OGH 5Ob164/15a

OGH5Ob164/15a23.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. C***** K*****, 2. Ing. K***** K*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Robert Fluck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Grama Schwaighofer Vondrak Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei H*****, vertreten durch Mag. Matthias Bonelli, Rechtsanwalt in Wels, wegen 23.362,36 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Juni 2015, GZ 12 R 43/15d‑19, mit dem über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Februar 2015, GZ 29 Cg 51/14d‑14, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00164.15A.0223.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 1.539,83 EUR (darin enthalten 256,63 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Erstkläger ist Eigentümer einer Liegenschaft in 1050 Wien. Der Zweitkläger ist Fruchtgenussberechtigter dieser Liegenschaft. Die beklagte Privatstiftung ist seit Jänner 2012 Eigentümerin einer Nachbarliegenschaft, auf der sich unter anderem Geschäftsräumlichkeiten befinden, deren Mieterin seit dem Jahr 2005 die Nebenintervenientin ist. Mit Zustimmung der Rechtsvorgängerin der Beklagten ließ die Nebenintervenientin im Jahr 2006 Bauarbeiten durchführen.

Die Kläger begehren die Zahlung von 23.362,35 EUR. Sie stützen sich dabei auf die §§ 364a, 364b ABGB. Durch die Bautätigkeiten auf der Nachbarliegenschaft seien erstmals am 21. 6. 2012 Setzungsschäden an der Hofmauer ihrer Liegenschaft aufgetreten. Dabei handle es sich um Folgeschäden der Bauarbeiten aus dem Jahr 2006, für die die Beklagte als Liegenschaftseigentümerin hafte.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgte dabei im Wesentlichen der Argumentation der Beklagten, wonach diese für den geltend gemachten Anspruch passiv nicht legitimiert sei, weil sie erst im Jahr 2012 Eigentümerin der Liegenschaft geworden sei. Es habe ihr an der Möglichkeit gefehlt, die durch einen Dritten verursachte Einwirkung auf die Nachbarliegenschaft zu unterbinden.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts über Berufung der Kläger auf. Nach der Rechtsprechung komme ein nachbarrechtlicher Ausgleichs-anspruch stets dann in Betracht, wenn die Schädigung in irgendeiner Weise mit der Verfügungsmacht des Grundeigentümers zusammenhingen. Daraus folge keine zeitliche Ein‑ und Beschränkung der Haftung auf den jeweiligen „historischen“ Grundeigentümer im Zeitpunkt der schädigenden Handlung. Das für die Begründung der Haftung herangezogene Erfordernis eines „gewissen Zusammenhangs zwischen Sachherrschaft und Nutzung“ fuße in der Zuweisung der Sache selbst oder zumindest im Sachzusammenhang mit der Liegenschaft. Daher habe der Eigentümer die von der Sache selbst ausgehende Störung wegen ihres Zusammenhangs mit der Nutzung zu verantworten; die Haftung könne daher auch darin begründet sein, dass durch die nunmehrige Inanspruchnahme der Sache der (vom Vormann geschaffene) störende Zustand tatsächlich aufrechterhalten werde.

Den Rekurs erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil ‑ soweit überblickbar ‑ keine ausdrückliche Stellungnahme der Rechtsprechung zur Frage der Passivlegitimation im hier vertreten Sinn vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 Satz 2 ZPO) ist der Rekurs in Ermangelung einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Gegenstand des Rekursverfahrens ist ausschließlich die Frage nach der Passivlegitimation für den von den Klägern geltend gemachten verschuldensunabhängigen Geldersatzanspruch analog § 364a ABGB (vgl dazu RIS‑Justiz RS0010449 [T12; T14]).

2. Klagen nach § 364 Abs 2 ABGB oder § 364b ABGB bilden einen Anwendungsfall der negatorischen Eigentumsklage des § 523 ABGB, weshalb die Frage der Passivlegitimation nach den zur Eigentumsklage entwickelten Grundsätzen zu beurteilen ist (4 Ob 25/11x). Wegen Handlungen Dritter, kann die Eigentumsklage ganz allgemein erhoben werden, wenn der Beklagte den Eingriff veranlasst hat, den unerlaubten Zustand aufrecht hält oder sonst von ihm Abhilfe zu erwarten ist (vgl RIS‑Justiz RS0012110). Unterlassungspflichten treffen damit auch denjenigen, der ohne weiteres Zutun bloß als Eigentümer die von der Sache selbst ausgehende Störung wegen ihres Zusammenhangs mit der Nutzung (Verfügung, Disposition) verantwortet oder durch Inanspruchnahme der Sache den (vom Vormann geschaffenen) störenden Zustand tatsächlich aufrecht hält (Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 354 Rz 7).

