OGH 9ObA112/16k

OGH9ObA112/16k29.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martina Rosenmayr‑Koshideh und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** P*****, vertreten durch Freimüller/ Obereder/Pilz Rechtsanwält_Innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei W*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.773,29 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. April 2016, GZ 7 Ra 10/16s‑17, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 19. November 2015, GZ 38 Cga 19/15i‑13, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00112.16K.0929.000

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Die Beklagte ist Betreiberin eines Freibades und eines ganzjährig geöffneten Hallenbades. Das Freibad hatte in der Saison 2014 von 1. 5. bis 14. 9. geöffnet. Der Kläger war bei der Beklagten befristet von 7. 4. 2014 bis 30. 9. 2014, somit weniger als sechs Monate, als Bademeister (Arbeiter) im Freibad beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde deshalb erst am 7. 4. 2014 begründet, weil ein anderer Bademeister seinen Dienst am 1. 4. 2014 nicht angetreten und ein weiterer sein Arbeitsverhältnis am 4. 4. 2014 wieder beendet hatte. Das Arbeitsverhältnis unterlag keinem Kollektivvertrag.

Die Beklagte räumt allen – befristet oder unbefristet – Beschäftigten einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Sonderzahlungen erst nach einer Beschäftigungsdauer von sechs Monaten ein. Der Kläger erhielt daher aufgrund seiner Beschäftigungsdauer von weniger als sechs Monaten keine Sonderzahlungen.

Das Berufungsgericht wies das auf Zahlung der aliquoten Sonderzahlungen gerichtete Klagebegehren ab. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung des Entstehens eines Anspruchs auf Remuneration erst nach sechs Monaten Beschäftigung im Betrieb stelle keine Diskriminierung des Klägers gemäß § 2b Abs 1 AVRAG dar, weil für unbefristet Beschäftigte der Beklagten die gleiche Regelung gelte. Sie stelle den Kläger daher gegenüber unbefristet Beschäftigten auch nicht schlechter. Die Bestimmung des § 16 AngG sei nicht analog auf Arbeiter anzuwenden. Von einer unsachlichen oder gar willkürlichen Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber anderen Mitarbeitern der Beklagten könne keine Rede sei. Die ordentliche Revision wurde zugelassen, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des § 2b Abs 1 AVRAG vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

1. In Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträgebestimmt § 2b Abs 1 AVRAG, dassArbeitnehmer mit einem auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsverhältnis gegenüber Arbeitnehmern mit einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsverhältnis nicht benachteiligt werden dürfen, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Dieser Grundsatz der Nichtdiskriminierung soll verhindern, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten schlechter behandelt werden, weil für sie ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt (§ 4 Z 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge laut Anhang der Richtlinie 1999/70/EG ; RV 951 BlgNR XXI. GP 5). Ein befristetes Arbeitsverhältnis soll von einem Arbeitgeber somit nicht benutzt werden, um diesen Arbeitnehmern Rechte vorzuenthalten, die Dauerbeschäftigten zuerkannt werden (EuGH 9. 7. 2015 Rs C‑177/14, Regojo Dans, Rn 41 mwN; EuGH 13. 3. 2014 Rs C‑38/13, Nierodzik, Rn 23). Vergleichsperson ist daher ein vergleichbarer Dauerbeschäftigter (§ 3 Z 1 der Rahmenvereinbarung).

Im Anlassfall konnte der Kläger aufgrund der Befristung seines Arbeitsverhältnisses von weniger als sechs Monaten keinen Anspruch auf Urlaubszuschuss bzw Weihnachtsremuneration erwerben. Damit wurde der befristet beschäftigt gewesene Kläger gegenüber den unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern der Beklagten aber nicht schlechter gestellt, weil auch diesen nach dem Arbeitsvertrag dann kein Anspruch auf Sonderzahlungen zusteht, wenn deren Arbeitsverhältnis vor Erreichen der Sechs-Monatsgrenze beendet wurde. Der Kläger wurde nicht wegen der Befristung seines Arbeitsverhältnisses benachteiligt. Der fehlende Anspruch auf Sonderzahlungen folgt im Fall des Klägers nicht aus der Befristung seines Arbeitsverhältnisses an sich, sondern aus der nur kurzen Dauer seines Arbeitsverhältnisses. Dass der Kläger aufgrund der konkreten Befristung seines Arbeitsverhältnisses gar nicht die Möglichkeit hatte, einen Sonderzahlungsanspruch zu erwerben – so die Revision –, könnte allenfalls dann relevant sein, wenn die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit ihm ausschließlich deshalb mit einer Dauer von weniger als sechs Monaten befristet abgeschlossen hätte, um ihm Rechte vorzuenthalten, die von der Beklagten unbefristet Beschäftigten ohne Einschränkung zuerkannt werden. Davon kann nach den Feststellungen aber nicht ausgegangen werden. Dass immer dann eine unzulässige Diskriminierung eines befristet Beschäftigten vorliegt, wenn dieser aufgrund der Beschäftigungsdauer nicht die Möglichkeit hat, einen Sonderzahlungsanspruch zu erwerben, kann auch der Entscheidung 8 ObA 50/13f nicht entnommen werden.

2. Die weitere vom Revisionswerber iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend gemachte Rechtsfrage zur analogen Anwendung des § 16 AngG auf Arbeiter ist im Anlassfall nicht entscheidungsrelevant. Nach ständiger Judikatur schafft § 16 AngG keinen gesetzlichen Anspruch auf Sonderzahlungen, sondern setzt einen solchen – aufgrund eines Einzelvertrags, eines Kollektivvertrags oder einer sonstigen (neben dem AngG anwendbaren) Norm bestehenden – Anspruch voraus (RIS‑Justiz RS0028232, RS0030313; 9 ObA 82/13v). § 16 AngG legt nur fest, dass der Anspruch dann – wenn er dem Grunde nach besteht – im Falle einer Lösung des Dienstverhältnisses vor seiner Fälligkeit anteilsmäßig gebührt (RIS‑Justiz RS0028232).

Da der Kläger nicht sechs Monate im Betrieb der Beklagten beschäftigt war, hatte er arbeitsvertraglich keinen Anspruch auf Sonderzahlungen. Auch mit dem Verweis auf die ständige Rechtsprechung, wonach die nach § 40 AngG zwingende Bestimmung des § 16 AngG arbeitsvertraglich nicht dadurch umgangen werden darf, dass die Entstehung des nicht mit einer spezifischen Leistung des Arbeitnehmers verknüpften, sondern für die gesamte Arbeitsleistung im Kalender- oder Arbeitsjahr gebührenden Remunerationsanspruchs an das Erreichen eines bestimmten Stichtags gebunden wird (RIS‑Justiz RS0028235; RS0028850), ist für den Standpunkt des Klägers nichts zu gewinnen. Diese Judikatur stellt auf Fälle ab, in denen bei Erreichen eines bestimmten Stichtags vor Beendigung des Dienstverhältnisses bereits rückwirkend ab Bestehen des Dienstverhältnisses ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf Remuneration bestand. Dies ist aber hier gerade nicht der Fall. Im vorliegenden Arbeitsverhältnis konnte der Kläger aufgrund der konkreten unter sechs Monaten liegenden Befristung keinen Anspruch auf Remuneration erwerben.

Da die Revision des Klägers damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufweist, ist sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 und 40 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass ihr mangels zweckentsprechender Rechtsverteidigung kein Kostenersatz zusteht (RIS‑Justiz RS0035979).

Stichworte