European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00066.16W.1129.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung
Der Kläger, der im Auftrag des beklagten Bauunternehmens Fliesen‑ und Kunststeinverlegearbeiten durchführte, begehrte von der Beklagten unter Bezugnahme auf mehrere Rechnungen Werklohn in der Höhe von insgesamt 21.083,21 EUR sA. Der Kläger betonte bereits in der Klage, bei den im Einzelnen geltend gemachten Teilforderungen handle es sich um Rechnungen aus verschiedenen Bauvorhaben, von denen jeweils keine die Streitwertgrenze des Bezirksgerichts übersteige, weshalb dieses sachlich zuständig sei.
Das Erstgericht sprach aus, dass das Klagebegehren mit insgesamt 11.299,12 EUR zu Recht bestehe, die von der Beklagten eingewendete Gegenforderung (Werklohnmehrkosten aus einem Bauvorhaben, das der Kläger vertragswidrig nicht erfüllt habe) allerdings berechtigt und das Klagebegehren daher abzuweisen sei. Der Kläger bekämpfte in seiner Berufung nur die Abweisung dieses Teilbetrags von 11.299,12 EUR.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.
Der Betrag von 11.299,12 EUR, über den das Berufungsgericht entschieden hat, setzt sich aus (restlichen) Werklohnforderungen zusammen, die der Kläger aus den verschiedenen Baustellen geltend macht, wobei keine dieser Teilforderungen den Betrag von 5.000 EUR übersteigt (die Werklohnforderungen über 2.318,84 EUR, 3.078,84 EUR, 145,40 EUR, 1.683,40 EUR und 4.072,64 EUR stammen aus fünf näher bezeichneten Bauvorhaben/Regiearbeiten). Im Rahmenvertrag der Streitteile ist festgehalten, dass „jede Baustelle getrennt beauftragt“ wird.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die – vom Berufungsgericht nachträglich zugelassene – Revision des Klägers.
Die Beklagte beantragt, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist absolut unzulässig.
1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen, andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RIS‑Justiz RS0053096). § 55 Abs 1 JN ist als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung anzusehen, sodass eine Zusammenrechnung im Zweifel ausscheidet (RIS‑Justiz RS0122950). Für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen dieser Bestimmung ist von den Angaben in der Klage auszugehen (RIS‑Justiz RS0106759).
Die Zusammenrechnung der Werte mehrerer Ansprüche (objektive Klagehäufung) setzt einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang voraus. Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie aus demselben Klagssachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus einem einheitlichen Rechtsgeschäft oder aus einer Gesetzesvorschrift abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS‑Justiz RS0037648, RS0037899 [T3]).
Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder gesondert zu beurteilen, es findet also keine Zusammenrechnung statt (RIS‑Justiz RS0037899; RS0037648 [T18]; RS0037926 [T29]).
Hier hat der Kläger bereits in seiner Klage selbst darauf hingewiesen, dass die von ihm genannten Rechnungen verschiedene Bauvorhaben betreffen. Die Berechtigung dieser einzelnen Forderungen war getrennt voneinander zu prüfen. Die im Berufungsverfahren noch strittigen Ansprüche, die auf fünf verschiedene Bauvorhaben (Baustellen) entfallen, übersteigen jeweils den Betrag von 5.000 EUR nicht. Die Forderungen des Klägers aus diesen fünf getrennten Baustellen können jeweils ein unterschiedliches tatsächliches und rechtliches Schicksal haben; auch aus dem zwischen den Streitteilen bestehenden Rahmenvertrag ließe sich ein die Zusammenrechnung rechtfertigender Zusammenhang im Sinn des § 55 Abs 1 JN nicht ableiten. Die Teilforderungen bilden daher mehrere Entscheidungsgegenstände, die im Hinblick auf die Zulässigkeit der Revision gesondert zu beurteilen sind (vgl 7 Ob 145/16y; RIS‑Justiz RS0042741 [T11]).
2. Die Revision ist jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt (§ 502 Abs 2 ZPO). Streitgegenstand im Sinne der Begrenzung der Revisionszulässigkeit nach § 502 Abs 2 ZPO kann – von einem Zwischenfeststellungsantrag abgesehen – nur ein mit Klage verfolgter Anspruch sein. Dass im Fall der aufrechnungsweisen Geltendmachung einer Gegenforderung über 5.000 EUR eine urteilsmäßige Entscheidung über diese gemäß § 411 Abs 1 ZPO bis zur Höhe des Betrags, mit welchem aufgerechnet werden soll, ebenfalls der Rechtskraft teilhaft wird, ändert daran nichts (RIS‑Justiz RS0041291).
Der Umstand, dass sich die Berufung des Klägers im Anlassfall letztlich gegen die Berechtigung der von der Beklagten erhobenen Gegenforderung der Beklagten richtete, ändert daher nichts an der Unzulässigkeit der Revision. Das Berufungsgericht hatte wegen der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche über mehrere Entscheidungs-gegenstände zu erkennen, die (jeweils) einen Wert von 5.000 EUR nicht überstiegen. Die Revision ist daher gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
3. Die Beklagte hat zwar in ihrer Revisionsbeantwortung beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen. Dies hat sie allerdings ausschließlich damit begründet, dass keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorliege; auf die absolute Unzulässigkeit des Rechtsmittels mangels Zusammenrechenbarkeit der Ansprüche aus den eigenständigen Bauvorhaben ist sie hingegen nicht eingegangen (8 Ob 128/14b; RIS‑Justiz RS0124565).
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