OGH 1Ob54/16x

OGH1Ob54/16x28.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und andere Rechtsanwälte in Wels, und die Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Maxwald und Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. Ing. F***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2. Ing. F***** Gesellschaft mbH, beide *****, vertreten durch Mag. Gerlach Bachinger, Rechtsanwalt in Traun, und 3. A***** GmbH, *****, vertreten durch die Gloyer Dürnberger Rechtsanwälte GmbH; Linz, wegen 28.716,90 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2015, GZ 3 R 155/15g‑59, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 22. September 2015, GZ 2 Cg 103/14w‑55, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00054.16X.0428.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.032,91 EUR (darin 172,15 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die erstbeklagte Partei war bei Errichtung eines Objekts der klagenden Partei mit den Heizungs‑, Lüftungs- und Sanitärinstallationen, der Schwimmbadtechnik sowie der Regelung für den Betrieb, die drittbeklagte Partei war mit der Bauleitung des Bauprojekts beauftragt. Die zweitbeklagte Partei ist die persönlich haftende Gesellschafterin der erstbeklagten Partei.

Die klagende Partei begehrt Schadenersatz und die Feststellung der Haftung für künftige Schäden aus eine nicht dem Stand der Technik entsprechenden Montage und Einstellung der Tauchpumpe. Sie brachte dazu vor, diese Mängel hätten der drittbeklagten Partei als verantwortlicher Bauleiterin bei Überprüfung auffallen müssen, weshalb sie mit der erst‑ und zweitbeklagten Partei solidarisch hafte.

Die drittbeklagte Partei verglich sich während des Verfahrens außergerichtlich mit der klagenden Partei und verpflichtete sich zur Zahlung von 12.500 EUR sowie 25 % der gerichtlichen Pauschalgebühr (400 EUR). In dem von ihr angenommenen Vergleichsvorschlag heißt es unter anderem: „Damit sind alle klagsgegenständlichen Ansprüche gegen ihre Klientin bereinigt und erledigt. Aus diesem Sachverhalt werden daher seitens meiner Mandantschaft gegen ihre Klientin keine weiteren Forderungen geltend gemacht. Ansprüche der klagenden Partei gegen andere haftende Personen und Unternehmen, insbesondere gegen die beiden weiteren beklagten Parteien, werden durch diese Regelung nicht berührt.“ Im Verfahren trat nach dem Vergleich zwischen der klagenden und der drittbeklagten Partei einfaches Ruhen ein.

Mit dem daher nur noch hinsichtlich der erst‑ und zweitbeklagten Partei gefällten Urteil verpflichtete das Erstgericht diese zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 8.508,40 EUR sA und gab dem Feststellungsbegehren statt.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist (nur) die Abweisung des Mehrbegehrens im Umfang von 12.500 EUR sA. Diese begründete das Erstgericht damit, dass von dem der klagenden Partei zustehenden Schadenersatzbetrag der von der drittbeklagten Partei unstrittig bezahlte und aus dem Vergleich resultierende Betrag abzuziehen sei. Die teilweise Erfüllung durch die drittbeklagte Partei habe in diesem Umfang die erst- und die zweitbeklagte Partei objektiv von ihrer Schuld befreit.

Der gegen die Abweisung auch dieses Betrags gerichteten Berufung der klagenden Partei gab das Berufungsgericht nicht Folge und führte aus, es sei unstrittig, dass auch die ursprünglich Drittbeklagte Solidarschuldnerin sei; die klagende Partei habe auch selbst eingeräumt, dass es sich beim Vergleichsbetrag um die klagsgegenständlichen Verbesserungskosten gehandelt habe. Sie habe aber nicht dargelegt, dass ein Teil dieses Vergleichsbetrags auf das von der drittbeklagten Partei mit dem Vergleich abgelöste Feststellungsbegehren entfiele. Dementsprechend habe das Erstgericht zutreffend diesen Betrag abgezogen.

Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht nachträglich doch für zulässig, weil es angezeigt erscheine, vom Höchstgericht die Antwort auf die Frage, inwieweit die Erfüllung einer vom Gläubiger mit einem von mehreren Solidarschuldnern verglichenen Forderung auch die offenen Ansprüche aus dem Grundgeschäft (hier: gleicher Schaden) gegen die übrigen Mitschuldner tilge, präzisieren zu lassen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts - mangels Erörterung einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Damit kann sich die Begründung auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

1.1. Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Fragestellung ist durch Rechtsprechung des Höchstgerichts bereits geklärt.

1.2. Haften dem Gläubiger mehrere Schuldner solidarisch (als Gesamtschuldner) für dieselbe Forderung, so steht es nach § 891 ABGB im Belieben des Gläubigers, in welcher Reihenfolge und in welchem Verhältnis er die einzelnen Mitschuldner in Anspruch nimmt (RIS‑Justiz RS0017435). Allerdings kann der Gläubiger die Schuld nur einmal tatsächlich erhalten. Die Erfüllung einer Gesamtschuld wirkt begriffsmäßig für und gegen alle Schuldner (1 Ob 626/92 = SZ 65/156 = RIS‑Justiz RS0017435 [T1, T2]; RIS‑Justiz RS0017310 [T5]).

