Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten J***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch den in Rechtskraft erwachsenen Freispruch einer Mitangeklagten enthält, wurde Roland J***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB (I./ und III./A./) sowie der Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II./), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (III./B./) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (III./C./) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien
I. / am 17. Mai 2014 versucht, Gewahrsamsträgern der S***** AG Waren in einem Gesamtwert von 8,39 Euro mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;
II. / im Anschluss an die zu I./ beschriebene Tat, die Ladendetektive Peter J***** und Andreas Z***** an seiner Anhaltung zu hindern und zu flüchten versucht, indem er sie im Zuge eines Gerangels zur Seite stieß und nach ihnen trat, wodurch Peter J***** zu Boden stürzte und eine Schürfwunde am Knie erlitt;
III. / am 15. Dezember 2014
A. / versucht, Gewahrsamsträgern der Z***** GmbH ein Stück Käse im Wert von 2,29 Euro mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, indem er den Käse in seine Jackentasche steckte und ohne zu bezahlen den Kassenbereich passierte, wobei er vom Ladendetektiv Eman P***** beobachtet wurde;
B. / drei Flaschen Eristoff der Z***** GmbH im Wert von 4,77 Euro beschädigt, indem er die Flaschen zu Boden warf;
C. / Michael J***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB falsch verdächtigte, obwohl er wusste, dass die Verdächtigung falsch war, indem er bei der Identitätsfeststellung und bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache als Beschuldigter zur Tathandlung zu III./A./ angab, sein Name sei Michael J*****.
Dagegen richtet sich die auf Z 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
Zu II./ vermisst der Rechtsmittelwerber (Z 9 lit b) Feststellungen dazu, dass die Ladendetektive unverzüglich nach der Anhaltung Anzeige an das nächst erreichbare Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstattet hätten. „Mangels ausreichender Feststellungen“ zu einer unverzüglichen Verständigung der Polizei sei die Anhaltung nicht gerechtfertigt, sodass der Angeklagte dagegen zulässigerweise Notwehr (§ 3 StGB) geübt hätte. Die Beschwerde unterlässt es dabei aber ‑ wie dies bei Geltendmachung eines Feststellungsmangels erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0122332; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 600, 602) ‑ konkrete in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse zu benennen, die darauf hindeuten würden, eine solche Verständigung sei nicht erfolgt (vgl hingegen dazu den Amtsvermerk der einschreitenden Polizeibeamten vom 17. Mai 2014, ON 2 S 63).
Dass im Übrigen der Widerstand des Angeklagten gegen seine Anhaltung („ex tunc“) nach § 3 StGB gerechtfertigt sein sollte, wenn in der Folge eine unverzügliche Anzeige an die Polizei unterlassen wurde, behauptet die Beschwerde bloß, ohne diese rechtliche Konsequenz methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (vgl Lewisch in WK 2 StGB Nachbem zu § 3 Rz 211; zur Notwendigkeit eines subjektiven Rechtfertigungselements vgl Lewisch in WK 2 StGB § 3 Rz 146; Kienapfel/Höpfel/Kert AT 14 Z 13 Rz 23; Fuchs AT I 8 19/2; zu den entgegenstehenden Urteilsannahmen s US 6).
Soweit die Rüge weiters Feststellungen dazu vermisst, dass die Anhaltung „auf einen beobachteten Ladendiebstahl zurückgeführt wurde“, und davon ausgehend die irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts (§ 8 StGB) durch den Angeklagten postuliert, übergeht sie die entsprechenden Konstatierungen, wonach die Detektive den Angeklagten über eine Videoüberwachungsanlage beobachteten und ihn deshalb aufhalten wollten (US 5). Die beweiswürdigenden Spekulationen des Rechtsmittels darüber, dass der Angeklagte angenommen hätte, „grundlos und damit widerrechtlich angehalten zu werden“, halten weder an den Urteilsannahmen fest (US 5) noch weisen sie auf ein dies indizierendes Sachverhaltssubstrat hin.
Mit der Subsumtionsrüge (Z 10) strebt der Rechtsmittelwerber die Ausschaltung der Gewerbsmäßigkeit (§ 130 erster Fall StGB) und die Subsumtion der Taten (bloß) nach §§ 15, 127 StGB an. Weshalb (im Rahmen der hier auf Richtigkeitskontrolle des erstinstanzlichen Urteils beschränkten Nichtigkeitsbeschwerde) zur rechtlichen Beurteilung der am 17. Mai und 15. Dezember 2014 begangenen Taten der erst mit 1. Jänner 2016 in Kraft getretene § 70 StGB idF BGBl 2015/112 herangezogen werden sollte und nicht das im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz geltende Recht, sagt die Rüge allerdings nicht (vgl dazu Ratz , WK‑StPO § 288 Rz 34 f).
Soweit die Beschwerde schließlich eine Subsumtion der Taten I./ und III./A./ nach § 141 StGB anstrebt (Z 10, für den Fall „mangelnder Ermächtigung“ auch Z 9 lit a), weil der Angeklagte die Diebstähle aus Not begangen habe, geht sie wiederum nicht von den erstgerichtlichen Konstatierungen aus. Diesen ist nämlich weder eine Notlage im Sinn eines Mangels an den dringendsten Lebenserfordernissen zu entnehmen (vgl RIS‑Justiz RS0094538) noch eine dieses besondere Schuldmerkmal (s dazu Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 141 RN 26 ff; Kienapfel/Höpfel/Kert AT 14 Z 15 Rz 19 f) erfüllende Motivlage (RIS‑Justiz RS0094530; vgl US 5: „eine Flasche Himbeersirup, eine Flasche 'Leibwächter' und einige Süßigkeiten“).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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