European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00038.16A.0627.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Martin M***** und Christian Ma***** jeweils des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie „in B***** und anderen Orten in Österreich in der Zeit von Oktober 2003 bis Jänner 2011, Martin M***** als Sektionsleiter, Obmann-Stellvertreter bzw Obmann und Christian Ma***** als Kassier‑Stellvertreter bzw Kassier des [Volleyballvereins] ***** sowie beide Angeklagte zudem in ihrer Eigenschaft als seit dem Jahr 2001 für den Bundesligabereich aufgrund eines Vorstandsbeschlusses Alleinverantwortliche, ihre diesbezügliche Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, in mehreren Angriffen wissentlich missbraucht, indem sie in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln (insbesondere gegen §§ 1 und 21 ff VerG) verstießen, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten, nämlich dem Verein als Rechtspersönlichkeit dienten, sowie Ermessensmissbrauch begingen und diesen [Verein] dadurch am Vermögen geschädigt und [ihm] einen 5.000 Euro (nicht jedoch 300.000 Euro) übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, indem Christian Ma***** in Umsetzung des gemeinsamen Tatplans insgesamt etwa 241.053,39 Euro in verschiedenen Teilbeträgen ohne Rechtsgrundlage bar von Bankkonten des Vereins behob, davon etwa 123.712,94 Euro für seinen persönlichen Lebensbedarf verwendete und etwa 117.340,45 Euro an Martin M***** zum privaten Verbrauch übergab“.
Nach den weiteren maßgeblichen tatsächlichen Annahmen des Schöffengerichts übten die beiden (auch) für die Vermögensdispositionen des Bundesligabereichs des Vereins alleinverantwortlichen Angeklagten ihre gesamte Tätigkeit für den Verein „ehrenamtlich“ aus, sodass ihnen hiefür kein Entgelt zustand und sie zur Entnahme eines solchen nicht berechtigt waren. Im Fall zeitnaher Abrechnung wären ihnen „auf Basis exakt errechneter Reisediäten und Fahrtspesen auf Grundlage von Pauschalsätzen, die gemäß Rz 774 der Vereinsrichtlinien 2001 der österreichischen Finanzverwaltung für gemeinnützige Sportvereine galten, auf Basis zeitnah geführter Fahrtenbücher und Unterlagen“ ab 2001 Aufwandsentschädigungen – die für die Jahre 2003 bis 2011 beim Angeklagten M***** insgesamt 94.496,74 Euro und beim Angeklagten Ma***** insgesamt 46.372,27 Euro betragen hätten – zugestanden. Solche Rechnungslegungen erfolgten jedoch nicht (US 5, 9 f).
„In Absprache“ mit dem Angeklagten M***** behob der Angeklagte Ma***** im angeführten Zeitraum von Vereinskonten insgesamt 211.837,19 Euro, die er dem Angeklagten M***** für dessen persönlichen Gebrauch zukommen ließ, sowie insgesamt 170.086,21 Euro, die er für seinen eigenen persönlichen Gebrauch verwendete, wobei die Behebungen keinen Eingang in das Rechnungswesen des Vereins fanden (US 6 ff).
Die Angeklagten wussten, dass sie zu – zumindest (vgl US 22 f) Aufwandsentschädigungen im oben genannten Ausmaß übersteigenden – Privatentnahmen nicht berechtigt waren und daher ihre Befugnisse, über Vereinsvermögen zu disponieren, missbrauchten, und hielten es ernstlich für möglich und fanden sich damit ab, dass sie dem Verein dadurch einen 5.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zufügten.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die jeweils auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, denen keine Berechtigung zukommt:
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*****:
Mit der Behauptung eines inneren Widerspruchs (Z 5 dritter Fall) zwischen den Feststellungen, wonach den Angeklagten bereits ab 2001 (US 9) oder erst ab 2003 (US 10) theoretisch Aufwandsentschädigungen zugestanden wären, lässt die Beschwerde nicht erkennen, inwieweit dadurch einzelne Taten oder die Wertgrenze des § 153 Abs 3 erster Fall StGB und damit der Ausspruch über für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsachen berührt sein sollen (vgl US 9 f und US 20 [letzter Absatz] f).