Entgegen den Ausführungen der klagenden Partei in der Revision befreit nicht nur die gänzliche, sondern auch die teilweise Erfüllung alle Mitschuldner objektiv von ihrer Schuldverbindlichkeit im Umfang der Erfüllung (1 Ob 185/58 = SZ 31/69 = RIS‑Justiz RS0017310), was ebenso für Erfüllungsersatz (vgl 1 Ob 626/92 = RIS‑Justiz RS0017340) oder die Aufrechnung als eine Form der Erfüllung (2 Ob 80/78 = RIS‑Justiz RS0017343; 8 Ob 141/82 = SZ 55/137 ua) gilt, wobei einem solidarisch mithaftenden Hauptschuldner nur eine bereits voll wirksame ‑ und nicht schon eine bloß nach Art einer Bindung in Schwebe befindliche ‑ Schuldtilgung durch andere Mitschuldner zustatten kommt (6 Ob 587/83 = RIS‑Justiz RS0017345).

2.1. Von der teilweisen Befriedigung ist der (nur) einem Schuldner gewährte teilweise Erlass der Schuld zu unterscheiden. Dieser bloß einem Mitschuldner gewährte Schulderlass wirkt im Hinblick auf die Regelung des § 894 ABGB in der Regel nur (subjektiv) diesem gegenüber (RIS‑Justiz RS0017310 [T1]).

2.2. Bei einem Vergleich (§§ 1380 ff ABGB) mit einem Solidarschuldner hängt es nach herrschender Auffassung vom Willen der Vertragsschließenden ab, ob die Haftung der unbeteiligten Mitschuldner unberührt bleibt oder aufgehoben wird, doch ist für den am Vergleich unbeteiligten Mitschuldner im Zweifel die Aufhebung seiner Verpflichtung durch eine Aufhebung gegenüber einem von mehreren Solidarschuldnern als Vergleichspartner nicht anzunehmen; ihre zusätzliche Belastung ist aber jedenfalls ebenso ausgeschlossen (vgl § 894 zweiter Halbsatz ABGB, wonach die Nachsicht oder Befreiung, welche ein Mitschuldner für seine Person erhält, den übrigen nicht zustatten kommt; 2 Ob 271/97k = ZVR 1998/113; ähnlich 1 Ob 185/58 = SZ 31/69; vgl 1 Ob 772/82 = SZ 56/21; Gamerith/Wendehorst in Rummel , ABGB 4 § 894 Rz 9 mwN; Perner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang³ § 894 Rz 13 mwN; Riedler in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 894 Rz 3; Kodek in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 § 894 Rz 8 und 10). Selbst wenn in der aliquoten Inanspruchnahme eines Schuldners kein Verzicht auf das Übrige liegt ( Gamerith/Wendehorst aaO § 891 Rz 15), kann eben auch nur noch das „Übrige“ von den anderen Schuldnern begehrt werden.

2.3. Dabei ist es eine im Einzelfall zu beurteilende Auslegungsfrage, ob der Vergleich nur für die Person des Vergleichsschuldners wirken soll oder auch den übrigen Mitschuldnern zugute kommt bzw ob der Vergleichsschuldner zumindest vor einem allfälligen Regress (§ 896 ABGB) geschützt werden soll (vgl 1 Ob 772/82 = SZ 56/21; RIS‑Justiz RS0017310 [T2]; P. Bydlinski/Pendl , Der Vergleich mit einem Gesamtschuldner, JBl 2013, 545 [549 ff]; Riedler aaO § 894 Rz 3).

3. Anders als die klagende Partei meint, bestätigt die Entscheidung 6 Ob 120/14m den von ihr eingenommenen Standpunkt, weil der Vergleich ein Neuerungsvertrag sei, sei er ohne Auswirkungen auf das Verhältnis zu den beiden übrigen Beklagten, nicht, ging es doch im damaligen Anlassfall darum, ob sich die mit einem Solidarschuldner vereinbarte generalbereinigende Wirkung auch auf die damalige Beklagte als weiteren und am Vergleich nicht beteiligten Solidarschuldner erstreckt, somit darum, ob der dem Vergleichspartner gewährte teilweise Schulderlass auch ihr zugute kommt.

