Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem ‑ auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch des Angeklagten von einem gleichartigen Vorwurf enthaltenden - angefochtenen Urteil wurde Dragoslav K***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 vierter Fall, 15 StGB (I) sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II) und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (III) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien
(I) im Urteil angeführten Gewährsamtsträgern näher bezeichnete fremde bewegliche Sachen von 50.000 Euro übersteigendem Wert mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, teils weggenommen, teils dies versucht, indem er auf im Urteil beschriebene Weise in Wohnstätten einbrach, einstieg oder mit einem nachgemachten Schlüssel eindrang, und zwar
(A bis D) in vier vom 10. April 1996 bis zum 23. Mai 1997 begangenen Angriffen (Gesamtwert des erbeuteten Diebsguts 80.143 Euro);
(E bis R) in 14 vom 22. November 2010 bis zum 11. Mai 2015 begangenen Angriffen (Gesamtwert des erbeuteten Diebsguts 37.632 Euro);
(II) Urkunden, nämlich einen Behindertenausweis und eine Jahreskarte der Wiener Linien, sowie
(III) ein unbares Zahlungsmittel, nämlich eine Bankomatkarte,
die jeweils auf Waltraud P***** ausgestellt waren und über die er nicht verfügen durfte, seit 14. April 2014 mit Gebrauchsverhinderungsvorsatz unterdrückt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Verfahrensrüge (Z 4) glaubt Verteidigungsrechte des Angeklagten dadurch verkürzt, dass ihm die Anklageschrift (ON 153) nicht (persönlich) zugestellt wurde. Sie scheitert schon am Fehlen eines diesbezüglichen Antrags in der Hauptverhandlung (RIS-Justiz RS0099244 [T1], RS0099250).
Gerade nichts dergleichen beantragt wurde mit der im Rechtsmittel wiedergegebenen Erklärung der Verteidigerin, sie „spreche sich gegen“ eine in der Hauptverhandlung vorgenommene Ausdehnung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft „aus“ (ON 241 S 5). Dass die - zutreffend formlose ( Lewisch , WK-StPO § 263 Rz 94) - Erstreckung der Verhandlung und des Urteils auf die dadurch neu hinzugekommenen, den Schuldsprüchen I M bis R, II und III entsprechenden Anklagepunkte gegen § 263 StPO verstoßen habe (Z 8), wird von der Beschwerde dabei ‑ zu Recht (§ 263 Abs 1 zweiter Satz StPO) ‑ nicht behauptet; ebenso wenig beanstandet sie, dass dies entgegen der Prozesserklärung des Angeklagten (Z 4) - die mangels eines deutlich und bestimmt formulierten Begehrens gar keine Entscheidungspflicht des Gerichts auslösen konnte (zu diesem Kriterium prozessordnungskonformer Antragstellung RIS‑Justiz RS0118060 [insbesondere T1]) ‑ geschehen sei (zur Nichtigkeitsrelevanz der in § 263 StPO genannten Vorgänge im gegebenen Zusammenhang siehe Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 242 am Ende und Rz 546).
Nicht in der vom Vorsitzenden und vom Schriftführer unterfertigten Urschrift (ON 241), sondern bloß in einer davon abweichenden, nur vom Schriftführer unterfertigten Fassung des Hauptverhandlungsprotokolls, die dem Rechtsmittelwerber (nach den Registerdaten) gleichwohl (iSd § 271 Abs 6 letzter Satz StPO) zugestellt wurde, ist darüber hinaus eine Erklärung der Verteidigerin festgehalten, wonach der Angeklagte, der „keine Anklageschrift bekommen“ habe, „auch hier auf eine Vorbereitungsfrist bestehen“ werde (dort S 4). Für die Einholung tatsächlicher Aufklärungen (§ 285f StPO) hierüber bestand jedoch kein Anlass. Denn selbst wenn von diesem Protokollsinhalt auszugehen wäre (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 312), könnte auch darin kein prozessual tauglicher ‑ etwa auf die Herbeiführung eines Beschlusses des Schöffensenats auf Vertagung der Hauptverhandlung (§ 238 Abs 2 iVm § 226 Abs 1 Z 4, Abs 2 StPO) abzielender - Antrag erblickt werden.