3. Der verschuldensunabhängige Ausgleichs-anspruch nach § 364a ABGB (hier: analog) wird dem Nachbarn als Ersatz für den Entzug des Unterlassungsanspruchs nach § 364 Abs 2 ABGB gewährt (RIS‑Justiz RS0010449 [T10]). Die Haftung knüpft daher nicht an den schadenersatzrechtlichen Begriff des Schädigers an, sondern an die negatorische Störerverantwortlichkeit (Kerschner/Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang 3 § 364a Rz 302). Bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen wird ein solcher Ausgleichsanspruch auch in den Fällen des § 364b ABGB zugebilligt (RIS‑Justiz RS0010668 [T17]).

4. Zweck des § 364b ABGB ist die Sicherung der Festigkeit und Standsicherheit des Nachbargrundstücks gegen Maßnahmen, die einen Eingriff in die bodenphysikalische Beschaffenheit bewirken (RIS‑Justiz RS0010703; Eccher/Riss in KBB4 § 364b ABGB Rz 1).

Der daraus resultierende Anspruch gegen den Nachbarn kann auf Unterlassung, aber auch auf die Wiederherstellung des vorigen Zustands durch Behebung der eingetretenen Schäden, etwa durch Wiederherstellung der erforderlichen Stütze gerichtet sein (Eccher/Riss aaO § 364b Rz 1; Oberhammer in Schwimann, ABGB4 § 364b Rz 5). Geschützt ist dabei jede Anlage am Nachbargrundstück (3 Ob 95/11h mwN;

Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 364b ABGB Rz 3). Der Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB tritt an die Stelle der sonst (hier:) nach § 364b ABGB zustehenden Befugnis (vgl RIS Justiz RS0010671).

5. Für die Ersatzpflicht nach § 364a ABGB gelten die selben Voraussetzungen wie für den entzogenen Anspruch nach den §§ 364 Abs 2 bzw 364b ABGB (vgl Holzner in Kletečka/Schauer aaO § 364a ABGB Rz 8). Gegner des Anspruchs nach § 364a ABGB kann daher nach hA jeder dinglich oder obligatorisch Berechtigte oder auch ein bloß faktischer Nutzer sein, sofern er die Störungsquelle beherrscht (s. Eccher/Riss aaO § 364a Rz 5). Für die Haftung des Eigentümers ist das Vorliegen einer Schädigung erforderlich, die in irgendeiner Weise mit seiner Verfügungsmacht als Grundeigentümer zusammenhängt, sei es, dass er die Liegenschaft in einen Schaden hervorrufenden Zustand versetzt oder in einem solchen belässt (vgl RIS‑Justiz RS0010448).

6. Nach den bisher vorliegenden ‑ ungeprüften ‑ Klagebehauptungen haben die von der Nebenintervenientin mit Billigung der damaligen Grundstückseigentümerin durchgeführten Bauarbeiten zu Setzungsschäden an der Liegenschaft der Klägerin geführt, welche erstmals am 21. 6. 2012 aufgetreten sind. Damit berufen sich die Kläger auf eine Schädigung, die auf den durch die Bauführung herbeigeführten Zustand der Liegenschaft zurückgeht und nach Erwerb des Eigentums durch die Beklagte fortbestand; somit auf einen von der Beklagten zwar nicht veranlassten, aber von dieser aufrechterhaltenen störenden Zustand. Von der Beklagten, die (unstrittig) in das Mietverhältnis mit der Nebenintervenientin eingetreten ist, wäre als Eigentümerin auch die erforderliche Abhilfe im Sinne einer Wiederherstellung des vorigen Zustands zu erwarten, worauf eine Klage nach § 364b ABGB allenfalls gerichtet werden könnte, sodass der für eine Haftung der Beklagten geforderte Zusammenhang zwischen der Sachherrschaft und dem Schaden an der Liegenschaft der Kläger und ihre Passivlegitimation für den an Stelle des Anspruchs nach § 364b ABGB geltend gemachten Geldersatzanspruch analog § 364a ABGB nicht in Zweifel gezogen werden kann.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts entspricht damit den in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen.

6. Der Rekurs der Beklagten ist damit zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedarf (§§ 528a, 510 Abs 3 letzter Satz ZPO), zumal allein das Fehlen von Rechtsprechung zu einer konkreten Fallkonstellation noch keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RIS‑Justiz RS0102181 [T1, T12, T16]).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nicht statt (RIS‑Justiz RS0123222). Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Sie haben aber nur Anspruch auf einen Streitgenossenzuschlag von 10 %. Die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt, stand also den Klägern nicht iSd § 15 RATG gegenüber (Obermaier, Das Kostenhandbuch Rz 640).

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