European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00001.16P.0714.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten DI Christian S***** sowie in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche des Angeklagten Julius K***** wegen der Verbrechen der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2015/112 (I./) und der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112 (II./) enthält, wurde der Letztgenannte gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf freigesprochen, er habe in U***** als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB) der B***** GmbH, danach V***** GmbH im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit DI Christian S***** als unmittelbare Täter (§ 12 erster Fall StGB)
I./ Bestandteile deren Vermögens beiseite geschafft sowie sonst wirklich verringert und dadurch die Befriedigung deren – im Urteilstenor näher bezeichneter – Gläubiger, oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei er durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, indem er nachfolgende Überweisungen sowie Barbehebungen vom Geschäftskonto des Unternehmens teils getätigt, teils geduldet sowie deren Vornahme durch Manfred A***** beauftragt habe, wobei er das Geld jeweils für gesellschaftsfremde Zwecke verwendet habe, und zwar
1./ am 16. März 2011 eine Barbehebung in Höhe von 17.500 Euro;
2./ am 12. April 2011 eine Überweisung von 15.000 Euro an DI Christian S*****;
3./ am 12. April 2011 eine Überweisung von 2.500 Euro an Julius K*****;
4./ am 26. April 2011 eine Überweisung von 10.000 Euro an Julius K*****;
5./ am 26. April 2011 eine Überweisung von 2.000 Euro an DI Christian S*****;
6./ am 28. April 2011 eine Barbehebung in Höhe von 15.000 Euro;
7./ am 27. Mai 2011 eine Barbehebung in Höhe von 5.000 Euro;
8./ am 3. Mai 2011 eine Überweisung von 20.000 Euro an DI Christian S*****;
9./ am 31. Mai 2011 eine Barbehebung in Höhe von 16.000 Euro;
10./ am 15. Juni 2011 eine Überweisung von 15.000 Euro an Julius K*****;
11./ am 15. Juni 2011 sowie am 29. Juni 2011 je eine Überweisung von 20.000 Euro, gesamt sohin 40.000 Euro, an die I***** GmbH;
12./ am 12. Juli 2011 eine Überweisung von 5.000 Euro an Julius K*****;
13./ am 1. August 2011 eine Überweisung von 10.000 Euro an DI Christian S*****;
14./ am 11. Oktober 2011 eine Barbehebung in Höhe von 1.000 Euro;
15./ am 25. Oktober 2011 eine Barbehebung in Höhe von 7.000 Euro;
16./ am (richtig [US 15]:) 28. Oktober 2011 eine Barbehebung in Höhe von 2.000 Euro;
17./ am 21. November 2011 eine Barbehebung in Höhe von 2.000 Euro;
18./ am 24. November 2011 eine Barbehebung in Höhe von 6.692,78 Euro;
II./ durch die zu I./ dargestellten Handlungen die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der B***** GmbH, danach V***** GmbH, zu verfügen und diese zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dieser dadurch einen 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Freispruch des Julius K***** richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte,„ein[en] Schuldspruch nach §§ 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall, 156 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 StGB in eventu ein[en] Schuldspruch nach § 159 Abs 1 iVm Abs 5 Z 3 StGB“ anstrebende Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
Gründet das Gericht (wie hier) den Freispruch auf die Verneinung einzelner Tatbestandselemente, ohne eine Aussage zu sämtlichen Tatbestandselementen zu treffen, reicht es für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde nicht hin, einen Begründungsmangel bloß in Ansehung der getroffenen Urteilsannahmen aufzuzeigen. Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a; vgl dazu RIS‑Justiz RS0118580) geltend zu machen. Fehlen die dafür nötigen Indizien, bedarf es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus Z 4, wurden die fehlenden Tatbestandsmerkmale verneint, ist insoweit ein Begründungsmangel (Z 5) geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0127315).
Soweit sich die Beschwerde (Z 5 erster und zweiter Fall) auch mit dem Ziel eines Schuldspruchs nach (nunmehr:) §§ 156 Abs 1, 161 Abs 1 StGB gegen die Feststellungen über den Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der B***** GmbH sowie deren Erkennbarkeit für den Angeklagten Julius K***** wendet, verkennt sie, dass diese für den Tatbestand der betrügerischen Krida von vornherein irrelevant sind (RIS‑Justiz RS0094831; Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 1).
Weiters setzt sie sich mit einer Vielzahl von Verfahrensergebnissen auseinander, die das Erstgericht aus Sicht der Anklagebehörde in Ansehung der Feststellung, wonach den Geldbehebungen und Überweisungen Leistungen durch die Angeklagten gegenüberstanden (US 21), unberücksichtigt gelassen habe (Z 5 zweiter Fall). Überdies wendet die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) ein, dem Urteil sei nicht klar zu entnehmen, welche entscheidenden Tatsachen das Erstgericht für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entnahmen sowohl auf objektiver als auch auf subjektiver Seite als erwiesen angenommen habe und aus welchen Gründen dies geschehen sei (Z 5 vierter Fall).
Zudem vermisst die Nichtigkeitswerberin Feststellungen (Z 9 lit a), wonach die B***** GmbH ein Geschäftsführergehalt von 3.800 Euro „aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht bzw. nur zu Lasten ihrer Gläubiger auszuzahlen konnte“.
Soweit die Anklagebehörde zu den vom Freispruch umfassten Fakten einen Schuldspruch wegen des Verbrechens der Untreue (nunmehr:) nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und „in eventu“ einen Schuldspruch wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 iVm Abs 5 Z 3 StGB begehrt, spricht sie solcherart – ohne dass es einer inhaltlichen Prüfung der einzelnen Argumente bedarf – schon mit Blick auf das nicht in Kritik gezogene Fehlen von Feststellungen (jeweils sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht) zu einem Befugnismissbrauch und einer daraus resultierenden Zufügung eines Vermögensnachteils (§ 153 Abs 1 StGB) und zur Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens (§ 159 Abs 1 StGB) durch übermäßigen Aufwand (§ 159 Abs 5 Z 3 StGB) von vornherein keine entscheidenden Tatsachen (vgl dazu RIS‑Justiz RS0117264; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 399) an, schließt doch der unbekämpfte Mangel dieser Feststellungen die von der Beschwerdeführerin angestrebten Schuldsprüche jedenfalls aus.
In Ansehung des angestrebten Schuldspruchs wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1, 161 Abs 1 StGB verfehlt die Beschwerde schon mangels Bekämpfung der negativen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite, wonach nicht festgestellt werden konnte, dass der Vorsatz des Angeklagten Julius K***** darauf gerichtet war, „dass in der Gesellschaft kein für die Gläubiger greifbares Vermögen offen vorhanden sein soll“ (US 20) und die über den Schuldspruch hinausgehenden (ersichtlich gemeint:) Behebungen und Überweisungen „nicht vom Vorsatz auf Gläubigerschädigung getragen“ waren (US 14), mit Mängelrüge (Z 5) ihr Ziel. Auch auf das diesbezügliche Vorbringen der Anklagebehörde ist daher nicht weiter einzugehen.
Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO). Der Anordnung eines Gerichtstags bedurfte es demnach nicht (vgl 15 Os 125/15v, 12 Os 125/15x).
Über die Berufungen wird das Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§ 285i StPO).
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