European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00040.16P.0628.000
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
Kurt N***** wurde mit (seit 21. März 2014 rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 6. Juni 2013, GZ 41 Hv 15/11p‑66, mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (idF BGBl I 2004/15) sowie weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Mit Beschluss vom 13. August 2015, GZ 37 Ns 1/15a‑148, wies das Landesgericht Feldkirch den Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme dieses Strafverfahrens ab; seiner dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit (Kurt N***** am 22. Oktober 2015 zugestelltem) Beschluss vom 9. Oktober 2015, AZ 7 Bs 259/15v, keine Folge.
Rechtliche Beurteilung
Unter Behauptung einer Verletzung des Art 6 MRK beantragte der Verurteilte am 21. April 2016 die Erneuerung des die Wiederaufnahme betreffenden (Beschwerde‑)Verfahrens gemäß § 363a StPO; dieser Antrag erweist sich als unzulässig.
Art 6 Abs 1 MRK findet auf Verfahren über „zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen“ („civil rights“) und auf Verfahren über die „Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage“, Abs 2 und 3 leg cit finden nur auf letztere Anwendung.
Verfahren über außerordentliche Rechtsbehelfe, die lediglich auf die Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossener Verfahren gerichtet und ihrer Natur sowie Reichweite nach nicht als gewöhnliche Rechtsmittel anzusehen sind, fallen nach ständiger Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch des Obersten Gerichtshofs nicht in den Anwendungsbereich des Art 6 MRK, weil sie – anders als ein wiederaufgenommenes Verfahren, in dem der Fall neuerlich geprüft wird – grundsätzlich nicht zu einer Entscheidung über „zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen“ oder über „strafrechtliche Anklagen“ führen (RIS‑Justiz RS0120762, RS0105689; Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 24 Rz 16; vgl auch jüngst EGMR 5. 2. 2015 [GK], 22251/08, Bochan/Ukraine und die in Rz 44 zitierten Entscheidungen).
Indem der Erneuerungswerber – unter Bezugnahme auf Entscheidungen des EGMR, die seine Sichtweise nicht stützen (vgl in diesem Zusammenhang 14 Os 35/16b) – behauptet, die Frage der Anwendbarkeit von Art 6 MRK auf das Wiederaufnahmeverfahren sei „bis dato in der Judikatur und Literatur nicht fundiert behandelt worden“ und „der Anspruch auf (…) Wiederaufnahme bei Menschenrechtsverletzungen“ sei „menschenrechtlich abgesichert“, übergeht oder missinterpretiert er die gefestigte Judikatur und übersieht im Übrigen, dass der EGMR den dargelegten Denkansatz auch in jenen Fällen vertritt, in denen die Erneuerung eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens infolge der Feststellung einer Konventionsverletzung angestrebt wird (RIS‑Justiz RS0120762 [T3]; neuerlich EGMR 5. 2. 2015 [GK], 22251/08, Bochan/Ukraine [Rz 45]; zur Erneuerung gemäß § 363a StPO vgl EGMR 6. 5. 2003, 27569/02, Fischer/Österreich ).
Die Versuche des Antragstellers, einen „Anspruch auf Wiederaufnahme“ aus Art 1, 5, 13 und 46 MRK abzuleiten, sind nicht nachvollziehbar.
Soweit der Erneuerungswerber – unter Verweis auf EGMR 21. 9. 1993, 12235/86, Zumtobel/Österreich – behauptet, auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Art 6 MRK sei „jeder Sachverhalt im Grundrechtsbereich 'point by point' gründlich zu untersuchen“, und im Wiederaufnahmeverfahren müsse ein „umfassendes fundiertes kontradiktorisches Verfahren“ über jene Beweise durchgeführt werden, die belegen sollen, „dass der Strafprozess seinerzeit im Widerspruch zu Art 6 EMRK abgelaufen ist“, legt er die Zulässigkeit seines – der Sache nach ausschließlich auf Art 6 MRK gestützten – Antrags ebenfalls nicht schlüssig dar.
Die auf diesen Thesen aufbauenden Annahmen, die „Untergerichte“ seien „in unvertretbarer Weise mit den Beweisanträgen umgegangen“, hätten sich nicht die Mühe gemacht, den Wiederaufnahmeantrag und die vorgelegten Beweismittel zu lesen, und hätten offenkundig die Objektivitätspflicht verletzt, sind daher ebenso wenig einer inhaltlichen Erwiderung zugänglich wie die Kritik am Ersturteil und an § 357 Abs 3 StPO, die allgemeinen Ausführungen „zur Problematik der juristischen Beurteilung von Kindesmissbrauch“ und die neuerlichen Auseinandersetzungen des Antragstellers mit den im Wiederaufnahmeverfahren (erfolglos) beigebrachten Tatsachen und Beweismitteln.
Der Erneuerungsantrag war daher in sinngemäßer Anwendung des Art 35 Abs 3 lit a MRK schon bei der nichtöffentlichen Beratung als unzulässig zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0128394 [T1]).
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