OGH 11Os139/16z

OGH11Os139/16z14.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung der Gabriele W***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über deren Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 18. Oktober 2016, GZ 26 Hv 99/16m‑34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00139.16Z.0214.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gabriele W***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil sie am 14. Juni 2016 in L***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades, nämlich einer schizoaffektiven Störung mit immer wieder auftretenden manischen Episoden beruht,

1. die (US 4, 6, 8: für ihre Unterbringungssache zuständige und von ihr im Rahmen eines Amtstags aufgesuchte) Richterin des Bezirksgerichts L***** Mag. Sonja E*****, sohin eine Beamtin während (US 6: und wegen) der Vollziehung ihrer Aufgaben und Erfüllung ihrer Pflichten, durch Besprühen mit einem Pfefferspray am Körper zu verletzen versuchte,

2. dadurch, dass sie den Pfefferspray gegen den sich als Polizisten zu erkennen gebenden Anton En***** drohend erhob, sohin durch gefährliche Drohung einen Beamten an einer Amtshandlung, nämlich ihrer Anhaltung und Festnahme zu hindern versuchte,

3. durch die gegenüber Andreas H***** wiederholt getätigte Äußerung, dass Mag. Sonja E***** und Mag. Irene M*****, sohin Schutzbefohlene des genannten Polizisten, bluten werden, sie ihnen nach Verlassen der Psychiatrie die Zunge mit einem Messer herausschneiden werde und dass sie zu Hause ein Messser vorbereitet habe, diese gefährlich mit einer erheblichen Verstümmelung bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen,

sohin Taten beging, die als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (1.), des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (2.) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 StGB (3.) (jeweils) mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, Z 5a und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen.

Dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider sind die Feststellungen zum Tatgeschehen mängelfrei begründet. Nach den Urteilserwägungen sind die Tatrichter den für glaubwürdig befundenen Angaben der Zeugen (zu 1. US 8: gezielter Sprühstoß in Richtung des Gesichts der Richterin; zu 2. US 9: Erheben des Pfeffersprays in Richtung des Gesichts des Polizisten) gefolgt, soweit deren Schilderungen von den im Urteil berücksichtigten Depositionen der Betroffenen (US 9 f) abwichen, zumal kein Anlass für bewusst nachteilige Aussagen dieser Zeugen auszumachen war (US 10). Diese Ausführungen sind unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird kein iSd Z 5 (oder 5a) relevanter Fehler aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0117561, RS0102162).

Die Kritik (Z 5 vierter Fall) am Fehlen einer Begründung für die Urteilsannahme, den betroffenen Richterinnen sei die zu 3. inkriminierte Drohung (wie von der Betroffenen beabsichtigt; US 7, 10 f) auch zur Kenntnis gelangt (US 6), spricht keine für die gerichtliche Strafbarkeit der Anlasstat oder deren Subsumtion entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0117264, RS0099497; RS0093138, RS0122138). Mit der weiteren Behauptung, für eine solche Feststellung gebe es keinerlei Beweise, wird im Übrigen weder eine Mängelrüge noch eine Tatsachenrüge prozessförmig dargestellt (RIS‑Justiz RS0099431, RS0117446).

Durch den Verweis auf die Verantwortung der Betroffenen zu 1. gelingt es dem Rechtsmittel (Z 5a) auch nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (gezielter Sprühstoß in Richtung des Gesichts der Richterin; Verletzungsvorsatz) zu wecken.

Aus Z 9 lit a reklamiert die Beschwerde zu 1. absolute Untauglichkeit des Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB), weil die Betroffene nach den Urteilsfeststellungen den Pfefferspray (erst) betätigte, als die Richterin bereits ihre Hand unmittelbar vor dessen Düse gehalten hatte (US 4). Aus welchem Grund aber eine dem Tatbestand entsprechende Sachverhaltsverwirklichung bei generalisierender Betrachtung, also losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls, geradezu denkunmöglich gewesen sein sollte, sohin unter keinen Umständen hätte erwartet werden können (RIS-Justiz RS0115363), wird nicht erklärt. Im Übrigen wurde der Pfefferspraystrahl durch die erhobene Hand der Richterin bloß abgelenkt und blieb unklar, ob die konstatierte Reizung der Augen der Angegriffenen direkt auf den Sprühnebel oder bloß auf eine anschließende Gesichtswäsche mit der kontaminierten Hand zurückzuführen war (US 4, 8 f).

Zum weiteren Einwand (Z 9 lit a), die zu 3. inkriminierte Drohung sei „im Rahmen der eigentlichen Tat nicht vollendet worden“, legt die Rechtsrüge nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb dieser Umstand die gerichtliche Strafbarkeit der Anlasstat ausschließen und damit zur angestrebten Abweisung des Unterbringungsantrags zu 3. führen sollte (RIS‑Justiz RS0116565).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Stichworte