OGH 3Ob28/16p

OGH3Ob28/16p16.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen V*****, geboren am ***** 2011, hier wegen Ablehnung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Mag. A*****, vertreten durch Mag. Julia Lang, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Dezember 2015, GZ 44 R 354/15g‑11, womit der Rekurs gegen den Beschluss des Vorstehers des Bezirksgerichts Meidling vom 9. Juli 2015, GZ 25 Nc 7/15a‑3, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00028.16P.0316.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2015 lehnte die Mutter die für das Pflegschaftsverfahren der Minderjährigen zuständige Richterin wegen behaupteter Befangenheit ab. Der Vorsteher des Erstgerichts verwarf diesen Ablehnungsantrag mit der Begründung, dass keine hinreichenden Gründe vorlägen, die Unbefangenheit der Richterin in Zweifel zu ziehen.

Den dagegen erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht mit der Begründung zurück, dass er nicht von der Mutter, sondern von der Minderjährigen erhoben worden sei; diese sei dazu nicht legitimiert, weil sie die Erstrichterin nicht abgelehnt habe.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Der Revisionsrekurs der Mutter, mit dem sie geltend macht, dass der Rekurs von ihr und nicht von der Minderjährigen erhoben worden sei, ist wegen einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Das Revisionsrekursverfahren gegen die Zurückweisung eines Rekurses ist gemäß § 48 Abs 1 AußStrG einseitig (RIS‑Justiz

RS0120614).

2. Gegen die Bestätigung der Zurückweisung eines Ablehnungsantrags ist gemäß § 24 Abs 2 JN kein weiteres Rechtsmittel zulässig (RIS‑Justiz

RS0098751); dies gilt aber dann nicht, wenn die Zurückweisung aus formellen Gründen, also ohne meritorische Prüfung der Ablehnungsgründe, erfolgte (RIS‑Justiz

RS0044509). In diesem ‑ hier vorliegenden ‑ Fall steht der Rechtszug an die dritte Instanz zwecks Prüfung dieser formellen Gründe offen, sofern eine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (RIS‑Justiz

RS0044509 [T7]).

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist zur Einbringung des Rekurses gegen die Zurückweisung der Ablehnung (§ 24 Abs 2 JN) nur legitimiert, wer selbst in erster Instanz abgelehnt hat (RIS‑Justiz RS0045958).

Aus dem Rubrum des Rekurses und der „Unterschrift“ auf seiner letzten Seite (jeweils: „mj. V***** vertr.d.d. Kindesmutter Mag. A*****“) scheint sich zwar tatsächlich zu ergeben, dass er von der Minderjährigen und nicht von ihrer Mutter (im eigenen Namen) eingebracht wurde. Nach dem gesamten Inhalt des Rechtsmittels kann allerdings kein Zweifel daran bestehen, dass die Rechtsvertreterin der Mutter den Rekurs in deren Namen und nicht im Namen des Kindes erhoben hat:

Die sich als „Antragstellerin“ bezeichnende Rekurswerberin teilte eingangs des Rechtsmittels nochmals mit, dass sie (unter anderem) Rechtsanwältin Mag. Julia Lang, die bereits den Ablehnungsantrag namens der Mutter verfasst hatte, mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und bevollmächtigt habe, und bezog sich im ersten Absatz ihrer Rechtsrüge darauf, dass nach der (von ihr bekämpften) Ansicht des Erstgerichts die von der Antragstellerin ‑ also der Ablehnungswerberin ‑ vorgebrachten Gründe nicht ausreichten. Im dritten Absatz der Rechtsrüge wird zwischen der „mj. V*****“ und der „Antragstellerin“ unterschieden, wobei mit Letzterer eindeutig die Mutter gemeint ist (arg: „als Mutter“).

4. Das Rekursgericht hat die Legitimation der Rekurswerberin daher jedenfalls zu Unrecht verneint: Angesichts der von der Verfasserin des Rechtsmittels gewählten Bezeichnung der „Antragstellerin“ hätte es höchstens Zweifel darüber haben können, wer die Rekurswerberin war, jedoch in Anbetracht des gesamten Inhalts des Schriftsatzes nicht davon ausgehen dürfen, der Rekurs sei eindeutig von der Minderjährigen erhoben worden; in diesem (Zweifels‑)Fall hätte es der einschreitenden Rechtsanwältin vor einer Zurückweisung des Rechtsmittels aber eine Verbesserungsmöglichkeit einräumen müssen.

5. Das Rekursgericht wird deshalb im fortgesetzten Verfahren inhaltlich über das Rechtsmittel zu entscheiden haben.

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