European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00158.15V.0223.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsteller ist schuldig, dem Zweit‑, Dritt‑, Fünft‑ und Sechstantragsgegner die mit 447,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Parteien sind die Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB *****. Mit den 4/404 Anteilen des Antragstellers zu B‑LNr ***** ist Wohnungseigentum am Kfz‑Abstellplatz 7/8 Top 14/15 verbunden. Dieser Abstellplatz weist nach dem dem Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag zugrunde liegenden Parifizierungsgutachten ein Ausmaß von 21,74 m² auf; im zugehörigen Lageplan ist dessen Breite mit 1,85 m festgelegt.
Der Antragsteller begehrte die Neufestsetzung der Nutzwerte gemäß § 9 Abs 2 WEG und begründete dies ‑ soweit für das Revisionsrekursverfahren noch relevant ‑ damit, dass der Abstellplatz Top 14/15 die in § 130 der Kärntner Bauvorschriften vorgesehene Mindestbreite von 2,30 m nicht erreiche und dort kein PKW geparkt werden könne. Das Parifizierungsgutachten verstoße daher gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung.
Die sich am Verfahren beteiligenden Antragsgegner beantragten die Abweisung des Antrags und wandten unter anderem ein, dass das WEG keine Mindestbreite für Kfz‑Abstellplätze vorsehe, das Parifizierungsgutachten somit auch keinen zwingenden Grundsätzen widerspreche. Die Parteien hätten sich im Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag mit den im Parifizierungsgutachten angegebenen Maßen ausdrücklich einverstanden erklärt.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Rechtsprechung beschränke die Anwendungsfälle einer Korrektur der Nutzwerte nach § 9 Abs 2 Z 1 WEG auf gravierende Verstöße gegen zwingende Grundsätze der Parifizierung. In Bezug auf die Parkplatzbreite liege schon deshalb kein solcher Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Parifizierung vor, weil das WEG keine zwingende Vorgabe der Breite einer Fahrzeugabstellfläche enthalte. Aus dem Verweis auf entsprechende Bestimmungen der Kärntner Bauordnung sei für den Antragsteller daher nichts zu gewinnen. Maßgeblich sei allein der privatrechtliche Widmungsakt der Wohnungseigentümer, wobei die Parkflächenbreite von 1,85 m in dem dem Wohnungseigentumsvertrag zugrunde liegenden Parifizierungsgutachten von sämtlichen Miteigentümern akzeptiert und ausdrücklich vereinbart worden sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Grundsätzlich könne auf die zutreffende Begründung des Erstgerichts verwiesen werden. Die EB zur RV des WEG 2002 (989 BlgNR XXI. GP 35) würden ausdrücklich darauf hinweisen, dass diesem Gesetz keine Einschränkung auf mehrspurige Fahrzeuge zu entnehmen sei. Auch die Lehre sehe kleinere Abstellflächen als wohnungseigentumstauglich an, solange darauf ein einspuriges Kraftfahrzeug geparkt werden könne. Die vom Sachverständigen angesetzte Breite des gegenständlichen Abstellplatzes von 1,85 m verstoße daher nicht gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertfestsetzung.
Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine zum Abstellen von zweispurigen Kraftfahrzeugen zu schmale Fläche im Sinne des § 2 Abs 2 WEG wohnungseigentumstauglich sei.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Sachbeschluss des Rekursgerichts abzuändern und dem Antrag stattzugeben. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Zweit‑, Dritt‑, Fünft‑ und Sechstantragsgegner beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung , dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1. Gegenstand des Revisionsrekurses ist ausschließlich die (vom Rekursgericht zur Begründung seines Zulassungsausspruchs abstrahierte) Frage, ob ein Abstellplatz mit einer Breite von 1,85 m ein wohnungseigentumstaugliches Objekt im Sinne des § 2 Abs 2 WEG darstellt oder die Begründung von Wohnungseigentum an einem solchen gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertfestsetzung verstößt.
2.1 Nach der Legaldefinition des § 2 Abs 2 WEG ist ein Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug eine ‑ etwa durch Bodenmarkierung ‑ deutlich abgegrenzte Bodenfläche, die ausschließlich zum Abstellen eines Kraftfahrzeugs gewidmet und dazu nach ihrer Größe, Lage und Beschaffenheit geeignet ist.
