicherungen und aus den Wertpapieren nicht nur der Kredit zurückgezahlt werden, sondern sich darüber hinaus ein hoher Gewinn für den Anleger ergeben.
Die Geschäftsbeziehung zwischen den Streitteilen beschränkte sich auf die mit dem Anlagemodell zusammenhängenden Konten und Kredite. Die Beklagte gewährte der Klägerin im Mai 2006 einen einmal ausnutzbaren endfälligen Fremdwährungskredit in CHF im Gegenwert von 266.250 EUR. Das eröffnete Wertpapierdepot und die beiden Lebensversicherungen dienten als Kreditsicherheiten.
Die Klägerin begehrt mit ihrer am 28. Jänner 2015 eingebrachten Klage die Feststellung, dass die Beklagte für jeden Schaden hafte, welcher der Klägerin aus der Aufnahme des endfälligen Kredits in fremder Währung (CHF) in Verbindung mit den beiden abgeschlossenen Lebensversicherungen entstehe.
Das Berufungsgericht bestätigte das klageabweisende Ersturteil.
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
1. Die als erheblich bezeichnete und im Rechtsmittel ausführlich erörterte Rechtsfrage, ob § 27 KSchG (analog) auf Fremdwährungskredite anzuwenden ist (für möglich erachtend Klauser, Praktische Durchsetzung von Verbraucheransprüchen aus Fremdwährungskrediten, in Leupold, Forum Verbraucherrecht 2015, 103 [141]; Kolba in Kosesnik‑Wehrle, KSchG4 § 27 Rz 5a; verneinend Graf, Warum § 27 KSchG auf Fremdwährungskredite keine Anwendung findet, ÖBA 2016, 497), stellt sich hier nicht:
1.1 Die Klägerin stützte ihr Klagebegehren auf eine schadenersatzrechtliche Haftung der Beklagten wegen eines behaupteten Beratungsfehlers, wobei sie aus näher bezeichneten Gründen das Verhalten des Mitarbeiters der GmbH als der Beklagten zurechenbar ansieht.
1.2 Ein Vertragsrücktritt des Verbrauchers nach § 27 KSchG führt zu einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung. § 4 KSchG gilt gemäß § 27 Satz 2 KSchG sinngemäß.
1.3 Nun sieht zwar § 4 Abs 3 KSchG vor, dass beiden Parteien neben der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung auch Schadenersatzansprüche zustehen können.
Allerdings hat die Klägerin trotz Erörterung durch die Erstrichterin (S 7 in ON 17), dass nicht erkennbar sei, inwieweit ein Rücktrittsrecht zu einem Klagebegehren „passe“, das auf Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus der Aufnahme des endfälligen Kredits in Verbindung mit den Lebensversicherungen gerichtet ist, und trotz des ausdrücklichen Einwands der Beklagten, das Klagebegehren sei bezogen auf § 27 KSchG unschlüssig, nur vorgebracht, dass die Beklagte für den Schaden der Klägerin hafte, wobei ein allfälliges Guthaben aus diesem Wertpapierdepot als schadensmindernd zu berücksichtigen sei.
Die Klägerin hat also trotz Erörterung der Fassung ihres Klagebegehrens nicht einmal ansatzweise behauptet, dass ihr Schäden entstehen könnten, die durch eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nicht abgedeckt sind. Auch in ihrer außerordentlichen Revision nimmt sie mit ihrem Vorbringen zu § 27 KSchG ausschließlich darauf Bezug, dass ein berechtigter Rücktritt gemäß § 4 KSchG zu einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung führen würde. Genau darauf ist aber das Klagebegehren der Klägerin nicht gerichtet.
2. Das Berufungsgericht hat die Verjährungsfrage im Einklang mit den Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung beurteilt.
2.1 Die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich mit Kenntnis des Primärschadens, auch wenn der Geschädigte die Höhe des Schadens noch nicht beziffern kann und ihm nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese noch nicht zur Gänze eingetreten sind, sodass nur eine Feststellungsklage möglich ist (RIS‑Justiz RS0097976).
