OGH 11Os3/16z

OGH11Os3/16z14.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Nordmeyer, Mag. Michel und Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Jülg, BSc, als Schriftführer in der Strafsache gegen Vlatko C***** wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. November 2015, GZ 47 Hv 101/15p‑38, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen einen zugleich gefassten Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00003.16Z.0614.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Vlatko C***** (abweichend von der Anklage [ON 22] zu I in Richtung § 176 Abs 1 StGB) jeweils eines Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB aF, sowie der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB aF (I), des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB (II) und der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB aF (III) schuldig erkannt.

Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung hat er am 16. Jänner 2015 in W*****

I./ Fahrzeuge anderer Personen, sohin fremde Sachen, durch Touchieren mit einem Pkw beschädigt und dadurch an diesen einen 3.000 Euro übersteigenden Gesamtschaden herbeigeführt (US 12);

II./ Bezirksinspektor Andreas S***** mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Identitätsfeststellung gemäß § 118 StPO, gehindert, indem er mit einem PKW auf ihn zufuhr, sodass dieser zur Seite springen musste;

III./ durch die zu (richtig:) Punkt II./ geschilderte Handlung versucht, einen Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten am Körper zu verletzen.

Rechtliche Beurteilung

Ausschließlich gegen den Schuldspruch I./ wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (aF) und gegen den Schuldspruch III./ richtet sich die aus Z 5, 5a, 9 (lit) a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind von einander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS‑Justiz RS0115902).

Mit der pauschalen Geltendmachung von „Nichtigkeit nach § 281 Z 5 und Z 5a StPO“ wird diese prozessordnungsgemäße Darstellung verfehlt.

Indem die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) zunächst substratlos Undeutlichkeit der Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite behauptet, bezeichnet sie den Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt.

Gleiches gilt, wenn die Rüge einwendet, das Erstgericht habe „keine konkreten Feststellungen zum angeblich vorliegenden Vorsatz des Angeklagten getroffen“, diese gleichzeitig aber als nicht oder nur zum Schein, widersprüchlich oder nicht ausreichend begründet bezeichnet.

Im Übrigen sei Folgendes erwidert:

Die ausdrücklich auch 3.000 Euro übersteigende Schäden an den Fahrzeugen umfassende Wissens‑ und Wollenskomponente des Angeklagten leiteten die Tatrichter aus dem rücksichtslosen Fahrverhalten des Angeklagten ab, der sich nach Einhaltung einer stark überhöhten Geschwindigkeit zu waghalsigen Fahrmanövern veranlasst sah, um der Polizei zu entkommen (US 15).

Indem die zwischen Konstatierungen und Beweiswürdigung nicht differenzierende Mängelrüge eine Begründung der Feststellungen zum Eventualvorsatz vermisst (Z 5 vierter Fall), dabei aber nicht von den dargelegten Entscheidungsgründen ausgeht, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0119370).

Die Feststellungen zum Verletzungsvorsatz leitete das Erstgericht aus dem äußeren Tatgeschehen ab (US 14).

Diese von der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) prozessordnungswidrig übergangene Gedankenführung ist mit Blick auf das festgestellte Zufahren mit einem PKW auf den Beamten, der eine Verletzung nur durch einen Sprung auf die Seite verhindern konnte, unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882).

Weshalb die zur inneren Tatseite der schweren Sachbeschädigung und zur schweren Körperverletzung getroffenen Konstatierungen (US 11 und 12) nicht ausreichend sein sollten, obwohl diesen die Elemente des Eventualvorsatzes (§ 5 Abs 1 letzter Halbsatz StGB) unmissverständlich zu entnehmen sind, leitet die Rüge (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl aber RIS‑Justiz RS0116565).

Indem die Beschwerde eigene

beweiswürdigende Überlegungen anstellt und daraus günstige Schlüsse für den Beschwerdeführer ableitet, bekämpft sie bloß unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, inhaltlich zum Teil Z 10) beschränkt sich darauf, den zu den genannten Schuldsprüchen festgestellten Tatvorsatz zu bestreiten und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO) und die Beschwerde (§ 498 Abs 3 letzter Satz StPO) des Genannten folgt.

Hinzugefügt sei, dass dem Erstgericht beim Schuldspruch I./ wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 Abs 1 StGB ein dem Angeklagten zum Vorteil gereichender Subsumtionsfehler unterlaufen ist. Werden durch dieselbe Tat mehrere Personen gefährdet, wird § 89 StGB in gleichartiger Idealkonkurrenz mehrfach verwirklicht (vgl Burgstaller/Schütz in WK 2 StGB § 89 Rz 47).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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