2.2 Die
Gesetzesauslegung beginnt mit der Wortinterpretation (RIS‑Justiz RS0008896), darf dabei aber nicht stehen bleiben; der übliche formale Wortsinn ist (nur) ein Hinweis für die Auslegung der Norm. Bleiben nach der Wortauslegung und der logischen Auslegung Zweifel, dann ist die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen und der Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung zu erfassen (RIS‑Justiz RS0008836)
. Der Rechtsanwender hat unter gleichzeitiger Heranziehung aller zur Verfügung stehenden Kriterien in wertender Entscheidung den Sinn der Regelung klarzustellen (5 Ob 126/13k mwN).
2.3 Konkrete Vorgaben für die Ausmaße der Bodenfläche enthält das WEG nicht, insbesondere verlangt das Gesetz für die Wohnungseigentumstauglichkeit eines Abstellplatzes keine bestimmte Mindestbreite der Abstellfläche. Eine solche ergibt sich lediglich implizit aus der geforderten Eignung für das Abstellen eines Kraftfahrzeugs. Ein Kraftfahrzeug im Sinne des Kraftfahrgesetz 1967 ist jedes zur Verwendung auf Straßen bestimmte oder auf Straßen verwendete Fahrzeug, das durch technisch freigemachte Energie angetrieben wird und nicht an Gleise gebunden ist (§ 2 Abs 1 Z 1 KFG). Dazu zählen insbesondere sowohl Kraftwagen (mehrspurige Kraftfahrzeuge mit mindestens vier Rädern; § 2 Abs 1 Z 3 KFG) als auch Krafträder (Kraftfahrzeuge mit zwei oder drei Rädern; § 2 Abs 1 Z 4 KFG). Auch im allgemeinen Sprachgebrauch meint der Begriff Kraftfahrzeug (Kfz) zwar vielleicht vornehmlich, aber nicht ausschließlich (Personen‑, Kombinations‑ und Last‑)Kraftwagen.
2.4 Die ErläutRV 989 BlgNR XXI. GP 35 weisen ausdrücklich daraufhin, dass das WEG 2002 keine Einschränkung etwa auf mehrspurige Kraftfahrzeuge vorsehe. Auch eine abgegrenzte Bodenfläche, die bloß zum Abstellen eines einspurigen Kfz gewidmet und geeignet sei, sei ein wohnungseigentumstaugliches Objekt. Unter Hinweis auf den damit zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers wird auch im Schrifttum einhellig die Auffassung vertreten, dass es sich bei einem Abstellplatz für Kraftfahrzeuge im Sinne des § 2 Abs 2 WEG nicht um einen Stellplatz für mehrspurige Kfz handeln muss ( Würth/Zingher/Kovanyi II 23 § 2 WEG Rz 14; Prader WEG 4 § 2 Anm 5; Illedits in Illedits/Reich‑Rohrwig 2 § 2 WEG Rz 9), also auch kleinere als für einen „normalen“ PKW mit durchschnittlicher Größe erforderliche Abstellflächen als wohnungseigentumstauglich anzusehen sind, solange darauf zumindest ein einspuriges Kfz geparkt werden kann ( T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch 3 § 2 WEG Rz 22).
3. Der erkennende Senat teilt diese Rechtsauffassung. Die Auslegung des Gesetzes hat zum Ergebnis, dass es sich bei einem Abstellplatz für Kraftfahrzeuge im Sinne des § 2 Abs 2 WEG nicht um einen Stellplatz für mehrspurige Kfz handeln muss. Abstellflächen sind solange als wohnungseigentumstauglich anzusehen, als darauf zumindest ein einspuriges Kfz geparkt werden kann.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Es entspricht der Billigkeit, den obsiegenden Zweit‑, Dritt‑, Fünft‑ und Sechstantragsgegnern die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung zuzusprechen. Die Bemessungsgrundlage dafür beträgt jedoch nur 2.500 EUR (§ 10 Z 3 lit b sublit bb RATG). An Streitgenossenzuschlag gebühren nur 20 %, weil nur für die erste weitere, vom selben Rechtsanwalt vertretene Partei 10 % (§ 15 lit a RATG) und für jede weitere vertretene Partei je 5 % (§ 15 lit b RATG) Streitgenossenzuschlag zustehen.
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