OGH 12Os155/15h

OGH12Os155/15h12.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Mai 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fritsche als Schriftführerin in der Strafsache gegen René E***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten René E***** und Kevin N***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht vom 2. September 2015, GZ 36 Hv 41/15a‑31, und über die Beschwerde des Angeklagten René E***** gegen den zugleich gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00155.15H.0512.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten René E***** werden das angefochtene Urteil in dem diesen Angeklagten betreffenden Schuldspruch I./ und im bezughabenden Strafausspruch sowie der nach § 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefasste Beschluss aufgehoben, insoweit eine

neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte René E***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Kevin N***** wird zurückgewiesen.

Über seine Berufung wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.

Dem Angeklagten Kevin N***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurden die Angeklagten René E***** und Kevin N***** des Verbrechens des Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB (I./), Kevin N***** darüber hinaus des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach haben ‑ soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden von Relevanz ‑ am 6. März 2015 in der Justizanstalt G*****

I./ René E***** und Kevin N***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Erwin P***** dadurch, dass René E***** ihm mehrere Faustschläge gegen das Gesicht versetzte und überdies mit den Worten „Ich bring dich um, wenn du mir das Handy nicht gibst“ bedrohte, während Kevin N***** das Opfer mehrmals zur Herausgabe des Mobiltelefons aufforderte, also mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein Mobiltelefon, mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die vom Angeklagten René E***** auf Z 5 und vom Angeklagten Kevin N***** jeweils auf Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten René E*****:

Dem Vorbringen der Mängelrüge zuwider liegt Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) wegen der unterbliebenen gesonderten Erörterung der Aussagepassage des Zeugen Nico R*****, wonach der Angeklagte E***** seines Wissens nach seine Mutter anrufen wollte, nicht vor, weil die Tatrichter dem genannten Zeugen erkennbar generell jede Glaubwürdigkeit absprachen und sie daher nicht gehalten waren, sich mit jedem Aussagedetail einzeln auseinanderzusetzen (US 13; RIS-Justiz RS0098642).

Zutreffend reklamiert der Angeklagte René E***** jedoch insoweit Unvollständigkeit iSd Z 5 zweiter Fall, als dessen Aussage, er habe das Mobiltelefon haben wollen, um damit seine Eltern anzurufen, und er hätte es anschließend wieder zurückgegeben (ON 21 S 3 und ON 30 S 11), sowohl der Annahme eines auf die eigene unrechtmäßige ‑ also über einen kurzfristigen Gebrauch hinausgehende (vgl RIS-Justiz RS0093488) ‑ Bereicherung gerichteten Vorsatzes als auch der Feststellung einer auf die Bereicherung seines Mittäters gerichteten inneren Tatseite entgegensteht und daher erörterungsbedürftig gewesen wäre (RIS-Justiz RS0098495).

Da die Tatrichter sich mit diesen Verfahrensergebnissen nicht auseinandersetzten, ist die ‑ alleine auf das äußere Tatgeschehen abstellende (US 13) ‑ Begründung ihrer Feststellungen zur subjektiven Tatseite dieses Angeklagten unvollständig.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil daher in Ansehung des Angeklagten René E***** im Schuldspruch I./ sowie im betreffenden Strafausspruch und demzufolge auch der nach § 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefasste Beschluss aufzuheben, insoweit eine

neue Hauptverhandlung anzuordnen und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Wiener Neustadt zu verweisen (§ 285e StPO).

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde war der genannte Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Kevin N*****:

Die von der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) vermisste konkrete Begründung der zur Äußerung des Angeklagten Kevin N***** getroffenen Feststellung finden sich auf US 11 bis 13. Der in diesem Zusammenhang erhobene und die tatrichterlichen Erwägungen zur Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeugen Erwin P***** und Nico R***** betreffende Vorwurf einer Scheinbegründung kritisiert nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0098471 [T1]).

Gleiches gilt im Ergebnis für die im selben Zusammenhang vorgebrachten Ausführungen der Tatsachenrüge zur Glaubwürdigkeit der Zeugen Erwin P***** und Nico R*****, welche verkennen, dass Z 5a des § 281 Abs 1 StPO lediglich unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung verhindern will, nicht aber außerhalb solcher Sonderfälle eine Überprüfung der Beweiswürdigung ermöglicht (RIS-Justiz RS0118780).

Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt ihre prozessordnungsgemäße Darstellung, weil sie die gebotene Ableitung aus dem Gesetz unterlässt, weshalb die konstatierte ‑ den Versuch des Angeklagten René E*****, dem Zeugen Erwin P***** ein Mobiltelefon durch Schläge und Drohungen abzunötigen, begleitende ‑ Forderung des Angeklagten Kevin N*****, „das … Handy endlich herzugeben“ (US 7), fallaktuell nicht als zur Begründung von Mittäterschaft ausreichende Beteiligung an der Ausführungsphase der Tat zu beurteilen wäre (RIS-Justiz RS0116569, RS0089521, RS0090011).

Ein Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO zu Gunsten dieses Beschwerdeführers ist durch die solcherart erforderliche Aufhebung des den Erstangeklagten betreffenden Schuldspruchs nicht indiziert, weil das oben erwähnte und von den Tatrichtern übergangene ‑ in seiner Rüge nicht relevierte ‑ Beweisergebnis dessen innere Tatseite nicht tangiert und diesem daher nicht dieselben Gründe zustatten kommen, auf denen die Aufhebung des den Angeklagten René E***** betreffenden Schuldspruchs beruht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Kevin N***** war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Über die Berufung dieses Angeklagten wird somit das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung in Ansehung dieses Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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