OGH 13Os61/16v

OGH13Os61/16v6.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Jülg als Schriftführer in der Strafsache gegen Jacek I***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. März 2016, GZ 31 Hv 8/15v‑25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00061.16V.0906.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jacek I***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 1. Juli 2015 in Wien Barbara Iw***** mit Gewalt, nämlich durch Stoßen auf ein Bett und Versetzen von Faustschlägen, zur Duldung des Beischlafs genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 4, 5, 5a und 9 (richtig) lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Allfällige Abweichungen des schriftlichen vom verkündeten Urteil bewirken nur dann Nichtigkeit aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 3 StPO, wenn sie die in § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO genannten Inhalte betreffen (RIS‑Justiz RS0098867 [insbesondere T1]; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 280). Nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO hat der Urteilstenor auszusprechen, welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände. Das in § 260 Abs 1 Z 1 StPO angesprochene Referat der entscheidenden Tatsachen dient somit dazu, einerseits Lebenssachverhalte voneinander abzugrenzen und andererseits jene entscheidenden Tatsachen zu bezeichnen, auf welche die gesetzliche Deliktsbeschreibung der als begründet befundenen strafbaren Handlung abstellt (RIS‑Justiz RS0117435; Lendl , WK‑StPO § 260 Rz 9).

Der Einwand der Verfahrensrüge (Z 3), es bestehe eine – im Übrigen inhaltlich bedeutungslose (vgl SSt 47/25; RIS‑Justiz RS0092826; 14 Os 105/06g, SSt 2006/71) – sprachliche Differenz zwischen der Formulierung des verkündeten Urteils („Faustschläge“) und jener der Urteilsschrift („mehrere Faustschläge“), bezieht sich nicht auf den dargestellten Regelungsinhalt des § 260 Abs 1 Z 1 StPO und ist daher unter dem Aspekt der Nichtigkeitsgründe unbeachtlich.

Entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf Einholung eines medizinischen Gutachtens (ON 24 S 21) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 24 S 21 f):

Soweit der Beweisantrag auf die „Frage der Neigung der Frau Barbara Iw***** zu Blutergüssen“ zielte, bezog er sich nicht auf schuld‑ oder subsumtionsrelevante Umstände (siehe aber § 55 Abs 2 Z 1 StPO).

Indem der Antrag Aufklärung darüber anstrebte, „ob diese drei festgestellten Blutergüsse mit dem geschilderten Tathergang in Einklang zu bringen sind“, war er auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet.

Die Richtigkeit der Begründung des Beschlusses, mit dem das Erstgericht einen Beweisantrag abweist, steht nicht unter Nichtigkeitssanktion (13 Os 104/06b, SSt 2006/86; RIS‑Justiz RS0121628), womit die diesbezüglichen Argumente der Verfahrensrüge ins Leere gehen.

Das den Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.

Nichtigkeit aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO wird nur dann prozessordnungskonform geltend gemacht, wenn sich der eingewendete Begründungsmangel auf schuld‑ oder subsumtionsrelevante Umstände bezieht (RIS‑Justiz RS0106268).

Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Mängelrüge (Z 5), indem sie fehlende Erörterung (Z 5 zweiter Fall) von Aktenbestandteilen und Aussagedetails behauptet, die keinen Konnex zu solchen Umständen erkennen lassen.

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112; RIS‑Justiz RS0099431). Da die Beschwerde einen solchen Begründungsfehler nicht behauptet, zieht sie den angesprochenen Nichtigkeitsgrund bloß nominell heran.

Der Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) nimmt nicht Maß an der Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswürdigung (US 6 bis 8) und entzieht sich solcherart einer meritorischen Erledigung (11 Os 53/07i, SSt 2007/68; RIS‑Justiz RS0119370).

Weshalb der Umstand, dass der Akteninhalt mit Einverständnis der Prozessparteien (nicht verlesen, sondern)– in Übereinstimmung mit § 252 Abs 2a StPO – vom Vorsitzenden vorgetragen worden ist (ON 24 S 20), hier Nichtigkeit begründen soll, bleibt im Dunkeln.

Mit dem bloßen Verweis auf das Vorbringen der Mängelrüge wird die Tatsachenrüge (Z 5a) nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0115902).

Unter dem Aspekt angeblich unzureichender Sachverhaltsermittlung (§ 3 StPO) verkennt die Beschwerde die Subsidiarität des Nichtigkeitsgrundes der Z 5a gegenüber jenem der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO (RIS‑Justiz RS0114036 und RS0115823).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erklärt nicht, welche über die vom Erstgericht hinsichtlich der subjektiven Tatseite getroffenen (US 5) hinausgehenden Feststellungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich sein sollen, und ist demnach einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich (RIS‑Justiz RS0095939, RS0117247 und RS0118342).

Mit der – im Übrigen ebenfalls unsubstantiiert vorgetragenen – Behauptung, die Tat sei (nicht vollendet, sondern) bloß versucht worden, wird kein Subsumtionsfehler eingewendet (12 Os 119/06a, EvBl 2007/130, 700 [verst Senat]; RIS‑Justiz RS0122137 und RS0122138).

Mit dem Verweis auf das Vorbringen der Mängelrüge wird auch die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig zur Darstellung gebracht (siehe erneut RIS‑Justiz RS0115902).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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