Im vorliegenden Verfahren geht es aber gar nicht um die Frage, ob ein teilweises Nachgeben gegenüber einem Vergleichspartner auch zugunsten der anderen Solidarschuldner wirkt, vielmehr ist zu beurteilen, ob die Leistung eines Schuldners (im Vergleichsweg) auf den Schadensbetrag zugunsten der anderen Schuldner anzurechnen ist, oder ob letztere unberührt von einem solchen Vergleich den gesamten Schadensbetrag (und damit für alle Solidarschuldner gemeinsam gesehen teilweise noch einmal) bezahlen müssen. Entgegen der Argumentation der klagenden Partei zur Novation durch den Vergleich, der einen neuen Rechtsgrund geschaffen haben soll, weswegen in der Erfüllung des Vergleichs nicht die Tilgung eines anderen, selbstständigen Rechtsgrundes, nämlich einer Schadenersatzforderung zu sehen sei, ist mit dem Vergleich kein ‑ zum Nachteil der übrigen Solidarschuldner wirkendes ‑ von der ursprünglichen Schadenersatzforderung völlig losgelöstes (abstraktes) Schuldverhältnis entstanden, dessen Erfüllung daher keine (teilweise) Erfüllung dieser Schadenersatzforderung wäre. Ein Vergleich ist zudem nicht auf jeden Fall ein Neuerungsvertrag, sondern nur dann, wenn der Rechtsgrund oder der Hauptgegenstand des Anspruches geändert wird (RIS‑Justiz RS0032600; vgl auch RS0032310), wozu der Nachweis zu führen ist (RIS‑Justiz RS0032462 [T1]).

4. Soweit die klagende Partei sich auf Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs bezieht (VII ZR 7/11 = BGHZ 192, 182), übersieht sie, dass dieser es gerade in jener Entscheidung für fraglich hielt, ob mit einem Vergleich gegenüber einem nicht daran beteiligten Gesamtschuldner auf weitergehende Ansprüche verzichtet werden solle oder nicht. Insofern ging es auch in dieser Entscheidung ähnlich wie in der zu 6 Ob 120/14m um die Erstreckung des teilweisen Schulderlasses auf andere Schuldner.

5. Auch P. Bydlinski/Pendl (aaO 551) treten dafür ein, dass der Wille redlicher Vergleichsparteien regelmäßig darauf gerichtet sein werde, dass der Vergleichsschuldner nicht über den verglichenen Betrag hinaus belastet sein solle. Dem werde am Besten durch die Annahme beschränkter Gesamtwirkung Rechnung getragen. Selbst bei der von ihnen daneben erörterten schlichten Einzelwirkung (ohne Regressschutz) gehen sie davon aus, dass der Gläubiger von den anderen Schuldnern nur noch den etwa verbleibenden Rest verlangen werde können (aaO 547).

6. Es ist richtig, dass mit dem abgeschlossenen Vergleich im Verhältnis zur drittbeklagten Partei auch das Feststellungsbegehren mitverglichen worden war. Während aber im Verfahren zur Entscheidung 1 Ob 185/58 = SZ 31/69 = JBl 1958, 548 ( Gschnitzer ), die der Revisionswerber für sich ins Treffen führt, der damalige Kläger ein Vorbringen im Verfahren erster Instanz zur strittigen Frage der Anrechnung eines bezahlten Betrags anteilsmäßig auf Kosten und Schadensgutmachung erstattet hatte, berief sich hier die klagende Partei (bloß) darauf, dass im Vergleich vereinbart worden sei, dass die Ansprüche gegenüber den anderen beklagten Parteien nicht berührt würden; eine auch nur teilweise Zuordnung zum Zahlungsbegehren sei nicht möglich. Ihrer Auslegung zufolge wäre kein Anteil auf das Zahlungsbegehren anzurechnen. Damit hätte der gesamte Betrag als Leistung von Kosten (trotz Nennung eines Kostenbeitrags im Vergleich) oder für die Abgeltung der begehrten Feststellung der Haftung (für noch nicht entstandene Schäden) zu gelten; die drittbeklagte Partei wäre dann einem Regress der beklagten Parteien beim Zahlungsbegehren ausgesetzt. Darf aber ein Gläubiger nur das „Übrige“ begehren, muss er, wenn er die unstrittig erhaltene Zahlung (der Kostenanteil war separat ausgewiesen) zu einem Schadensfall, sei sie auch im Vergleichsweg erwirkt, annimmt, die für ihn günstige Tatsachen, hier, dass und welcher Betrag trotzdem noch als das „Übrige“ offen sein solle, dh warum trotz Zahlung in einem bestimmten Umfang die Schuldtilgung nicht eingetreten sein sollte, etwa weil die Zahlung aus bestimmten Gründen auf eine andere Schuld anzurechnen sein solle, behaupten und beweisen (vgl RIS‑Justiz RS0037797 [T8, T16]). Wenn daher die Vorinstanzen mangels weiteren Vorbringens den geleisteten Betrag, soweit er nicht im Vergleich als Kosten tituliert war, als Ersatz für bereits entstandene Schäden beurteilten, bedarf dies keiner Korrektur im Einzelfall.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 ZPO iVm § 41 Abs 1 ZPO. Die beklagten Parteien haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte