OGH 4Ob210/16k

OGH4Ob210/16k22.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundesarbeitskammer, *****, vertreten durch die Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei T***** AG, *****, vertreten durch die CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 36.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Juli 2016, GZ 2 R 104/16b‑19, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00210.16K.1122.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Das Berufungsgericht hat das von der Bundesarbeitskammer erhobene Klagebegehren in jenem Teilbegehren abgewiesen, wonach die Beklagte es im geschäftlichen Verkehr in Österreich zu unterlassen habe, in ihrem Internetportal für Flugbuchungen nicht stets den zu zahlenden Endpreis bestehend aus dem anwendbaren Flugpreis bzw der anwendbaren Luftfrachtrate sowie aller anzuwendenden Gebühren und Steuern, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind, auszuweisen, insbesondere indem sie auf der Übersichtsliste über konkrete Flugangebote Preise veröffentlicht, die nur unter der Voraussetzung der Inanspruchnahme eines nicht herkömmlichen Zahlungsmittels zutreffen, während bei Inanspruchnahme herkömmlicher Zahlungsmittel weitere Entgelte in Rechnung gestellt werden. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung nachgekommen, stets den Endpreis auszuweisen. Es steht fest, dass bereits in der ersten Tabelle nach der Eingabemaske für Flugsuchen für Reisedatum sowie Abflug‑ und Zielflughafen, also bei den für eine Reihe von Flugdiensten in tabellarischer Form angebotenen Preisen, jeweils der vom in Betracht kommenden Zahlungsmittel abhängige Endpreis ausgewiesen ist. Dass die vom Zahlungsmittel abhängigen unterschiedlichen Endpreise für ein und den selben Flug nicht jeweils bei diesem Flug als Preisalternativen, sondern als eigenständiges Suchergebnis ausgewiesen werden, widerspreche weder dem Wortlaut des Art 23 Abs 1 zweiter Satz der VO 1008/2008 , noch dessen durch die Rechtsprechung des EuGH herausgearbeitetem Zweck. Die von der Beklagten gewählte Darstellungsweise erlaube dem durchschnittlichen Kunden einen Vergleich der von unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen angebotenen Flugleistungen. Die Voraussetzungen für den jeweiligen Preis (neben den Flugdaten und der Fluglinie eben auch die Art des Zahlungsmittels) seien jeweils klar ersichtlich. Die tabellarische Darstellung der Beklagten sei auch nicht zur Irreführung iSd § 2 UWG geeignet.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin vermag in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel, mit dem sie ihr Unterlassungsbegehren weiter verfolgt, keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

1. Hängt die Entscheidung von der Lösung einer Frage des Gemeinschaftsrechts ab, so ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Nachprüfung dessen Anwendung auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH nur zulässig, wenn der zweiten Instanz bei Lösung dieser Frage eine gravierende Fehlbeurteilung unterlief (RIS‑Justiz RS0117100). Dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur hier maßgeblichen Bestimmung des Art 23 Abs 1 der VO über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (Nr 1008/2008) fehlt, begründet für sich allein noch keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS‑Justiz RS0123321, RS0122015, RS0121516 [T3, T4]).

Die einen Verstoß der Beklagten gegen die Bestimmungen der VO (EG) 1008/2008 und damit gegen § 1 UWG verneinende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Art 23 Abs 1 der genannten VO verlangt, dass der zu zahlende Endpreis stets auszuweisen ist und den anwendbaren Flugpreis bzw die anwendbare Luftfrachtrate sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind, einschließen muss. Dies soll die Kunden in die Lage versetzen, die Preise verschiedener Luftfahrtunternehmen für Flugdienste effektiv zu vergleichen (Erwägungsgrund 16 der VO; vgl Pegatzky/Rockstroh , Die Reform des Europäischen Luftverkehrsrechts durch die Verordnung (EG) Nr 1008/2008, ZLW 2009, 541, 563). Der zu zahlende Endpreis ist stets, das heißt schon vor Beginn des Buchungsvorgangs, und außerdem nicht für den vom Kunden ausgewählten Flugdienst, sondern für jeden Flugdienst auszuweisen, dessen Preis angezeigt wird (EuGH C‑573/13, Air Berlin). Die Frage, ob ein Entgeltbestandteil in den Endpreis aufzunehmen ist, hängt davon ab, ob dieser Entgeltbestandteil ein unvermeidbarer und unvorhersehbarer Bestandteil des Preises für den Flugdienst ist oder ob es sich dabei um fakultative Zusatzkosten für einen Dienst handelt, der den Flugdienst ergänzt (EuGH C‑487/12, Vueling Airlines SA Rn 37).

Es bildet keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht im Hinblick auf die tabellarische Gestaltung der Flugpreisliste der Beklagten, die von Anfang an die je nach dem verwendeten Zahlungsmittel unterschiedlichen Preise für bestimmte Flugleistungen ausweist, die Anforderungen des Art 23 Abs 1 der VO (EG) Nr 1008/2008 als erfüllt ansah. Der verständige Verbraucher mit einer der Situation angepassten Aufmerksamkeit erkennt bei erster Befassung mit dem Angebot der Beklagten, dass die Höhe des Flugpreises (unter anderem) davon abhängt, ob er eine bestimmte (eigens ausgewiesene) Kreditkarte zur Zahlung verwendet oder ein anderes Zahlungsmittel. Der vom Gemeinschaftsrecht geforderte effektiv mögliche Vergleich der offerierten Flugpreise ist damit bei vorauszusetzender Aufmerksamkeit bei Befassung mit dem tabellarisch aufgelisteten Anbot gegeben. Dass die „billigsten“ Suchergebnisse von der Verwendung einer bestimmten Kreditkarte abhängig sind, ist durch einen entsprechenden Hinweis ersichtlich gemacht.

2. Auch die Verneinung einer Irreführungseignung iSd § 2 UWG entspricht den Grundsätzen der Rechtsprechung.

Wer mit Preisgegenüberstellungen wirbt, hat alles Erforderliche vorzukehren, um eine einwandfreie, jedes Missverständnis ausschließende Aufklärung des Publikums über die Art der jeweils herangezogenen Vergleichsgrundlage sicherzustellen und mögliche Irrtümer in dieser Richtung hintanzuhalten (RIS‑Justiz RS0078244). Ein Hinweis auf maßgebliche Umstände ist nicht ausreichend deutlich, wenn er im Hinblick auf seine Platzierung im Inserat sowie die geringe Größe der Buchstaben für den Leser keinen Auffälligkeitswert hat (RIS‑Justiz RS0078679). Die Beurteilung des Einzelfalls hängt von den jeweiligen konkreten Umständen ab. Dass die in räumlicher Nähe der Preisangabe deutlich vermerkte Einschränkung der Zahlungsart (Verwendung einer bestimmten Kreditkarte) in diesem Fall eine Irreführung ausschließt, legt die konkrete Ausgestaltung der von der Beklagten verwendeten Tabelle nahe. Dass sich das Berufungsgericht – wie die Klägerin beanstandet – mit der von ihr (auch) behaupteten Irreführung nicht detaillierter auseinandergesetzt hat, bildet daher von vornherein keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens.

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