2.2 Wird eine (weitgehend) risikolose Veranlagung gewünscht, ist der maßgebliche Zeitpunkt jener Moment, zu dem sich herausstellt, dass die Veranlagung– entgegen den Annahmen des Geschädigten – tatsächlich risikobehaftet ist und daher die gewünschten Eigenschaften nicht erfüllt (RIS‑Justiz RS0022537 [insb T24]). Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn dem Geschädigten erstmalig Kursverluste erkennbar sind, da ihm in diesem Zusammenhang klar sein muss, dass keine Wertstabilität gegeben ist, sondern Kursschwankungen (auch nach unten) möglich sind und das Investment die Gefahr eines Kapitalverlustes in sich birgt (RIS‑Justiz RS0087615 [T2]).
2.3 Zur Frage des Beginns der Verjährungsfrist bei Beratungsfehlern in Bezug auf Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzepte, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit verschiedenen Tilgungsträgern vorsehen, hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach Stellung genommen (7 Ob 56/15h; 5 Ob 177/15p; 6 Ob 153/15s ÖBA 2016/2268 [ Madl ] = EvBl 2016/87 [ Liebel ] je mwN). Bei derartigen Modellen ist demnach entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass das Gesamtkonzept den Zusagen nicht entsprochen hat.
2.4 Hier steht fest, dass der zuständige Kundenbetreuer der Beklagten die Klägerin, die von Anfang an über das Wechselkursrisiko und das Risiko informiert war, keine Mittel für eine Zusatzpension erwirtschaften zu können, im Frühjahr des Jahres 2010 auf das mögliche Risiko eines weiteren Sinkens der Ablaufleistung der Tilgungsträger mit der Konsequenz einer Unterdeckung hinwies, weil der Wert der Tilgungsträger aufgrund der Finanzkrise gefallen, der CHF‑Kurs aber gestiegen sei. Eine Kreditkonvertierung lehnte die Klägerin ab. Im September 2010 informierte die Beklagte die Klägerin über eine weitere Erhöhung des aushaftenden Kreditbetrags von ursprünglich 266.250 EUR auf 321.763,79 EUR. Zu diesem Zeitpunkt bestand bereits eine Unterdeckung.
2.5 Die auf diesen Feststellungen beruhende Beurteilung, die Klägerin sei spätestens Ende des Jahres 2011 über das Gesamtkonzept und sämtliche mit dem Anlageprodukt verbundenen Risken informiert gewesen, bekämpft die Revision in Wahrheit ausschließlich mit sachverhaltsfremden Argumenten bzw mit der unzulässigen Rüge behaupteter erstinstanzlicher Verfahrensmängel: Nach den Feststellungen beschwichtigte der Kundenbetreuer die Klägerin gerade nicht. Er gab ihr auch nicht zu verstehen, dass sich der Finanzmarkt bis zum Ende der Laufzeit des Kredits wieder erholen würde. Gerade das Risiko des konkreten Modells, das darin liegt, dass die Ablaufleistungen der Tilungsträger möglicherweise nicht zur Kredittilgung ausreichen und die Klägerin Zuzahlungen leisten muss, war ihr bekannt.
2.6 Warum die Klägerin keine Kenntnis von Schädiger bzw Kausalzusammenhang gehabt haben soll, ist nicht nachvollziehbar und wird auch in der Revision nicht näher dargestellt.
3. Im vorliegenden Fall ist ausschließlich die Verjährung von aktiv geltend gemachten, der Feststellungsklage zugrundeliegenden Schadenersatz-ansprüchen zu beurteilen. Ob sich diese verjährungsrechtliche Beurteilung ändert, wenn Ansprüche des geschädigten Anlegers einredeweise gegen eine Klage der Bank erhoben werden (vgl dazu Kodek, Verjährung von Schadenersatzansprüchen bei Fremdwährungskrediten – ein Denkanstoß, in Leupold, Forum Verbraucherrecht 2015, 71 [90 ff] mwN), ist hier nicht zu untersuchen.
4. Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, ohne dass geprüft werden muss, ob der beratende Mitarbeiter der GmbH der beklagten Bank überhaupt zurechenbar ist.
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