European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0260OS00005.16D.1118.000
Spruch:
Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
*****, Rechtsanwalt in *****, ist schuldig, er hat mit Manfred G***** anlässlich der Unterfertigung des Vollmachtsformulars am 16. August 2013 die Vereinbarung getroffen, dass ihm im Einbringungsfall 30 Prozent des Realisats aus der Causa „H*****“ zustehen sollten, und damit unzulässigerweise die ihm anvertraute Streitsache teilweise an sich gelöst.
Er hat dadurch die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes gemäß § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt begangen und wird hiefür zur Disziplinarstrafe der
Geldbuße von 2.000 Euro
sowie zur Tragung der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt. Der Beschuldigte hat auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *****, Rechtsanwalt in *****, von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf, er habe mit Manfred G***** anlässlich der Unterfertigung des Vollmachtsformulars am 16. August 2013 die Vereinbarung, dass ihm im Einbringungsfall 30 Prozent des Realisats aus der Causa „H*****“ zustehen, getroffen und damit unzulässigerweise die ihm anvertraute Streitsache teilweise an sich gelöst, gemäß § 3 DSt freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen gerichteten, auf § 281 Abs 1 „Z 9b“ (inhaltlich Z 9 lit a; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 634; RIS‑Justiz RS0118286) StPO gestützten Berufung des Kammeranwalts kommt Berechtigung zu. Zutreffend weist dieser darauf hin, dass kein Versehen im Sinn einer Geringfügigkeit des Verschuldens vorliegen könne, wenn ein Rechtsanwalt mit einem Mandanten eine klar gegen das Gesetz verstoßende und expressis verbis durch § 879 ABGB pönalisierte Vereinbarung schließt.
Voraussetzungen für die Anwendung des § 3 DSt sind Geringfügigkeit des Verschuldens und unbedeutende Folgen des inkriminierten Verhaltens, wobei beide Elemente kumulativ vorliegen müssen (vgl RIS‑Justiz RS0113534 [T1 und T2]).
Das Verschulden ist dabei als (hypothetische) Strafzumessungsschuld zu verstehen, deren Prüfung entsprechend den Grundsätzen der §§ 32 ff StGB erfolgt (Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9 § 3 DSt Rz 5). Es ist dann als geringfügig einzustufen, wenn die Umstände des Einzelfalls erkennen lassen, dass das Verschulden des gegen das in Rede stehende Verbot verstoßenden Rechtsanwalts in concreto erheblich hinter dem typischer Fälle solcher Verstöße zurückbleibt (RIS‑Justiz RS0101393 [T47]).
Eine derartige Konstellation ist nach den Konstatierungen des Disziplinarrats nicht gegeben. Die dem Beschuldigten im angefochtenen Erkenntnis zu Gute gehaltene Motivation der Unterstützung eines mittellosen Mandanten stellt gerade jene Verschmelzung zwischen Vertretungstätigkeit und Finanzierung dar, die § 879 Abs 2 Z 2 ABGB zum Schutz des Klienten vor Übervorteilung durch den mit besserem Fachwissen ausgestatteten Rechtsanwalt zu hindern sucht. Der Umstand, dass der Beschuldigte die für die Einbringung‑ einer Teilklage ausgelegte Pauschalgebühr nicht ersetzt bekommen hat, ist eine Folge des Abschlusses einer zivilrechtlich nichtigen Honorarvereinbarung.
Demnach bleibt für die Anwendung des § 3 DSt auf die sich aus den Feststellungen im Erkenntnis des Disziplinarrats ergebende rechtswidrige (§ 879 Abs 2 Z 2 ABGB, § 16 Abs 1 RAO) quota litis Vereinbarung kein Raum. In Stattgebung der Berufung des Kammeranwalts war daher infolge dieser Vereinbarung ein Schuldspruch wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes gemäß § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt zu fällen (vgl 28 Os 3/15y, 20 Os 3/16s).
Bei der Strafbemessung waren ausgehend von der nicht unbeträchtlichen Täterschuld einerseits die doppelte Qualifikation der Tat sowohl als Berufspflichtenverletzung als auch als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes als erschwerend zu werten, andererseits der zuvor ordentliche Lebenswandel und zudem als mildernd zu berücksichtigen, dass dem Klienten letztlich kein Schaden entstanden ist und das Disziplinarverfahren aus einem nicht vom Beschuldigten oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat (§ 34 Abs 2 StGB). Dem entsprechend war eine Geldbuße (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) zu verhängen, die mit 2.000 Euro auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten hinreichend berücksichtigt (§ 16 Abs 6 DSt).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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