OGH 7Ob224/16s

OGH7Ob224/16s25.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** AG, *****, vertreten durch die Lippitsch.Neumann Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Univ.‑Prof. Dr. P***** K*****, vertreten durch Dr. Heimo Jilek und Dr. Martin Sommer, Rechtsanwälte in Leoben, wegen 40.220,27 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21. Oktober 2016, GZ 5 R 95/16d‑81, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00224.16S.0125.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der beklagte Sachverständige haftet für die Richtigkeit seines Gutachtens nach § 1299 ABGB. Durch diese Bestimmung wird der Sorgfaltsmaßstab auf den Leistungsstandard der jeweiligen Berufsgruppe erhöht (RIS‑Justiz RS0026541 [T5]; RS0026489 [T2]). Dabei geht es um den durchschnittlichen Fachmann des jeweiligen Gebiets, wobei der Sorgfaltsmaßstab nicht überspannt werden darf (RIS‑Justiz RS0026535). Maßstab ist nicht die spezifische individuelle Erfahrung eines Mitglieds einer bestimmten Untergruppe eines Berufszweigs, sondern das durchschnittliche in der Branche zu erwartende Wissen (RIS‑Justiz RS0026535 [T13]). Aufgrund des objektiven Verschuldensmaßstabs hat der Sachverständige für die typischen Fähigkeiten seines Berufsstands einzustehen (6 Ob 16/16w mwN = RIS‑Justiz RS0026489 [T6]). Ob dieser Sorgfaltsmaßstab im konkreten Fall eingehalten wurde, ist eine Einzelfrage und wirft daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (5 Ob 131/16z mwN; vgl RIS‑Justiz RS0026541 [T4]; RS0026535 [T8]).

2. Maßstab, an dem die Tauglichkeit und Richtigkeit des Gutachtens in Bezug auf die Frage der schadensverursachenden Haftung des Sachverständigen zu messen ist, ist der jeweilige Gutachtensauftrag (RIS‑Justiz RS0026524 [T6]). Die Frage, wie der Gutachtensauftrag (hier: der vom Mitarbeiter der Klägerin anlässlich eines Telefonats erteilte Auftrag, er benötige noch etwas zur „Mitwirkungspflicht“, und der Beklagte solle die Frage beantworten, ob ein „chronischer Alkoholismus“ sich auf die weitere Entwicklung des Gesundheitszustands des Versicherungsnehmers der Klägerin ausgewirkt habe) zu verstehen ist, insbesondere, ob dieser Auftrag auslegungsbedürftig und daher unklar geblieben ist, hängt wiederum von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und hat daher als Frage der Vertragsauslegung in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (5 Ob 131/16z mwN; vgl RIS‑Justiz RS0042936; RS0042776).

3. Das medizinische Ergänzungsgutachten des Beklagten, in dem er das gering‑ bis mäßiggradige organische Psychosyndrom als auch die Ataxie an den Beinen des Versicherungsnehmers der Klägerin als Dauerfolge wertete und nach den Richtlinien der AUVB zu einem Wert von 44 % vH gelangte, ist nicht fehlerhaft. Er verneinte (ebenso richtig) ein bereits vor dem Unfall beim Versicherungsnehmer bestehendes alkoholbedingtes Psychosyndrom.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass aufgrund der klaren Formulierung im Ergänzungsgutachten des Beklagten sowohl eine Stellungnahme zum Mitwirkungsgrad des Alkoholismus des Versicherungsnehmers als auch gesondert zu einem allfälligen Mitverschulden abgegeben wurde und die Klägerin bei subjektiven Zweifeln zur Rückfrage (im Sinn des § 1304 ABGB) verpflichtet gewesen wäre, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden.

4. Ob der natürliche Kausalzusammenhang zwischen (behaupteter) Schadensursache und eingetretenem Schadenserfolg gegeben ist, ist eine irreversible Tatsachenfeststellung (RIS‑Justiz RS0022582 [T7, T11, T12]; vgl RS0026360 [T15]). Nach den Feststellungen liegt in der Unterlassung der Durchführung der beauftragten testpsychologischen Untersuchung, die von der Klägerin nach der Übermittlung des Ergänzungsgutachtens des Beklagten nicht beanstandet wurde, kein fachlicher Fehler des Beklagten. Es steht auch nicht fest, dass sich das Risiko einer Fehleinschätzung aufgrund der unterlassenen Durchführung der testpsychologischen Untersuchung verwirklicht hätte. Wenn die Klägerin aus dieser unterlassenen Untersuchung durch den Beklagten Ansprüche ableiten möchte und das Berufungsgericht solche aufgrund der getroffenen Feststellungen verneinte, ist dies jedenfalls vertretbar.

5. Die behaupteten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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