European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00133.16X.0215.000
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. Oktober 2014 wurde Renata P***** von der gegen sie wegen des Verdachts der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (ON 1169).
Mit Eingabe vom 11. März 2015 beantragte die Genannte den Ersatz ihrer Verteidigungskosten samt Barauslagen sowie ihren Verdienstentgang in der Höhe von insgesamt 447.311,28 Euro.
Das Erstgericht sprach der Antragstellerin mit Beschluss vom 25. März 2015 einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung in Höhe von 5.000 Euro sowie einen Ersatz von Barauslagen in Höhe von 110 Euro zu und wies das Mehrbegehren unter Hinweis auf den in § 393a Abs 1 Z 2 StPO genannten gesetzlichen Höchstbeitrag ab. Einer Anregung der Antragstellerin zu einem Vorgehen gemäß Art 89 Abs 2 B‑VG war das Erstgericht nicht gefolgt (ON 1176).
Gegen diesen Beschluss erhob die Antragstellerin Beschwerde an das Oberlandesgericht Graz, wobei sie neuerlich eine Vorlage an den Verfassungsgerichtshof nach Art 89 Abs 2 B‑VG anregte.
Gleichzeitig brachte sie einen Parteiantrag auf Normenkontrolle gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG beim Verfassungsgerichtshof ein, in welchem sie die Aufhebung der Wortfolge „der Verteidigung“ in § 393a Abs 1 erster Satz StPO idF BGBl I 2014/71 sowie des vierten Satzes der genannten Bestimmung in eventu nur des § 393a Abs 1 vierter Satz StPO beantragte.
Mit Entscheidung vom 9. Dezember 2015 wies der Verfassungsgerichtshof den Parteiantrag auf Normenkontrolle zurück (GZ G 177/2015-21).
Das Oberlandesgericht Graz gab mit Beschluss vom 23. Juni 2016 der Beschwerde der Antragstellerin nicht Folge (AZ 1 Bs 60/15f).
Gegen diese Entscheidung des Oberlandesgerichts richtet sich der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO per analogiam, in welchem ausgeführt wird, das Oberlandesgericht hätte es rechtsirrig verabsäumt, die Akten dem Verfassungsgerichtshof zur Normprüfung vorzulegen. Darin beantragt die Erneuerungswerberin auch, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof einen entsprechenden Antrag auf Gesetzesaufhebung stellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof sprach zu 12 Os 57/11s, SSt 2011/53, aus, dass nach der im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechtslage ein subjektives Recht bestanden habe, ihn wegen Unterlassung der Normanfechtung durch das Rechtsmittelgericht (Art 89 Abs 2 zweiter Satz B‑VG idF vor BGBl I 2013/114) anzurufen.
Mit der seit 1. Jänner 2015 geltenden Rechtslage (BGBl I 2013/114 iVm BGBl I 2014/92) hat der Gesetzgeber ein subjektives Recht auf Normanfechtung durch die Strafgerichte aber ausdrücklich verneint (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 597 und § 285j Rz 4–6): Durch Art 139 Abs 1 Z 4 B‑VG und Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG idF BGBl I 2013/114 hat nämlich der Verfassungsgesetzgeber festgelegt, in welchem Rahmen von einer gerichtlichen Entscheidung betroffenen Personen ein subjektives Recht auf diesbezügliche Normanfechtung zukommt. Zugleich hat er in Art 139 Abs 1a B‑VG und in Art 140 Abs 1a B‑VG den einfachen Gesetzgeber ermächtigt, dieses subjektive Recht auf Normanfechtung einzuschränken, soweit dies zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht erforderlich ist, was durch § 57a Abs 1 VfGG und § 62a Abs 1 VfGG idF BGBl I 2014/92 geschehen ist. Die Annahme eines subjektiven Rechts auf Normanfechtung durch die Strafgerichte würde somit dem Willen des Gesetzgebers widersprechen (RIS‑Justiz RS0130514).
Der bloß auf das Erwirken einer Antragstellung im Sinn des Art 89 Abs 2 B‑VG gerichtete Antrag war daher gemäß § 363b Abs 1 und 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung als unzulässig zurückzuweisen. Zu einem amtswegigen Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B‑VG sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)