OGH 13Os120/16w

OGH13Os120/16w25.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andrea B***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 12 dritter Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Andrea B***** und Elke M***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 12. September 2016, GZ 7 Hv 6/16y‑199, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00120.16W.0125.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andrea B***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 12 dritter Fall StGB (A/I, B) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 12 dritter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 2 SMG (A/II) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 12 dritter Fall StGB, § 27 Abs 1 Z 2, Abs 3 SMG (A/III), Elke M***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/I) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 12 dritter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 2 SMG (A/II) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 12 dritter Fall StGB, § 27 Abs 1 Z 2, Abs 3 SMG (A/III) schuldig erkannt.

Danach haben von Mai 2012 bis zum 24. Juni 2014 in G*****

(A) Andrea B***** und Elke M***** dadurch, dass sie aus zahlreichen Mutterpflanzen Cannabissetzlinge herstellten, diese Setzlinge und Cannabissamen verkauften, via Internet die Möglichkeit boten, durch einen im Online‑Shop installierten Filter Cannabispflanzen mit unterschiedlicher Blütezeit auszuwählen, und Kunden über die Aufzucht der Pflanzen berieten, Elke M***** überdies dadurch, dass sie zur Aufzucht der Mutterpflanzen und der Setzlinge eine Halle zur Verfügung stellte, dazu beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB),

I) dass 30 Personen vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich rund 12,9 kg Cannabisblüten mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 1.028 Gramm THCA und 241,7 Gramm Delta‑9‑THC gewannen,

II) dass zwei Personen vorschriftswidrig 600 Cannabispflanzen (§ 27 Abs 1 Z 2 SMG) zum Zweck der Gewinnung einer das 15‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift anbauten, und

III) gewerbsmäßig dazu, dass 39 Personen vorschriftswidrig (US 24) Cannabispflanzen (§ 27 Abs 1 Z 2 SMG) zum Zweck der Suchtgiftgewinnung anbauten,

(B) Andrea B***** zudem vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich 183 Gramm Cannabisblüten mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 24,65 Gramm THCA und 3,47 Gramm Delta‑9‑THC, erzeugt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen, gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten gehen – wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – fehl.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf „Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Aussagepsychologie zur Beurteilung der Aussagetüchtigkeit und Aussagekompetenz der verdeckten Ermittlerin“ (ON 198 S 11) zu Recht ab (ON 198 S 16), weil die Beurteilung der Glaubwürdigkeit und der Beweiskraft von Beweismitteln dem erkennenden Gericht zukommt (§ 258 Abs 2 erster Satz StPO).

Nur ausnahmsweise, etwa bei Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen, kommt dabei die Hilfestellung durch einen Sachverständigen in Betracht (15 Os 8/06z, SSt 2006/25; RIS‑Justiz RS0120634; jüngst 13 Os 25/16z). Ein solcher Ausnahmefall wurde hier mit der Behauptung einer Beeinflussung der verdeckten Ermittlerin durch die Staatsanwaltschaft, Spekulationen über mögliche „Erinnerungslücken“ aufgrund des längeren Zurückliegens des Ermittlungszeitpunkts und dem Einwand angeblicher Missverständnisse nicht einmal im Ansatz dargelegt.

Die Mängelrüge (Z 5) wendet offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich der Schuldsprüche A/I und A/II ein. Da sie dabei nicht von der Gesamtheit der – im Übrigen äußerst ausführlichen – Urteilserwägungen (US 35–49, 52 f) ausgeht, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (11 Os 53/07i, SSt 2007/68; RIS‑Justiz RS0119370).

Gleiches gilt für das Vorbringen, das Erstgericht habe „die Tatsache, dass die Erstangeklagte weder Rauchzubehör wie Bongs, Wasserpfeifen udgl noch andere Waren, die zum Konsum von Cannabisprodukten verwendet werden, angeboten hat“, übergangen (der Sache nach Z 5 zweiter Fall), weil die Beschwerde insoweit nicht auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) Bezug nimmt (vgl RIS‑Justiz RS0124172).

Die im Rahmen der Mängelrüge überdies erstatteten Rechtsausführungen lassen keinen Bezug zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a), die Fehler in der Sachverhaltsermittlung nicht behauptet, argumentiert nicht aus in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen (§ 258 Abs 1 StPO) und ist daher einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich (13 Os 60/03, SSt 2003/47; RIS‑Justiz RS0117516, RS0117749 und RS0119310).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) fehlende Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf das Tatbestandselement der Vorschriftswidrigkeit behauptet, die diesbezüglichen Urteilsfeststellungen aber übergeht (US 24, vgl auch US 54–59), verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Die (nur auf Andrea B***** bezogene) Subsumtionsrüge (Z 10) wird – entgegen § 282 StPO – nicht zum Vorteil der Angeklagten ausgeführt, weil sie hinsichtlich der vom Schuldspruch B umfassten, rechtlich der Subsumtionseinheit nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG unterstellten (US 8) Taten einen zusätzlichen Schuldspruch nach § 27 Abs 1 Z 1, Abs 2 SMG verlangt.

Der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider kommt der Umstand, dass die von der Konfiskation umfassten Gegenstände (US 9 f) im Eigentum der Angeklagten Andrea B***** standen (Z 11 erster Fall), durch die Gesamtheit der Entscheidungsgründe hinreichend deutlich zum Ausdruck (US 54, 61 f; vgl auch US 9).

Soweit die Beschwerde die diesbezüglich als Begründung (Z 11 erster Fall iVm Z 5 vierter Fall) herangezogene Verantwortung der Angeklagten Andrea B***** anders interpretiert als das Erstgericht, wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) in unzulässiger Weise gegen dessen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Beiden Angeklagten liegen zahlreiche Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 12 dritter Fall StGB, § 27 Abs 1 Z 2, Abs 3 SMG zur Last (A/III). Der Einwand, die aggravierende Wertung des Zusammentreffens (unter anderem) mehrerer Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB [US 60]) stelle eine offenbar unrichtige Beurteilung für die Strafbemessung maßgebender entscheidender Tatsachen dar (Z 11 zweiter Fall), trifft demnach nicht zu.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die – hinsichtlich des Verfallsausspruchs verfehlt als „Beschwerden“ bezeichneten – Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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