OGH 9ObA126/16v

OGH9ObA126/16v28.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde *****, vertreten durch MMag. (FH) Alexander Edelhauser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F*****, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei H*****, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 148.274,06 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Juni 2016, GZ 8 Ra 38/16s‑54, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 18. Jänner 2016, GZ 15 Cga 136/14p‑48, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00126.16V.1028.000

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und dem Nebenintervenienten jeweils die mit 2.500,02 EUR (darin 416,67 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die klagende Stadtgemeinde begehrt von dem bei ihr beschäftigten Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes den Darlehensbetrag von 148.274,06 EUR inklusive kapitalisierter Zinsen mit der Begründung, dass sie der Nachpächterin eines ihr gehörigen Lokals ein Darlehen gewährt habe. Der Darlehensbetrag sei im Vertrauen auf die Gültigkeit des Darlehensvertrags der Vorpächterin ausbezahlt worden. Hätte der Beklagte den Gemeinderat darüber aufgeklärt, dass der Darlehensvertrag mit der Nachpächterin nur zum Schein unterschrieben worden sei, hätte sie den Darlehensbetrag nicht zur Auszahlung gebracht. Diesen Darlehensbetrag könne sie mangels eines Zahlungspflichtigen sonst nicht zurückfordern. Das Gerichtsverfahren gegen die Nachpächterin als vermeintliche Darlehensnehmerin habe sie verloren. Von der Vorpächterin könne sie den Betrag nicht zurückfordern, weil diese den Betrag als Ablösezahlung für die Rückstellung des Pachtobjekts begehrt und ihn schlussendlich auch zu diesem Zweck erhalten habe. Der Beklagte habe den Schaden dadurch verursacht, dass er den Gemeinderat nicht darüber aufgeklärt habe, dass es letztlich zu keiner Einigung zwischen der Klägerin und der Nachpächterin über die Übernahme der Investitionsablöse durch die Nachpächterin gekommen sei und die Klägerin daher durch die Zahlung von 120.000 EUR an die Vorpächterin keine Schuld der Nachpächterin tilgen habe können. Der Gemeinderat sei vom Beklagten nicht darüber informiert gewesen, dass es sich nur um ein Scheindarlehen an die Nachpächterin gehandelt habe. Der Eintritt des Schadens für die Klägerin liege in der Nichtrückführbarkeit des gewährten Darlehensbetrags.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klagsabweisung des Erstgerichts mit der Begründung, zwischen der Klägerin und der Nachpächterin sei – wovon nunmehr auch die Klägerin ausgehe – gar kein Darlehensvertrag zustande gekommen. Mangels Zuzählung des Darlehensbetrags an die Nachpächterin sei der Klägerin insofern auch kein Schaden entstanden. Der Schaden der Klägerin liege jedoch darin, dass der Beklagte, ohne den dazu erforderlichen Gemeinderatsbeschluss, der Vorpächterin über die beteiligten Rechtsvertreter eine Abschlagszahlung über 120.000 EUR zukommen habe lassen. Der Beklagte habe somit eine rechtsgrundlose Leistung der Klägerin an die Vorpächterin veranlasst. Dennoch sei das Klagebegehren abzuweisen. Hätte sich nämlich der Beklagte rechtmäßig verhalten, also den Gemeinderat vollständig und wahrheitsgemäß informiert, hätte der Gemeinderat die Abschlagszahlung an die Nachpächterin ohnehin beschlossen.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil noch keine gesicherte Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens allenfalls dann ausgeschlossen sei, wenn der Schädiger den Straftatbestand der Untreue begangen habe.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage stellt sich im Anlassfall nicht. Da die Revisionswerberin auch keine anderen Gründe geltend macht, deren Erledigung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, ist ihr Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen (9 ObA 145/13h ua). Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Die Klägerin releviert in ihrer Revision ausschließlich Fragen im Zusammenhang mit dem von den Vorinstanzen bejahten Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens des Beklagten. Darauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an:

Das Klagebegehren ist nämlich schon mangels eines bei der Klägerin eingetretenen Schadens nicht berechtigt. Der weite Schadensbegriff iSd § 1293 ABGB umfasst jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist (RIS-Justiz RS0022537). Die Prozessbehauptungen der Klägerin tragen aber im Zusammenhang mit den bindenden Feststellungen des Erstgerichts die Bejahung eines derartigen (vom Beklagten verschuldeten) Nachteils nicht. Die Klägerin stützt ihren Schadenersatzanspruch nicht darauf, dass sie mangels eines gültigen Gemeinderatsbeschlusses aufgrund des Fehlverhaltens des Beklagten rechtsgrundlos eine Abschlagszahlung an die Vorpächterin geleistet habe. Sie geht nämlich selbst davon aus, dass die Vorpächterin den als Ablösezahlung begehrten und nach den Feststellungen mit ihr auch vereinbarten Betrag von 120.000 EUR für die Rückstellung des Pachtobjekts zu diesem Zweck erhalten hat. Vielmehr liege nach Ansicht der Klägerin ihr Schaden darin, dass sie den „Darlehensbetrag“ (auch) von der Nachpächterin nicht zurückfordern könne. Dabei lässt sie aber außer Acht, dass ihr in dieser Hinsicht gar kein Schaden entstanden ist, weil sie mit der Nachpächterin den ursprünglich beabsichtigten Darlehensvertrag nicht abgeschlossen und der Nachpächterin daher auch die Darlehensvaluta nicht zugezählt hat.

Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte und der Nebenintervenient haben auf die Unzulässigkeit der Revision in ihren Revisionsbeantwortungen hingewiesen (RIS‑Justiz RS0112296). Dem Beklagten gebührt für seine Revisionsbeantwortung kein Streitgenossenschaftszuschlag nach § 15 RATG, weil der Beklagtenvertreter weder mehrere Personen vertritt noch ihm mehrere Personen gegenüberstehen.

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