OGH 3Ob174/16h

OGH3Ob174/16h18.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Unterhaltssache des Antragstellers M*****, vertreten durch Dr. Christian Schöffthaler, Rechtsanwalt in Imst, gegen die Antragsgegner 1. minderjähriger K*****, geboren am ***** 2004, 2. minderjähriger J*****, geboren am ***** 2007, *****, beide vertreten durch ihre Mutter M*****, diese vertreten durch Mag. Antonius Falkner, Rechtsanwalt in Mieming, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 16. Juni 2016, GZ 53 R 80/16b‑8, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Imst vom 13. April 2016, GZ 1 PU 23/15x‑4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00174.16H.1018.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der Antragsteller ist der eheliche Vater der Antragsgegner. Anlässlich der einvernehmlichen Scheidung der Ehe der Eltern vereinbarten diese die Beibehaltung der gemeinsamen Obsorge, wobei sich die Kinder jedoch künftig hauptsächlich im Haushalt der Mutter aufhalten sollten. Der Antragsteller verpflichtete sich im Scheidungsfolgenvergleich zu monatlichen Unterhaltsleistungen an die Kinder. Am 15. April 2015 übersiedelte die Mutter mit den beiden Kindern gegen den Willen des Antragstellers in die Niederlande. Mit Beschluss vom 26. Mai 2015 trug das Pflegschaftsgericht gemäß § 180 Abs 1 ABGB unter Aufrechterhaltung der bisherigen Obsorgeregelung für eine Zeit von sechs Monaten dem Vater die hauptsächliche Betreuung der Kinder in seinem Haushalt auf. Der dagegen erhobene Rekurs der Mutter blieb erfolglos.

Mit Beschluss vom 4. Februar 2016 bewilligte das Erstgericht den (damals noch mit der Mutter in den Niederlanden aufhältigen) Kindern zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands und des laufenden Unterhalts laut Scheidungsfolgenvergleich die Fahrnis- und Forderungsexekution gegen den Antragsteller.

Der Antragsteller machte daraufhin als „außerstreitige Impugnationseinwendungen, außerstreitige Oppositionseinwendungen“ im Wesentlichen geltend, der Geldunterhaltsanspruch der Kinder würde infolge Gewährung von Naturalunterhalt ruhen, wenn sie entsprechend dem Beschluss vom 26. Mai 2015 in seinem Haushalt betreut würden. Wegen des von der Mutter rechtswidrig herbeigeführten und aufrecht erhaltenen Zustands ruhe deshalb der betriebene Geldunterhaltsanspruch.

Das Erstgericht wies den Antrag zurück, weil es international nicht zuständig sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Gemäß Art 3 lit b EuUVO sei für Entscheidungen in Unterhaltssachen das Gericht des Orts zuständig, an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe. Der gewöhnliche Aufenthalt könne auch gegen den Willen eines Sorgeberechtigten – und damit auch im Fall einer Kindesentführung – begründet werden. Deshalb sei hier das zuständige niederländische Gericht zur Entscheidung über die Unterhaltsansprüche der Antragsgegner berufen. Dies gelte nach der Entscheidung 3 Ob 12/10a auch für das Verfahren über die vom Antragsteller erhobenen Einwendungen.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil sich die Entscheidung 3 Ob 12/10a auf ein Oppositionsbegehren bezogen habe, mit dem geänderte Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen behauptet worden seien, während der Antrag im vorliegenden Fall auf eine Kindesentführung gestützt werde.

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, stellt bereits die Entscheidung 3 Ob 12/10a klar, dass im Fall einer Unterhaltsexekution durch einen im Ausland ansässigen Unterhaltsberechtigten die internationale Zwangszuständigkeit des Art 22 Nr 5 EuGVVO (jetzt inhaltsgleich: Art 24 Nr 5 EuGVVO 2012) für eine Oppositionsklage, mit der der Unterhaltspflichtige (Verpflichtete) geänderte Verhältnisse behauptet, nicht anwendbar ist, weshalb in einem solchen Fall die internationale Zuständigkeit nach Art 3 [hier: lit b] EuUVO (vormals Art 5 Nr 2 EuGVVO) zu bestimmen ist (RIS‑Justiz RS0125812).

2. Die tragende Begründung der genannten Entscheidung ist, dass der Klägergerichtsstand des Art 5 Nr 2 EuGVVO (jetzt Art 3 lit b EuUVO) aus der Erwägung geschaffen wurde, dass der Unterhaltsberechtigte nicht genötigt sein soll, seinen Anspruch vor dem Gericht geltend zu machen, das für den Beklagten zuständig ist. Diese Zielsetzung würde konterkariert, wenn man dem Unterhaltsschuldner zubilligen wollte, in jenem Staat, in dem er seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, mittels Oppositionsklage geänderte und damit anspruchshindernde Umstände geltend zu machen, über die in einem Erkenntnisverfahren abzusprechen ist, das nicht den erforderlichen Zusammenhang mit dem anhängigen Exekutionsverfahren aufweist (3 Ob 12/10a).

3. Nichts anderes kann für die Geltendmachung des Oppositionsgrundes des Ruhens des Unterhaltsanspruchs als einer anspruchshemmenden Tatsache (vgl RIS‑Justiz RS0000987) gelten. Aus welchem Grund der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist in diesem Zusammenhang ohne Relevanz. Weshalb die Grundsätze der referierten Entscheidung auf den hier vorliegenden Fall der Behauptung des Ruhens des Unterhaltsanspruchs infolge der Kindesentführung nicht anwendbar sein sollten, ist dem Revisionsrekurs, der sich im Wesentlichen in der wörtlichen Wiederholung des Rekursvorbringens erschöpft, nicht einmal ansatzweise zu entnehmen.

4. Der Revisionsrekurs ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Antragsgegner haben in ihrer Revisionsrekursbeantwortung zwar auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Allerdings findet in diesem Verfahren zufolge § 101 Abs 2 AußStrG ein Kostenersatz nicht statt (Jakusch in Angst/Oberhammer 3 § 35 EO Rz 81/1; ErläutRV 180 BlgNR XXV. GP , 4).

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