OGH 4Ob228/16g

OGH4Ob228/16g20.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei f***** AG *****, vertreten durch Freimüller Obereder Pilz RechtsanwältInnen GmbH, gegen die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch MMag. Dr. Claus Casati, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Feststellung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 32.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. September 2016, GZ 30 R 13/16a‑22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00228.16G.1220.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Streitteile sind Vorsorgekassen nach den Bestimmungen des BMSVG. Die klagende Partei wirft der beklagten Partei vor, in wettbewerbswidriger Weise mit falschen Behauptungen in Schreiben an (ehemalige) Kunden der beklagten Partei diese am Wechsel zur klagenden Partei gehindert und zum Vertragsbruch gegenüber der klagenden Partei angestiftet zu haben. Weiters macht die klagende Partei geltend, dass in den entsprechenden Schreiben die Dienstleistungen und Produkte der Streitteile in irreführender Weise verglichen worden seien. Für das Provisorialverfahren haben es die Vorinstanzen als bescheinigt erachtet, dass zumindest Teile der Kunden, die ihren Vertrag zur beklagten Partei aufkündigten, bereits einen rechtswirksamen („vorbehaltslosen“) Beitrittsvertrag mit der klagenden Partei geschlossen hatten.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei zeigt gegen die stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Wie die angesprochenen Kreise eine Aussage verstehen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel ebenso wenig eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0107771; RS0043000; RS0053112) wie die Frage, ob eine andere Beurteilung vertretbar ist (RIS-Justiz RS0107768).

2.1 Nach § 12 Abs 3 BMSVG ist der Arbeitgeber bei Wechsel der Betrieblichen Vorsorgekasse verpflichtet, die Abfertigungsanwartschaften binnen fünf Tagen an die neue Vorsorgekasse zu übertragen. Die auf den klaren Wortlaut dieser Bestimmung gegründete Rechtsansicht der Vorinstanzen, die beklagte Partei habe durch ihre Aufforderung an die neuen Kunden der klagenden Partei, die Kündigungen zurückzuziehen, diese unlauter zum Vertragsbruch gegenüber der klagenden Partei angestiftet, bedarf daher keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung, ohne dass näher geprüft werden muss, ob es möglich ist, Verträge mit zwei Vorsorgekassen nebeneinander einzugehen. Selbst wenn man das bejaht, verletzt der Arbeitgeber seine Einbringungspflicht gegenüber der neuen Vorsorgekasse, wenn die Anwartschaften wegen der Fortsetzung des Beitrittsvertrags bei der alten Vorsorgekasse verbleiben, zumal nach § 12 Abs 1 2. Satz BMSVG die Kündigung und Übertragung nur rechtswirksam für alle von dem neuen Vertrag erfassten Anwartschaftsberechtigten gemeinsam erfolgen kann.

2.2 Auch mit dem bereits durch umfassende Rechtsprechung (vgl etwa RIS-Justiz RS0079391; RS0079336) widerlegten Hinweis, dass sich ein Durchschnittsverbraucher keinesfalls zu einem Vertragsbruch verleiten lassen würde, wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

2.3 Das gilt auch für das Argument, dass der beklagten Partei nicht „willentliche“ Verleitung zum Vertragsbruch unterstellt werden könnte. Für die Fallgruppe des Vertragsbruchs ist – auch nach der UWG-Novelle 2007 (RIS-Justiz RS0078486 [T7]) – eine Verleitung zum Vertragsbruch dann unlauter, wenn der Täter die Tatumstände kennt, die sein Verhalten als unlauter erscheinen lassen, oder doch mit der Möglichkeit rechnet, dass solche Umstände vorliegen können, sie jedoch bewusst in Kauf nimmt, um sein Ziel zu erreichen (RIS-Justiz RS0079416, RS0078498). Bei dieser Beurteilung kommt es immer auf die Umstände des einzelnen Falls an (4 Ob 117/12b), was hier von den Vorinstanzen jedenfalls vertretbar gelöst wurde.

3.1 Vergleichende Werbung ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs primär nach § 2 UWG zu beurteilen und wettbewerbsrechtlich dann zu beanstanden, wenn beworbene und objektiv nachprüfbare Umstände nicht den Tatsachen entsprechen oder die Ankündigung sonst zur Irreführung geeignet ist. Dabei kann auch durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen werden, wenn die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in für den Kaufentschluss erheblicher Weise irrezuführen. Welche Informationen dabei wesentlich sind, richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls, weshalb darauf grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage begründet werden kann (4 Ob 113/16w mwN).

3.2 Die beklagte Partei stellte in den Schreiben an die Kunden ihre durchschnittliche tatsächliche Performance pro Jahr seit 2002 dem damit nicht vergleichbaren niedrigeren Garantiezinssatz der klagenden Partei gegenüber, ohne darauf hinzuweisen, dass die tatsächliche Performance der 2010 gegründeten klagenden Partei im Durchschnitt beträchtlich über diesem Mindestzinssatz und auch deutlich über der Performance der beklagten Partei liegt. Die Vorinstanzen haben damit den Vergleich der beklagten Partei jedenfalls vertretbar als irreführend beurteilt.

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