OGH 1Ob149/16t

OGH1Ob149/16t30.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Ö***** B*****, geboren am ***** 2000, über den Revisionsrekurs des Vaters Y***** B*****, vertreten durch Dr. Anton Dierigl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 7. April 2016, GZ 54 R 45/16p‑54, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 16. Februar 2016, GZ 6 Pu 10/16b‑49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00149.16T.0830.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Dem Vater standen für seinen Lebensunterhalt in den Monaten September bis Dezember 2015 durchschnittlich 1.073 EUR und ab Jänner 2016 1.070 EUR zur Verfügung, wovon monatlich 250 EUR bzw 248 EUR auf eine vom Land Tirol gewährte Mietzinsbeihilfe entfallen. Er ist außer für die bei der Mutter lebende Minderjährige noch für eine volljährige Tochter unterhaltspflichtig.

Das Erstgericht erhöhte den Unterhalt für die minderjährige Tochter beginnend mit 1. 9. 2015 antragsgemäß auf 155 EUR monatlich. Als Unterhaltsbemessungsgrundlage diene in der Regel das nach spezifisch unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten ermittelte tatsächliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen. Die Zweckwidmung einer Sozialleistung für Aufwendungen des Allgemeinbedarfs stehe der Einbeziehung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht entgegen. In die Unterhaltsbemessungsgrundlage fielen daher neben Arbeitslosengeld und Notstandshilfe auch alle privat ‑ wie öffentlich‑rechtlichen Pensionen und Renten sowie unter anderem Wohnbeihilfen. Nach der „Prozentkomponente“ stünden der minderjährigen Tochter – unter Berücksichtigung einer weiteren Sorgepflicht – 20 % des anrechenbaren Einkommens des Unterhaltsschuldners zu; das wären monatlich 215 EUR. Der Unterhaltspflichtige dürfe aber nicht so weit belastet werden, dass er in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet wäre; ihm habe ein Betrag zu verbleiben, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit notwendig ist. Auch wenn sich die Rechtsprechung am Unterhaltsexistenzminimum des § 291b EO als Richtsatz für die Belastungsgrenze orientiere, stelle dieses keine in jedem Fall gültige starre Untergrenze dar, sondern dürfe bei Bedarf in den Grenzen des § 292b EO noch unterschritten werden. In besonderen Ausnahmefällen, bei ganz geringem Einkommen und zahlreichen Unterhaltsberechtigten, könne auch unter das – vielfach als „absolute Belastbarkeitsgrenze“ bezeichnete – niedrigste Unterhaltsexistenzminimum in Höhe von 75 % des allgemeinen Grundbetrags (§ 291b Abs 2 iVm § 291a Abs 1 EO) gegangen werden. Für die maßgeblichen Jahre 2015 und 2016 handle es sich nach der Existenzminimumtabelle 2bm um Beträge von monatlich 763 EUR und 772 EUR. Die darüber hinausgehenden Einkommensbeträge des Vaters seien daher „abschöpfbar“, also im Ausmaß von 310 EUR für 2015 und von 298 EUR für 2016. Sie seien – wegen der gleich hohen Unterhaltspflichten für zwei Kinder – auf diese beiden aufzuteilen, sodass sich für die minderjährige Tochter Unterhaltsansprüche von monatlich 155 EUR für 2015 und von 150 EUR für 2016 ergäben.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs letztlich für zulässig. Darauf, dass den Vater im Verhältnis zu anderen Unterhaltspflichtigen erhöhte Ausgaben träfen, habe er sich im Verfahren erster Instanz nicht berufen. Seiner Auffassung, dass die Mietzinsbeihilfe nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei, weil es sich nicht um frei verfügbares Einkommen handle, sei entgegenzuhalten, dass Sozialleistungen, die nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands für einen Sonderbedarf dienen, als Einkommen des Unterhaltspflichtigen zu qualifizieren seien. So diene nach der Rechtsprechung etwa die Wohn‑ und Mietzinsbeihilfe des Landes Oberösterreich der Deckung eines unzumutbaren Wohnungsaufwands, somit eines typischen Unterhaltsbedarfs. Das Erstgericht habe auch die von der Rechtsprechung herausgearbeitete Belastbarkeitsgrenze in nicht korrekturbedürftiger Weise berücksichtigt. Danach bilde das Unterhaltsexistenzminimum nicht in jedem Fall eine äußerste starre Untergrenze. Bei Nichtzulangen des nach Abzug des nach § 291b EO verbleibenden Existenzminimus für die Befriedigung der laufenden Unterhaltsansprüche müssten sich nicht nur alle Unterhaltsberechtigten einen anteiligen Abzug gefallen lassen, sondern hätten sich der Unterhaltspflichtige und die Unterhaltsberechtigten den Fehlbetrag angemessen zu teilen. Der außerordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil sich die bisherige – vom Rekursgericht herangezogene – Rechtsprechung zur Mietzins‑, Wohn‑ und Annuitätenbeihilfe nicht auf die Rechtslage in Tirol, sondern auf einschlägige Vorschriften anderer Bundesländer beziehe.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts – nicht zulässig, weil darin keine im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage erörtert wird.

