OGH 9ObA74/15w

OGH9ObA74/15w27.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn, und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. D*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Alexandra Knell, Rechtsanwältin in Wien, wegen Anfechtung einer Kündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. April 2015, GZ 10 Ra 30/15b‑31, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00074.15W.0127.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung stellt die konkrete Abwägung der durch die Kündigung beeinträchtigten wesentlichen Interessen des gekündigten Arbeitnehmers gegen die vom Arbeitgeber nachgewiesenen personenbezogenen Kündigungsgründe iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG (RIS‑Justiz RS0051818 mwN) wegen ihrer Einzelfallbezogenheit im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (9 ObA 105/11y, 9 ObA 109/08g uva). Eine Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof unter dem Aspekt der Rechtssicherheit iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifen wäre, vermag der Kläger ebenso wenig darzustellen wie eine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, die nicht bereits anhand der vom Obersten Gerichtshof herausgearbeiteten Grundsätze für die Beurteilung der Kündigungsgründe gelöst werden könnte.

Der Kläger führt in der außerordentlichen Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Interessenabwägung im Wesentlichen an, dass das ihm vorwerfbare Fehlverhalten der Fehlergeneigtheit seiner Tätigkeit bei der Beklagten zuzuschreiben sei und eine Kündigung schon mangels vorangegangener Ermahnung nicht rechtfertige. Hier wurde aber für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellt, dass die in einem sensiblen und kostenintensiven Bereich tätige Beklagte genaue (und jahrzehntelang für Behördenkontrollen aufzubewahrende) Dokumentationspflichten hat. Die Tätigkeiten sind nach einem genauen Ablauf und sehr konzentriert, aber ohne besonderen Zeitdruck vorzunehmen. Die Herstellungsdokumentation ist so aufgebaut, dass alles Schritt für Schritt erledigt wird. Obwohl die Beklagte in zwei unmittelbar auf Fehler des Klägers folgenden Mitarbeitergesprächen versucht hat, den Kläger zu dem bei seiner Tätigkeit erforderlichen besonders genauen Arbeiten zu veranlassen, kam es zuletzt in drei Fällen innerhalb eines Zeitraums von nur rund acht Wochen, zu Fehlern des Klägers, die in einem Fall zu einem sehr hohen Schaden für die Beklagte führten. Bereits vor diesen, letztlich zur Kündigung führenden Vorfällen erfüllte der Kläger die Dokumentationsvorgaben der Beklagten nicht zu deren vollsten Zufriedenheit, weshalb er auch nur eine geringere Prämie erhielt. Wenn das Berufungsgericht darin eine für den Kläger erkennbare Ermahnung der Beklagten sieht, seine Arbeitsweise zu ändern, so liegt darin kein Abweichen von den Feststellungen des Erstgerichts.

Bereits das Erstgericht hielt fest, dass der Kläger in einem sensiblen und kostenintensiven Bereich bei der Beklagten arbeitete und seine Fehlleistungen den bei der Beklagten bestehenden Qualitätsanforderungen widersprachen. Personenbezogene Gründe iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, müssen nicht so gravierend sein wie Entlassungsgründe, sie müssen aber eine Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber doch in erheblichem Ausmaß als nachteilig erscheinen lassen (8 ObA 45/11t). Ist dies der Fall, steht es dem Arbeitgeber frei, den Arbeitnehmer sofort zu kündigen; einer Ermahnung bzw Verwarnung bedarf es diesfalls nicht (9 ObA 143/03z mwH; Wolligger in ZellKomm² § 105 Rz 207). Der Behauptung des Klägers, bei seiner Kündigung sei der Unverzüglichkeitsgrundsatz nicht beachtet worden, liegt kein entsprechendes Vorbringen des schon im Verfahren erster Instanz qualifiziert vertretenen Klägers zugrunde, sodass es sich dabei um eine gemäß § 482 ZPO unbeachtliche Neuerung handelt. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass vor diesem Hintergrund die betrieblichen Interessen der Beklagten auch bei objektiver Betrachtungsweise in erheblichem Maß berührt sind, sodass sie im Ergebnis das wesentliche Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses überwiegen (RIS‑Justiz RS0051888), ist im konkreten Einzelfall daher keineswegs unvertretbar.

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