OGH 1Ob160/16k

OGH1Ob160/16k27.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** R*****, vertreten durch Dr. Thomas Gruber LL.M., Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde Feldkirchen, Feldkirchen, Hauptplatz 5, wegen Wiederaufnahme, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 22. Juni 2016, GZ 5 R 46/16y‑6, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 1. März 2016, GZ 23 Cg 1/16w‑3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00160.16K.0927.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Im Zusammenhang mit der Frage der Einhaltung der gesetzlichen Frist für die Erhebung der Wiederaufnahmsklage vermengt die Revisionsrekurswerberin, die insgesamt keine erheblichen Rechtsfragen (§ 528 Abs 1 ZPO) aufzuzeigen vermag, zwei Fragen, nämlich einerseits die diesbezügliche Behauptungs‑ und andererseits die Beweis‑ bzw Bescheinigungslast.

Dass sie – mit Ausnahme der unter drei errichteten Tatsachen – ihrer Obliegenheit, bereits in der Klage jene Umstände anzugeben, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt (§ 536 Z 3 ZPO), nicht erfüllt hat, wird von ihr inhaltlich gar nicht in Zweifel gezogen. Die von ihr aufgeworfene Frage, ob ihr eine allenfalls nicht ausreichende Bescheinigung zur Last fällt oder im Zweifel die Rechtzeitigkeit der Klage anzunehmen wäre, stellt sich in diesem Zusammenhang nicht.

2. Soweit die Revisionsrekurswerberin (neuerlich) die Auffassung vertritt, das Erstgericht hätte ihr vor Klagezurückweisung die Gelegenheit geben müssen, die fehlenden Angaben zur Rechtzeitigkeit im Wege der Verbesserung nachzutragen, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie damit in der Sache einen Mangel des Verfahrens erster Instanz geltend macht, den das Rekursgericht allerdings bereits verneint hat. Auch für das Revisionsrekursverfahren gilt aber, dass ein solcher (angeblicher) Mangel vor dem Obersten Gerichtshof nicht neuerlich geltend gemacht werden kann (vgl nur die Judikaturnachweise bei E. Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 528 Rz 8).

3. Im Zusammenhang mit den Behauptungen der Klägerin über eine Aussetzung der Grenzwerte für Blei im Blut durch eine Fachkommission für Human Biomonitoring war in der Wiederaufnahmsklage zwar behauptet worden, dieser Umstand sei der Klägerin zwischen dem 10. und 15. Dezember 2014 bekannt geworden – wovon ausgehend die Klagefrist eingehalten worden wäre –, doch vertrat das Rekursgericht die Auffassung, dass nach ständiger Rechtsprechung ein nachträglich beigebrachtes Gutachten keine neue Tatsache im Sinn des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO sei, wenn das Thema des Gutachtens bereits im Hauptprozess bekannt gewesen ist. Hier sei die von der Klägerin erwähnte Aussetzung der HBM‑Werte für Blei im Blut aus dem Jahr 2009 – über das entscheidungswesentliche Sachverständigengutachten – bereits in die Entscheidung im (nach Ansicht der Klägerin wiederaufzunehmenden) Hauptprozess eingeflossen.

Wenn die Revisionsrekurswerberin dem nun entgegenhält, das Rekursgericht habe nicht erkannt, dass das erwähnte Gutachten im Hauptprozess unklar, widersprüchlich, unzureichend und unschlüssig gewesen sei, geht sie damit am Kern des Problems vorbei. War nämlich die von ihr als bedeutsam angesehene Tatsache der Aussetzung von Grenzwerten durch eine Fachkommission bereits Inhalt des 2012 eingeholten Gutachtens im Hauptprozess, ist damit ihre Behauptung widerlegt, sie hätte von dieser Aussetzung erst im Dezember 2014 Kenntnis erlangt. Der aktenkundige Zeitpunkt der Gutachtenserstattung kann bereits im Vorprüfungsverfahren berücksichtigt werden, umso mehr als die Klägerin die entsprechende Urkunde im Wiederaufnahmsverfahren selbst vorgelegt hat.

Dass bereits das seinerzeitige Gutachten auf die Aussetzung der Grenzwerte hingewiesen hat, wird von der Revisionsrekurswerberin auch gar nicht bestritten. Dass sich aus späteren Erkenntnissen die Unrichtigkeit eines Gutachtens ergeben soll, ist aber für sich allein noch kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund (RIS‑Justiz RS0044555). Soweit sich die Revisionsrekurswerberin darauf beruft, dass die Unrichtigkeit des Gutachtens durch eine Röntgenfluoreszenzanalyse bzw einen Provokationstest erwiesen werden könnte, ist sie darauf hinzuweisen, dass sie – wie bereits eingangs ausgeführt wurde – nicht dargelegt hat, nach Kenntnis von der Existenz dieser Verfahren rechtzeitig die Wiederaufnahmsklage erhoben zu haben.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO), sodass insbesondere auf die – teils schwer verständlichen – Ausführungen zur angeblichen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und der Aktenwidrigkeit nicht einzugehen ist. Die Revisionsrekurswerberin übersieht offenbar, dass für die Entscheidungen der Vorinstanzen im Vorprüfungsverfahren weder Tatsachenfeststellungen zu treffen noch Beweise zu würdigen waren.

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