Der gegen die Annahmen des Schöffengerichts zu den den Angeklagten theoretisch zustehenden Aufwandsentschädigungen (US 9) gerichtete Einwand, die bezeichneten Pauschalsätze hätten „ausschließlich einen steuerlichen Hintergrund“ und würden der Auszahlung höherer Beträge unter dem Titel Aufwandsersatz nicht entgegenstehen, zeigt keinen Begründungsmangel iSd Z 5 auf, sondern bekämpft in unzulässiger Form die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Mit den Behauptungen, die Feststellungen zu den den Angeklagten zukommenden Befugnissen seien „zumindest undeutlich“ (Z 5 erster Fall) oder würden überhaupt fehlen (Z 9 lit a), orientieren sich Mängel‑ und Rechtsrüge nicht an den Entscheidungsgründen in ihrer Gesamtheit, indem sie nur auf die Urteilspassage, wonach im Jahr 2001 die Vereinsagenden und die Verantwortung im Verein in zwei Teile aufgeteilt wurden sowie den beiden Angeklagten ab diesem Zeitpunkt aufgrund des diesbezüglichen Beschlusses alleine die gesamte Verantwortung im Bereich Bundesliga oblag (US 5 dritter Absatz), Bezug nehmen und die weiteren Konstatierungen der Tatrichter vernachlässigen, dass die Angeklagten in ihren Funktionen die Befugnis hatten, über das Vermögen des Vereins zu verfügen, wobei sie ihre Tätigkeit „ehrenamtlich“ ausübten und demgemäß für erbrachte Leistungen keinen Anspruch auf Entgelt hatten (s insb US 5 f, 10, 19, 22 und 24). Welche über die getroffenen Annahmen hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich seien, sagt die Beschwerde überdies nicht.
Dem weiteren Vorbringen (Z 5 vierter Fall) zuwider blieb die Begründung der Feststellungen zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs durch die Formulierung „Die getroffenen Feststellungen zur jeweiligen subjektiven Tatseite sind logische Schlussfolgerungen aus den objektiven Gegebenheiten“ (US 19) nicht offenbar unzureichend, ist doch der vom Schöffengericht gezogene Schluss vom – im Urteil beschriebenen – äußeren Ablauf der Ereignisse (vgl insb US 5, 15, 17 f, 19 f, 21 f) auf die subjektive Tatseite unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (vgl RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882).
Die Aussagen der Zeugen Alois O*****, Josef T*****, Gerhard Ma***** und Peter T***** wurden in diesem Zusammenhang nicht übergangen (Z 5 zweiter Fall), sondern im Urteil erörtert (vgl US 14 bis 17, 22); auch mit den Verantwortungen der beiden Angeklagten (wonach sie seit 2001 hinsichtlich der Geldverwaltung im „Bereich Bundesliga“ „keine Einschränkungen“, sondern nur die Auflage hatten, keine neuen Schulden zu machen) setzten sich die Tatrichter auseinander (US 17 ff). Dass das Schöffengericht aus den Angaben der Zeugen und der Angeklagten nicht die von der Beschwerde gewünschten Schlüsse zog, stellt keine Unvollständigkeit dar (RIS‑Justiz RS0118316).
Mit Hinweisen darauf, dass die beiden Angeklagten ihren Verantwortungen und den Aussagen der genannten Zeugen zufolge den Verein mit 600.000 Schilling Schulden übernommen hätten, persönliche Haftungen eingegangen wären und den Bundesligabereich im Jahr 2011 mit einem Guthaben von rund 100.000 Euro an den Verein übergeben hätten, vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.
Die Behauptung der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Erstgericht habe in Verkennung des Umstands, „dass die Frage, ob bzw inwieweit die Bezüge eines Vereinsmitglieds überhöht sind, durch einen Fremdvergleich zu lösen“ sei, keine entsprechenden – einen solchen Vergleich ermöglichenden – Feststellungen „des fremdüblichen Entgelts“ getroffen, vernachlässigt erneut die Annahmen, wonach die Angeklagten ihre Tätigkeit „ehrenamtlich“ ausübten und demgemäß für erbrachte Leistungen keinen Anspruch auf ein Entgelt hatten, wobei ihnen Aufwandsentschädigungen nur im Fall – hier aber nicht erfolgter – fristgerechter Abrechnung nach den oben genannten Kriterien zugestanden wären (US 5 f, 9 f), sodass keine Basis für die Behauptung der Notwendigkeit eines „Fremdvergleichs“ zwecks Prüfung der Angemessenheit der Höhe eines Entgelts besteht.
Mit dem Hinweis auf die wirtschaftlich erfolgreiche Führung des Bundesligabereichs durch die Angeklagten von 2001 bis 2011, der zufolge ihre Entnahmen eine wesentlich geringere Belastung für den Verein dargestellt hätten, als wenn die identen Leistungen von fremden Personen erbracht worden wären, sodass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise kein Schaden entstanden sei (vgl aber RIS‑Justiz RS0094565 [insb T6]; Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153 Rz 39 f), nimmt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) weder den gebotenen Vergleich des festgestellten Sachverhalts mit dem zur Anwendung gebrachten materiellen Recht vor, noch gelingt es ihr solcherart Feststellungsmängel (vgl dazu RIS‑Justiz RS0118580) darzutun.
Das Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), es würden auch Feststellungen dazu fehlen, „dass sich der Verein selbst nicht als Geschädigter sieht“ und sich dem Verfahren auch nicht als Privatbeteiligter angeschlossen habe, betrifft keine entscheidenden Tatsachen.
