OGH 17Os27/16y

OGH17Os27/16y6.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 2016 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn, LL.M. (WU), als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael M***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 4. August 2016, GZ 50 Hv 46/16w‑36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0170OS00027.16Y.1206.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael M***** vom Vorwurf freigesprochen, er habe am 29. August 2014 in R***** als zur Vornahme wiederkehrender Begutachtungen gemäß § 57a KFG Ermächtigter, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf ordnungsgemäße Feststellung der Verkehrs‑ und Betriebssicherheit und der Umweltverträglichkeit von Kraftfahrzeugen sowie den Fahrzeuglenker und dritte Verkehrsteilnehmer in ihrem Recht auf Sicherheit zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, nämlich die Begutachtung von Fahrzeugen gemäß § 57a Abs 1 KFG vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er für einen – im Urteil näher bezeichneten – Pkw ein positives Prüfgutachten gemäß § 57a KFG ausstellte, obwohl er wusste, dass das Fahrzeug wegen zumindest zwei schwerwiegender Mängel nicht den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprach.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht ging bei seinem Freispruch im Wesentlichen davon aus (US 2 ff), dass der Pkw im Zeitpunkt der Begutachtung durch den Angeklagten zwei schwere Mängel (vgl § 10 Abs 2 Z 3 Prüf‑ und Begutachtungsstellenverordnung [kurz: PBStV]) aufgewiesen habe. Dieser habe lediglich „sogenannten Flugrost“ wahrgenommen, jedoch „durch bloße Nachlässigkeit oder aufgrund von Zeitdruck nur eine unzureichende Überprüfung vorgenommen“. Dass der Angeklagte Mängel als schwer erkannt, eine den rechtlichen Vorgaben entsprechende Prüfung wissentlich unterlassen oder mit Schädigungsvorsatz gehandelt habe, verneinten die Tatrichter.

Das Gutachten des Sachverständigen Klaus L***** und die Verantwortung des Angeklagten hat das Erstgericht ohnehin erörtert (US 4 f), weshalb der darauf bezogene Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Leere geht. Im Übrigen ist nicht entscheidend (vgl RIS‑Justiz RS0117499), dass die vom Angeklagten wahrgenommene „Korrosionsanhaftung“ als (der Erlangung einer Begutachtungsplakette nicht entgegenstehender [vgl § 10 Abs 2 Z 2 PBStV]) „leichter Mangel zu klassifizieren gewesen wäre“.

Ebenso wenig lassen die spekulativen Überlegungen der Beschwerdeführerin zu einem Motiv des Angeklagten „für die nicht ordnungsgemäß durchgeführte Überprüfung“ einen Bezug zu entscheidenden Tatsachen erkennen (vgl RIS‑Justiz RS0088761). Sie erschöpfen sich vielmehr in unzulässiger Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung.

Die Negativfeststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere zum Vorwurf wissentlichen Unterlassens einer ordnungsgemäßen Überprüfung, sind – der weiteren Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zuwider – nach Maßgabe von Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS‑Justiz RS0117402) mit der Konstatierung, der Angeklagte habe Korrosion wahrgenommen, vereinbar. Dieser sei nach dem weiteren Urteilsinhalt nämlich davon ausgegangen, es habe sich dabei „lediglich um eine oberflächliche Anrostung“ gehandelt (US 3). Das Erstgericht nahm unter Berufung auf die Ausführungen des Sachverständigen an (US 4), weitere Prüfungsschritte seien auf dieser (wenngleich objektiv unrichtigen) Wahrnehmungsgrundlage nicht verpflichtend gewesen.

Der Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall), weil im Urteil verwertete Beweisergebnisse nicht in der Hauptverhandlung vorgekommen seien, übergeht den – durch unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Beschluss (ON 44) berichtigten (dazu näher Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 312) – Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls, nach welchem der Vorsitzende „den wesentlichen Inhalt sämtlicher Aktenstücke im Sinne“ des § 252 Abs 2a StPO vorgetragen habe. Davon ausgehend ist aber der Inhalt des die Vorlesung oder Vorführung substituierenden Vortrags einer nachträglichen Kritik aus Z 5 entzogen (RIS‑Justiz RS0111533 T5 und T7; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 460).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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