OGH 10ObS119/16x

OGH10ObS119/16x13.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Ganzert & Partner Rechtsanwälte OG in Wels, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Rückforderung von Witwerpension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 4. August 2016, GZ 11 Rs 62/16s‑10, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00119.16X.0913.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision zeigt keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Die Auslegung von Prozesserklärungen ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründet somit regelmäßig keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0042828). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte nach dem Inhalt ihrer Klagebeantwortung auch den Rückforderungstatbestand nach § 107 Abs 1 fünfter Fall ASVG geltend machte, ist jedenfalls vertretbar. Dem Wortlaut des Vorbringens der Beklagten ist eine Beschränkung auf einen bestimmten Rückforderungstatbestand nicht zu entnehmen.

2. Das Recht auf Rückforderung nach § 107 Abs 1 ASVG besteht nicht, wenn der Versicherungsträger zum Zeitpunkt, in dem er erkennen musste, dass die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, es unterlassen hat, innerhalb angemessener Frist die für eine bescheidmäßige Feststellung dieser Leistung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Überbezüge zu verhindern (§ 107 Abs 2 lit a ASVG; 10 ObS 62/13k, SSV‑NF 27/39 mwN; RIS‑Justiz RS0084420).

Das Berufungsgericht bejahte den Anspruch auf Rückforderung des Überbezugs an Witwerpension im Zeitraum vom 1. 6. bis 31. 12. 2014, der im Hinblick auf die Regelung des § 264 Abs 6 ASVG aufgrund der Zuerkennung der Korridorpension ab 1. 6. 2014 mit Bescheid vom 18. 3. 2015 entstand. Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe keinen Rückforderungsanspruch, weil sie die für eine bescheidmäßige Feststellung erforderliche Maßnahme innerhalb einer angemessenen Frist unterlassen habe, sei nicht zielführend, weil der Bescheid über die Zuerkennung der Korridorpension erst von 18. 3. 2015 stamme und der Rückforderungsanspruch sich auf den Überbezug vom 1. 6. bis 31. 12. 2014 beziehe.

Der Kläger hält dieser Beurteilung entgegen, es könne nicht zu seinen Lasten gehen, wenn die Beklagte es verabsäume, die Korridorpension rechtzeitig zu berechnen. Dem ist zu erwidern:

Nach der vom Revisionsrekurswerber nicht in Frage gestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt der Rückforderungstatbestand des § 107 Abs 1 fünfter Fall ASVG (nachträglich festgestellter Anspruch) auch in jenen Fällen zur Anwendung, in denen sich infolge einer nachträglichen Feststellung ergibt, dass zwei einander ausschließende sozialversicherungsrechtliche Leistungen mit Einkommensersatzfunktion für einen identen Zeitraum gewährt werden (10 ObS 238/03b, SSV-NF 18/58). § 107 Abs 2 lit a ASVG gibt schon nach seinem Wortlaut dem Versicherungsträger nicht auf, in angemessener Frist über jenen Leistungsanspruch zu entscheiden, dessen Bejahung erst dazu führt, dass zwei einander ausschließende sozialversicherungsrechtliche Leistungen mit Einkommens-ersatzfunktion für einen identen Zeitraum gewährt werden. Vor der Zuerkennung der zweiten Leistung hat er die erste Leistung nicht zu Unrecht erbracht.

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