Soweit damit (der Sache nach) die Durchführung der Hauptverhandlung trotz fehlender Rechtswirksamkeit der Anklageschrift und eine daraus folgende Verletzung des § 221 Abs 2 StPO (mangels Einräumung der gesetzlichen Mindestvorbereitungsfrist) behauptet werden sollte (inhaltlich Z 3; vgl RIS-Justiz RS0097979; Birklbauer/Mayrhofer , WK‑StPO Vor §§ 210-215 Rz 65; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 242), versagt das betreffende Beschwerdevorbringen ebenfalls. Denn die Anklageschrift wurde am 12. April 2012 dem Verteidiger (ON 85 S 7) des damals auf freiem Fuß befindlichen (vgl ON 123) Angeklagten zugestellt (Rückschein an ON 1 S 65 verso), wodurch die 14-tägige Einspruchsfrist in Gang gesetzt wurde (§ 213 Abs 1, Abs 3 iVm § 83 Abs 4 erster Satz StPO); mit deren fruchtlosem Ablauf wurde sie rechtswirksam (§ 213 Abs 4 StPO; RIS‑Justiz RS0125453). Die Anklageschrift darüber hinaus dem Angeklagten persönlich zuzustellen war dazu nicht erforderlich (11 Os 135/14h, RZ 2015, 188 mwN).
Unmissverständlich und willkürfrei stützte das Erstgericht seine die Schuldsprüche tragenden Feststellungen keineswegs nur auf eine „Zusammenschau“ der ‑ in den Entscheidungsgründen ohnehin detailliert angeführten und den einzelnen Schuldspruchfakten zugeordneten (US 10 f) ‑ „Ergebnisse der diesbezüglichen kriminalpolizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen samt der Resultate der Hausdurchsuchungen, DNA-Untersuchungen und daktyloskopischen Auswertungen“. Es gründete sie vielmehr ‑ von der Mängelrüge (Z 5) prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0119370) missachtet - überdies auf das umfassende Geständnis des Angeklagten (US 10), die ihn belastenden Angaben einer (zuletzt gesondert verfolgten) Mitangeklagten (US 11) und den Umstand, dass ein Teil der Beute in seinem Besitz sichergestellt wurde (US 11). Der Vorwurf undeutlicher (Z 5 erster Fall) und offenbar unzureichender (Z 5 vierter Fall) Begründung geht daher ins Leere.
Die selbst verfasste, als „Nichtigkeitsbeschwerde“ bezeichnete Eingabe des Angeklagten ist mit Blick auf die (in § 285 Abs 1 StPO normierte) Einmaligkeit der Ausführung der Beschwerdegründe unbeachtlich (RIS-Justiz RS0100152).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO bleibt anzumerken: Zu Recht ging das Erstgericht (implizit) davon aus, dass die Strafbarkeit der von den Schuldsprüchen I A bis D erfassten Taten ‑ aufgrund den Fortlauf der Verjährungsfrist hemmender Umstände (§ 58 Abs 3 Z 2 StGB) ‑ nicht verjährt (§ 57 Abs 2, Abs 3 StGB; vgl RIS-Justiz RS0128998) ist. War doch wegen dieser Taten in der Zeit von September 1996 (I A) und April 1998 (I B bis D) bis 31. Dezember 2007 (§ 516 Abs 2 vierter Satz StPO) ein Strafverfahren gegen den Angeklagten (im Stadium der Voruntersuchung) bei Gericht anhängig (§ 58 Abs 3 Z 2 StGB idF vor BGBl I 2007/93; vgl RIS-Justiz RS0116876; RS0072368), in dem ein Haftbefehl des Untersuchungsrichters gegen ihn erging, aufgrund dessen (bis zu seiner erstmaligen Festnahme am 3. Juli 2011 im sodann von der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahren) nach ihm gefahndet wurde (§ 323 Abs 4 StGB). Der Wille der Tatrichter, die dazu nötige Feststellungsbasis (RIS-Justiz RS0091794 [insbesondere T4]; RS0118545) zu schaffen, ist dem Urteil (US 7, 8 und 10 f) ‑ zu dessen Ausdeutung in diesem Umfang auch auf den Akteninhalt (vgl ON 1 S 3a iVm ON 4; ON 1 S 3i iVm ON 24; ON 2; ON 30; ON 69) zurückgegriffen werden kann (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19; RIS-Justiz RS0116759 [T1]) ‑ mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.
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