OGH 14Os35/16b

OGH14Os35/16b24.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Mai 2016 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richters Mag. Einberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Götz B***** wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (idF vor BGBl I 2015/112), AZ 14 Hv 31/14h des Landesgerichts Klagenfurt, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00035.16B.0524.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 12. September 2014, GZ 14 Hv 31/14h‑53, wurde Dr. Götz B***** des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (idF vor BGBl I 2015/112) schuldig erkannt und hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er sich im Februar 2013 in Klagenfurt ihm anvertraute Güter, nämlich zwei Supraporten-Bilder im Wert von etwa 20.000 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zueignete, indem er die im Eigentum von Gabriele, Lieselotte und Peter K***** stehenden Bilder aus von ihm angemieteten Wohnräumlichkeiten verbrachte und über das Dorotheum in Wien zum Verkauf anbot.

Mit Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 3. Dezember 2014, AZ 8 Bs 359/14a (ON 65), wurde seiner dagegen erhobenen Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe und wegen des Ausspruchs über die Schuld nicht, jener gegen den Strafausspruch hingegen Folge gegeben und die über ihn verhängte Freiheitsstrafe herabgesetzt.

Mit Beschluss vom 21. Jänner 2016, GZ 14 Hv 31/14h‑74, wies das Landesgericht Klagenfurt einen Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme dieses Strafverfahrens ab. Seiner dagegen gerichteten Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 8. März 2016, AZ 9 Bs 47/16d (ON 77), nicht Folge.

Mit Eingabe vom 15. April 2016 beantragt Dr. Götz B***** die Erneuerung des die Wiederaufnahme betreffenden (Beschwerde‑)Verfahrens nach § 363a StPO, wobei er inhaltlich mit Bestimmtheit (RIS‑Justiz RS0124359) bloß eine Verletzung des

Art 6 Abs 1 MRK geltend macht.

Rechtliche Beurteilung

Weshalb aber die Garantien des Art 6 MRK entgegen ständiger ‑ vom Antragsteller großteils ignorierter oder missinterpretierter ‑ Rechtsprechung sowohl des Obersten Gerichtshofs als auch (grundsätzlich) nach jener des EGMR (Relativierungen wie im Urteil vom 2. Juli 2010, 30604/07, Melis/Griechenland, sind hier nicht von Bedeutung, weil die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche im Rechtsweg nicht in Rede steht) auf ein Verfahren über die Wiederaufnahme des Strafverfahrens anwendbar sein sollten, obwohl in diesem nicht über die „Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage“ (oder über zivilrechtliche Ansprüche und Verbindlichkeiten) entschieden wird (RIS‑Justiz RS0105689 und RS0120762; EGMR Urteil 5. 2. 2015 [GK], 22251/08, Bochan/Ukraine [Z 44]; Zulässigkeitsentscheidung 6. 5. 2003, 27569/02, Fischer/Österreich;Zulässigkeitsentscheidung 6. 7. 2010, 5980/07, Öcalan/Türkei; VfSlg 16.245; zum Ganzen auch Nordmeyer, WK‑StPO § 196 Rz 6; Miehsler/Vogler, IntKomm EMRK Art 6 Rz 221; Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 24 Rz 16), legt der Antrag nicht substantiiert und schlüssig dar (vgl erneut RIS-Justiz RS0124359).

Die im Antrag zitierten Erkenntnisse des EGMR entsprechen einerseits ohnehin der dargestellten Judikatur (EGMR 20. 7. 2004, 50178/99, Nikitin/Russland; EGMR 4. 10. 2007, 32772/02, Tierfabriken Schweiz [VGT]/Schweiz [hinsichtlich eines Verfahrens auf Wiederaufnahme nach Feststellung einer Konventionsverletzung durch den EGMR]) oder enthalten andererseits dazu keine Aussage, weil sie ‑ auch nach dem Antragsvorbringen ‑ die Frage der Wiedergutmachung festgestellter Konventionsverletzungen (vgl dazu auch RIS-Justiz RS0121861, RS0126720, RS0127260), vor allem die Folgen der ‑ hier nicht in Rede stehenden ‑ Durchführung eines Verfahrens in Abwesenheit eine

r Person betreffen, die nicht in offenkundiger Weise auf ihr Recht, vor Gericht zu erscheinen, verzichtet hatte (EGMR

10. 11. 2004, [richtig:] 56581/00, Sejdovic/Italien; EGMR 12. 2. 1985, 9024/80, Colozza/Italien).

Die in diesem Zusammenhang erfolgte Bezugnahme auf Art 1, 46, 5 und 13 MRK ist (auch mit Blick auf die in der Strafprozessordnung ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit eines rechtskräftig Verurteilten, die Wiederaufnahme des Strafverfahrens unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen zu verlangen [§§ 353 ff StPO] und Beschwerde gegen eine abweisliche Entscheidung zu erheben [§§ 87 ff StPO]) nicht nachvollziehbar.

Davon abgesehen wird mit dem Vorbringen, der mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegte Aktenvermerk vom 16. Dezember 1987 sei sehr wohl ein neues Beweismittel im Sinne des § 353 Z 2 StPO, weil er sich nach der „festen Überzeugung der Verteidigung“ zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung „nicht im seinerzeitigen Akt befunden habe“ und auch „im Verhandlungsprotokoll … nicht als vorhanden festgestellt und erörtert wurde“, eine ‑ bloß nominell angesprochene ‑ Grundrechtsverletzung gar nicht

deutlich und

bestimmt aufgezeigt (RIS-Justiz RS0122737 [T17], RS0128393), sondern bloß die gegenteilige Annahme von Erst- und Beschwerdegericht (ON 74 S 5, ON 77 S 3 f) unsubstantiiert bestritten. Gleiches gilt für die nicht näher begründete polemische Behauptung, „die Untergerichte“ seien „in geradezu frivoler Weise mit den Beweisanträgen umgegangen“.

Soweit der Antragsteller damit und schließlich mit dem (in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss nicht erhobenen) Vorwurf unterbliebener amtswegiger Beweisaufnahmen durch das Erstgericht (zur ‑ im Übrigen unerheblichen ‑ Frage, ob die Einzelrichterin des Hauptverfahrens „sich in der Hauptverhandlung seinerzeit über die Einstellung des Verfahrens im Jahre 1988 verwundert gezeigt habe“) inhaltlich auch den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 21. Jänner 2016, GZ 14 Hv 31/14h‑74, kritisiert, übersieht er, dass

Erneuerungsanträge gegen Entscheidungen, die der

Erneuerungswerber mit

Beschwerde anfechten kann, unzulässig sind (für viele: 13 Os 47/11b [13 Os 54/11g]).

Der Antrag war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO; vgl dazu 17 Os 11/12i).

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