Die tätige Reue reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit b) übergeht die Feststellungen, dass die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer spätestens seit 8. April 2011 auch wegen der in Rede stehenden Taten das Ermittlungsverfahren führte (vgl US 10 f), sodass eine allfällige, frühestens am 6. Mai 2011 (durch vertragliche Verpflichtung des Angeklagten und teilweisen Verzicht des Vereins) erfolgte Schadensgutmachung nicht rechtzeitig iSd § 167 Abs 2 StGB erfolgt wäre. Warum aus der staatsanwaltschaftlichen Sicherstellungsanordnung betreffend Buchhaltungsunterlagen des Vereins zur Prüfung, „ob Zahlungen auch für andere, allenfalls private Zwecke verwendet wurden“ (US 11), nicht auf das Vorliegen eines hinreichend konkreten Tatverdachts zu schließen sei, lässt die Beschwerde offen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ma*****:
Mit den Einwänden der Mängelrüge, (1./) die Feststellungen betreffend die den beiden Angeklagten zukommenden Befugnisse seien undeutlich (Z 5 erster Fall), (2./) die dazu vorliegenden Annahmen seien infolge Nichtberücksichtigung der Aussagen der Zeugen Alois O*****, Josef T*****, Gerhard Ma***** und Peter T***** unvollständig (Z 5 zweiter Fall) sowie nicht oder offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) begründet worden, sowie (3./) auch der Ausspruch, dass die Angeklagten ihre Befugnis, über das Vereinsvermögen (auch) im „Bereich Bundesliga“ (nur) iSd Vereinszwecks zu verfügen, wissentlich missbrauchten, sei infolge mangelnder inhaltlicher Auseinandersetzung mit den Angaben der eben genannten Zeugen und der beiden Angeklagten unvollständig begründet worden (Z 5 zweiter Fall), wird der Beschwerdeführer auf die Antwort zum inhaltsgleichen Vorbringen des Angeklagten M***** verwiesen.
Die das Fehlen einer Erörterung der Aussagen der zuvor genannten Zeugen auch betreffend die Feststellungen zum Schädigungsvorsatz behauptende Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) vernachlässigt, dass nur Tatsachenbekundungen, nicht aber Schlussfolgerungen, Wertungen oder Meinungen zu Wissen und Wollen des Angeklagten Gegenstand des Zeugenbeweises und demnach erörterungspflichtig sind (RIS‑Justiz RS0097540). Mit den – insbesondere die subjektive Tatseite in Abrede stellenden – Verantwortungen der beiden Angeklagten wiederum setzten sich die Tatrichter eingehend auseinander (s insb US 19 ff).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit der Hervorhebung von Details aus den Aussagen der zuvor genannten Zeugen und der Behauptung, der „Ausschluss“ eines Aufwandsersatzes für den Zeitraum vor 2001 stehe in Widerspruch zu diesen und den Verantwortungen der Angeklagten, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der zur subjektiven Tatseite –so insbesondere auch zum (Eventual‑)Vorsatz, den Verein durch den wissentlichen Befugnismissbrauch an dessen Vermögen in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag zu schädigen (US 10, 21 f) – getroffenen Konstatierungen zu wecken.
Soweit (auch) die Rechtsrüge (Z 9 lit a) des Angeklagten Ma***** – unter Hinweis darauf, dass die Angeklagten den Bundesligabereich „nicht im Rahmen ihrer Vereinsfunktionen“, sondern vielmehr allein aufgrund einer rechtsgeschäftlich eingeräumten Befugnis geführt hätten, derzufolge sie das Bundesligabudget hätten „frei“ verwalten und Aufwandsersätze auch für die Vergangenheit entnehmen dürfen – „nähere Feststellungen zum Umfang der Befugnisse der Angeklagten“ vermisst, vernachlässigt sie die dem Standpunkt des Nichtigkeitswerbers entgegenstehenden Konstatierungen zur Befugnis der beiden Angeklagten (vgl die Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*****).
Warum die Feststellungen, dass im Zuge des gegen den Angeklagten M***** aufgrund mehrerer Anzeigen geführten Ermittlungsverfahrens am 27. April 2011 beim Angeklagten Ma***** Buchhaltungsunterlagen des Vereins sichergestellt wurden und in der dieser Maßnahme zugrundeliegenden Sicherstellungsanordnung bereits von zweckwidriger Verwendung von Vereinsgeldern („für andere, allenfalls private Zwecke“) die Rede war (US 10 f), nicht ausreichend seien, um vom Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für einen auch den Beschwerdeführer betreffenden Tatverdacht und damit davon ausgehen zu können, dass die Staatsanwaltschaft bereits vor dem Zeitpunkt der behaupteten Schadensgutmachung am 6. Mai 2011 von dessen Verschulden erfahren habe (vgl Kirchbacher in WK² StGB § 167 Rz 41), lässt die – dies bloß behauptende – Rechtsrüge (Z 9 lit b) offen. Mangels Rechtzeitigkeit einer allfälligen Schadensgutmachung erübrigt sich ein Eingehen auf die Behauptungen, es hätte noch weiterer Feststellungen zur „Freiwilligkeit“ der Schadensgutmachung sowie dazu bedurft, ob die Angeklagten ihren Verpflichtungen (fristgerecht) nachgekommen sind.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerungen der Verteidiger – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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