1. Wenn der Revisionsrekurswerber moniert, es liege ein Verfahrensmangel vor, weil er nach Einlangen seiner schriftlichen Äußerung zum Unterhaltsfestsetzungsantrag von weiteren Vorbringens‑ und Beweisanbotsmöglichkeiten abgeschnitten worden sei, da das Erstgericht ohne Verhandlung und Erörterung der Sach‑ und Rechtslage überraschend entschieden habe, übersieht er, dass grundsätzlich auch im Außerstreitverfahren die Relevanz eines behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen ist (RIS‑Justiz RS0043027). Das Rechtsmittel enthält jedoch keinerlei Ausführungen dazu, welche für den Vater günstigen Tatsachen sich seiner Ansicht nach im Falle der von ihm als geboten erachteten Erörterung ergeben hätten.

2. Zur Frage der Einrechnung der Mietbeihilfe in die Unterhaltsbemessungsgrundlage haben schon die Vorinstanzen zutreffend auf die einschlägige Judikatur hingewiesen. Erst vor kurzem hat der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung zur Unterhaltspflicht eines Vaters, der Mindestsicherung und Mietbeihilfe bezogen hat (8 Ob 88/15x), auf die ständige Rechtsprechung hingewiesen, nach der zu dem als Unterhaltsbemessungsgrundlage dienenden Einkommen alle tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder geldwerten Leistungen gehören, über die er verfügen kann, und insbesondere auch Sozialleistungen, die nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands für einen Sonderbedarf dienen, als Einkommen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen werden (ua RIS‑Justiz RS0047456). Warum eine Mietzinsbeihilfe nach den Richtlinien des Landes Tirol hier anders behandelt werden sollte, vermag der Revisionsrekurswerber nicht darzulegen. Auch eine derartige Mietzinsbeihilfe dient ja nicht etwa dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands für einen Sonderbedarf, sondern vielmehr der (teilweisen) Abdeckung eines ganz allgemeinen Bedarfs jedes Menschen, nämlich des Wohnbedarfs. Der Umstand der Zweckwidmung bedeutet lediglich, dass die Beihilfe für die (teilweise) Begleichung der Wohnkosten – der Vater behauptet laufende monatliche Kosten von 434,66 EUR – zu verwenden ist, was im Ergebnis dazu führt, dass ihm von seinem sonstigen Einkommen ein größerer Betrag für die Bestreitung sonstiger Ausgaben, zu denen auch die Unterhaltsverpflichtungen gehören, verbleibt. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG stellt sich in diesem Zusammenhang nicht.

3. Das im Revisionsrekurs angestellte Rechenbeispiel ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Vater dabei von einem monatlichen Einkommen in Höhe von 808,50 EUR ausgeht, obwohl doch (unbekämpft) ein solches in Höhe von rund 1.070 EUR feststeht. Da er sonst keinen Versuch unternimmt, die Ausführungen der Vorinstanzen zur Ermittlung von Unterhaltsverbindlichkeiten bei besonders niedrigen Einkommen sachlich in Frage zu stellen, ist darauf nicht näher einzugehen.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 73 Abs 1 AußStrG).

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